Campusführer Stuttgart-Mitte

 

Objekt L:

Ehem. Institut für Mikrosystemtechnik (Containerbau)

 

 

Ein Containerbau als Lösung
-Konzept, Planung und Realisierung-

Als 1945, nach Kriegsende, weit über die Hälfte aller Gebäude der damaligen Technischen Hochschule Stuttgart zerstört waren, kam es in den folgenden Jahren zum Wiederauf- und Neubau zahlreicher Bauwerke im Bereich des Stadtgartens in Stuttgart (vgl. dazu die beiden Einführungsbeiträge dieser Broschüre). Da sich die zunehmend vergrößernde Hochschule bzw. ab 1967 Universität aber aus Platznot im Stadtmittebereich nicht allzu weitläufig ausdehnen konnte, kam es schließlich in den sechziger Jahren zum Aufbruch in den Pfaffenwald in Vaihingen. Auf dem dort neuentstandenen zweiten Campusbereich fanden etliche, vornehmlich naturwissenschaftliche Fächer ein neues Zuhause.
Für die im Campusbereich Stadtmitte verbliebenen Institute war damit das Problem mit der Raum-und Platznot noch keinesfalls gelöst. Gegen Ende der achtziger Jahre zeigte sich dieses Problem besonders deutlich: Eine Ausweitung des Lehrangebots, die Erweiterung vieler Institute und steigende Studentenzahlen forderten weitere Räumlichkeiten im Bereich des Stadtgartens.
Bereits 1987 hatte die Leitung der Universität Stuttgart ein Gebäude in der Keplerstraße 10 aus Kostengründen verkauft und die dort angesiedelten Institute in anderen Objekten untergebracht. Als aber zu Beginn des Jahres 1988 der Mietvertrag mit der Universität für das sich in der Friedrichstraße 10 befindliche LBS-Hochhaus durch den Eigentümer (Landesbausparkasse) aus Gründen des Eigenbedarfs gekündigt wurde, spitzte sich die Situation der Raumnot im Bereich Stadtmitte dramatisch zu. Während sich für zwei der drei dort ansässigen Institute Ersatzräumlichkeiten finden ließen, stellte sich der Umstand der Kündigung für das dritte Institut als weit weniger einfach heraus.
In dem Hochhausgebäude der Friedrichstraße 10 befanden sich die drei Institute für Kunstgeschichte, Philosophie und Sozialforschung. Nach Ablauf der Kündigungsfrist zum 01. April 1990 sollten die Institute für Kunstgeschichte und Philosophie in den Gebäuden der Kronenstraße 34 (Kunstgeschichte) und der Dillmanstraße 15 (Philosophie) neue Institutsräume erhalten. Die zukünftige Unterbringung des Instituts für Sozialforschung, welches nach den ersten Planungen die oberen Stockwerke des Kollegiengebäudes II in der Keplerstraße 17 erhalten sollte (? Station B unseres Campusführers), zeigte sich indessen weit schwieriger. Die geplante Unterbringung in dem Kollegiengebäude II, war im Rahmen einer Rochade zwischen Berufsakademie und der Fachhochschule für Technik geplant gewesen. (Die Berufsakademie sollte das Gebäude in der Schlossstraße 26 verlassen, um somit Platz für die in den Stockwerken acht, neun und zehn des Kollegiengebäudes II angesiedelte Hochschule für Technik zu schaffen.) Als sich dieses Vorhaben aber aufgrund der knappen zeitlichen Bemessung nicht realisieren ließ, musste eine neue Lösung gefunden werden. Auch war es der Universitätsverwaltung nicht gelungen, ein anderes Mietobjekt zur Nutzung für das sozialwissenschaftliche Institut zu akquirieren. Da auch bis Mitte 1989 noch immer keine passende Lösung zur Unterbringung des Instituts für Sozialforschung gefunden war, fiel schließlich im August 1989 der Entschluss zum Bau eines Containers. Ein im Bereich des Stadtgartens aufzustellender Containerbau sollte zum einen den Verbleib des Instituts im Stadtmittebereich sicherstellen und zum anderen eine kurzfristige und provisorische Unterbringung des sozialwissenschaftlichen Instituts ohne Beeinträchtigung der Lehre gewährleisten.


Abb. 1. Stahlskelettkonstruktion


Abb. 2: Außenbeplackung

 

Das Provisorium
Geschichte des Containerbaus

Nach Untersuchung mehrerer möglicher Standorte im Bereich des Stadtgartens zeigte sich der Platz auf dem Parkplatzgelände, südlich des Kollegiengebäudes I, in der Breitscheidstraße am geeignetsten. Der zu errichtende Container ließ sich hier ohne weitere Fundamentarbeiten auf den bereits betonierten Boden mittels einer Trennpappe aufstellen. Auch der umliegende Baumbestand im Stadtgarten musste so nicht angetastet werden und für die betroffenen Parkplatzbenutzer, deren PKW-Stellplätze dem Bau zum Opfer fielen, sollten ersatzweise Parkmöglichkeiten in der benachbarten Hofdienergarage zur Verfügung gestellt werden.

Gebäudedaten

Bauherr
Land Baden-Württemberg vertreten, durch die Oberfinanzdirektion Stuttgart, diese vertreten durch das Universitätsbauamt Stuttgart und Hohenheim

Baufirma
mobil-bau GmbH
Kuntzestraße 72
73079 Süssen

Fläche
605m²

Aufstellung
März-April 1990

Baukosten
2.3 Mio. DM

Mit dem Containerbau wurden die nötigen Büro- und Seminarräume für das Institut für Sozialforschung geschaffen. Ein noch zusätzlicher Bedarf an Unterrichtsräumen wurde später durch intensive Kapazitätsausnutzung der oberen Geschosse des Kollegiengebäudes II, welche dem Institut durch die Fachhochschule für Technik zur Verfügung gestellt wurden, gedeckt. Ein endgültiger Umzug aus dem Provisorium in das Kollegiengebäude II war, nach dem Auszug der Fachhochschule für Technik, für das Jahr 91 geplant. Für die weitere Nutzung des Containers sah die Planung der Universität den vorübergehenden Einzug von Teilen der Universitätsverwaltung vor.
Nachdem der Entschluss zur Errichtung des Containergebäudes gefasst worden war, wurde der Bauauftrag mit großer Dