Campusführer Stuttgart-Mitte

 

Objekt Q:

Die drei Fertigungsinstitute

 

 

Hintergründe

Der Leiter des Institutes für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb Professor Carl Martin Dolezalek. (1899-1984) schloss sich zusammen mit zwei anderen Instituten der Maschinenbauabteilung 1955 zusammen. Professor Alfred Erhardt (1936-1964), Leiter des Institutes für Werkzeugmaschinen, und Professor August Wewerka (1891-1964), Institutsleiter für Umformtechnik, sahen ebenso die Möglichkeiten durch die Zusammenschließung ihrer Raumnot ein Ende zu machen. Alle drei Institute benötigten nämlich größere Räumlichkeiten, erhielten aber nie Beachtung. Jetzt haben sie dem Hochschulbauamt ein Raumprogramm mit ca. 10.000 m² Nutzfläche vorgelegt und wollten einen neues Gebäude mit einem Bürobereich und einer Halle und erhielten so erstmals wirklich Aufmerksamkeit mit ihrer Forderung.
Der Forderung der Institute kam positiv entgegen, dass zu dieser Zeit erstens in Deutschland die Anzahl der Studierenden deutlich angestiegen ist und zweitens die Fertigungstechnik selber als akademisches Lehrfach wichtiger wurde. Der Universität war natürlich daran interessiert mit der Zeit zu gehen und hat eingesehen, dass ein neues Gebäude nötig ist.
Selbst der damalige Kultusminister Dr. Gerhard Storz (1898-1983) hat dies gesehen und in seiner Geleitrede wie folgt ausgedrückt (Festrede in Die drei Fertigungsinstitute, Universität Stuttgart 1964):
"Die Universität Stuttgart steht mit ihren drei ordentlichen Lehrstühlen auf diesem Gebiet und den dadurch eröffneten Ausbildungsmöglichkeiten an der Spitze aller westdeutschen Hochschulen. Das beweist, dass sie ihre Studienmöglichkeiten den Erfordernissen des heutigen Lebens anzupassen wusste."

 

Beteiligte Personen

Bauherr bzw. nutzende Verwaltung des Gebäudes war das Land Baden-Württemberg vertreten durch die Oberfinanzdirektion Stuttgart. Entwurf und Planung lagen in der Hand der Hochschulbauleitung Stuttgart unter Adalbert Sack. Der Entwurf stammt von dem 1931 geborenen Hugo Berger. Er studierte von 1951-57 an der Hochschule Stuttgart, vorallem bei den Professoren Rolf Gutbrod und Rolf Gutbier. Ab 1597 war er bei der Bauverwaltung angestellt und wurde mit der Planung und Fertigstellung der Fertigungsinstitute gemeinsam mit seinen Kollegen Wilm Brandes, Bruno Bross und Konrad Hennig beauftragt. Die statische Berechnung wurde von Diplom Ingenieur Kleinbub aus Stuttgart erstellt und geprüft von Diplom Ingenieur Kintergest in Esslingen. Der Rohbau kam von der Firma Gebrüder Fahrion KG in Stuttgart und der Stahlbau wurde von der Maschinenfabrik Esslingen gefertigt.

 

Zeitlicher Ablauf

Nachdem im Dezember 1955 das erste gemeinsame Raumprogramm an das Hochschulbauamt gegeben wurde, hatten die Institute zwar die Aufmerksamkeit bekommen, es war aber noch unsicher, wohin das neue Gebäude kommt. Insgesamt suchte die Universität Stuttgart nämlich nach einem neuen Standort, es war damals noch nicht klar, dass es später der Pfaffenwald in Vaihingen wird. Der Wunsch, dass das neue Gebäude in der Stadtmitte stehen soll, wirkte ebenfalls verzögernd. Gesamt hat die Planung sich über 5 Jahre hingezogen; unter anderem auch deshalb, weil es nach Festlegung des Standortes in der Stadtmitte am Alten Schlachthof dann noch einen neuen Gesamtbebauungsplan gab, da die Hegelstraße deutlich verbreitert wurde und die an sich simpel geplante Anlage so nicht mehr durchführbar war und wieder eine neue Planung der Institutsgebäude nötig war. Im Herbst 1960 begannen dann die Bauarbeiten und ab dann ging es zügig voran; im Mai 1962 war das Richtfest und nach drei Jahren Bauzeit wurde das Gebäude im Dezember 1963 fertiggestellt.

 

Daten und Fakten

Das Gebäude hat eine Bruttogrundfläche von 10.350m². Die Baukosten beliefen sich laut dem dritten Kostenvoranschlag vom November 1963 auf Gesamtkosten von 9,95 Millionen DM. Der Beton- und Stahlbau kostete davon 2,5 Millionen DM und die Haustechnik lag bei 1,1 Millionen DM.

 

Baubeschreibung

Lage

Das Gebäude liegt auf dem Campus Stadtmitte am Ende des Stadtgartens (-> Station E) und grenzt an zwei verkehrsreichen Straßen sowie an die innerstädtische Parkanlage, den Hoppenlau-Friedhof (-> Station O), im Osten. 3

Entwurf

Das Gebäude besteht aus zwei verschiedenen Formteilen; dem schwebenden Institutsbau (Turmbau) und einem flachen Werkhallenbau. Anhand des Bürogebäudes haben die Fertigungsinstitute auch den Spitznamen "Eis am Stiel" erhalten.
Die Lage bot den Architekten die Möglichkeit, den Fuß- und Fahrverkehr zu trennen: Fußgänger finden den Eingang über die Parkanlage, der fahrende Verkehr gelangt über die Holzgartenstraße zu dem Gebäude.
Die axiale Ausrichtung des Gebäudes ist dieselbe wie die der anderen Universitätsgebäude im Stadtgarten. Und auch optisch und gestalterisch zeigen die Architekten die Beziehung und Zugehörigkeit zu den anderen Gebäuden; sicherlich liegt das auch mit daran, dass sie alle ungefähr in derselben Zeit entstanden. Merkmale hierfür sind zum Beispiel die Ehrlichkeit der Konstruktion - sie ist innen wie außen sichtbar - und die Fassade aus Sichtbeton und Klinkerausfachung.
Der Entwurf schafft es, drei Institute in einem Gebäude unterzubringen und zeitgleich jedem Institut eine eigenständige Note zu geben..

Turmbau - Aufteilung und Konstruktion

Der Turmbau, der die Büro- und Konstruktionsräume beinhaltet, hat vier Geschosse. Es gibt einen vertikalen Kern für die Erschließung und die Verbindung zur Werkhalle. Das Treppenhaus in diesem vertikalen Kern ist auf knappster Fläche gehalten. Dank der Auskragungen, die an allen vier Seiten 4,70m beträgt, wirkt der Bürotrakt, als ob er über der Werkhalle schwebt. Das führte zu dem liebevollen Spitznamen "Eis am Stiel". Der ruhende Turm ist aufgestellt auf vier Stützen, die direkt an dem vertikalen Kern sind und ist 22 Meter hoch. Er ist ein Stahlbetonbau und in den Obergeschossen ist die Konstruktion ein Trägerrost.

Werkhalle - Aufteilung und Konstruktion

Die äußere Begrenzung und somit die diagonale Form entstand aufgrund der Baulinien zur Rosenberg-/Hegelstraße und dem Nachbargebäude bzw. dem Hoppenlau Friedhof. Die zweigeschossige Halle hat an den Längsseiten und am Turmkern über die volle Höhe Einbauten. Die Einbauten sind Werkstätten und Diplomandenräume, um direkt an der Werkhalle zu sein und laufend die Versuche zu beobachten, überwachen und auszuwerten. In diesem Bereich ist das Gebäude komplett unterkellert. Das Faltdach mit den nach Norden orientierten Oberlichtern ist an das Nachbargebäude, das ein Shed-Dach hat, angelehnt. Die 4-Dachform mit der Belichtung schafft in der Werkhalle einen interessanten Eindruck und vorallem in der ganzen Halle Tageslicht. Die Konstruktion hier ist ebenfalls stark von Stahlbeton geprägt. Die Decke ist aus Massivplatten auf Stahlbetonunterzügen und die Geschossdecke und das Stahldach liegen auf Stahlbetonstützen. Auf den Stahlbetonstützen sind Stahlbinder mit Kragarm für die Dachkonstruktion. Die Dachfläche der Werkhalle besteht aus Stahlbeton-Fertigteilen, hat das Rastermaß von 7,125m und ist 6,5 Meter hoch.

Materialien

Die Materialien sind typisch für diese Zeit. Hier wurden sie eben auch so eingesetzt, dass man den Zusammenhang dieses Gebäude zu den anderen Gebäuden auf dem Campus Stadtmitte erkennt, auch wenn es ein wenig abseits liegt. In der Fassade ist die Konstruktion sichtbar, und zwar innen wie außen, sie besteht aus Sichtbeton und einer Ausfachung mit Klinker. Insgesamt erinnert die Gestaltung, und gerade in Bezug auf die Materialien, stark an die Kollegiengebäude (-> Station B-C des historischen Campusführers).

Kunstwerk

Im teilweise zweigeschossigen Eingang zum Turmgebäude hängt eine Raumplastik aus Metall. Sie wurde von Hans Peter Fitz, der von 1929 bis 1969 gelebt hat. 1961 hat er diese Plastik, die scheinbar schwebt, extra für die Fertigungsinstitute gefertigt. Sie hat eine vielgestaltige Form und ist sehr fein gegliedert. Die Aufgabe war die künstlerische Gestaltung der Ballung von Energie in ihren Erzeugungsstellen und ihre Verteilung im Raum.

Überblick

Das Gebäude ist meiner Meinung nach eines mit besonderer Stellung und einem unverwechselbaren räumlichen Eindruck. Es wurde zeitgleich zum K1 (-> Station B) realisiert und spiegelt stark seine Zeit wieder: wenige, edle, unverhüllte und natürliche Materialien und eine sichtbare Konstruktion. Es besteht aus zwei plastisch sehr starken Körpern, die sich harmonisch ergänzen. Es ist ein stadtbildprägendes Gebäude mit einem ungewohnt industriellen Charakter in dieser städtischen Umgebung, fügt sich aber durch die optische Nähe zu den anderen universitären Gebäude auch ansonsten wirklich gut in das Stadtbild ein. 5

 

Quellen


Carl-Martin. Dolezalek: Technische Hochschule, Die Fertigungsinstitute, Festschrift Stuttgart, 1964.
Norbert. Becker & Franz Quarthal (Hrsg.): Die Universität Stuttgart nach 1945, Stuttgart: Thorbecke 2004.
Elisabeth Szymczyk: Die 3 Fertigungsinstitute in Stuttgart-Stadtmitte, in: Stuttgarter Uni-Kurier, Universität Stuttgart,, Nr. 80/98.",

Archiv des Stuttgarter Universitätsbauamtes

Alle Abbildungen stammen aus Dolezalek 1964.

Weblinks:

http://publica.fraunhofer.de/autoren/Dolezalek,%20C.M. http://www.gkm.uni-stuttgart.de/Transmitter_0803web.pdf http://www.iff.uni-stuttgart.de/forschung/fertigungstechnik/ http://www.uni-stuttgart.de/ifu/ http://www.ifw.uni-stuttgart.de/

Autorin dieses Beitrags: Sophie Wieland (Kunstgeschichte)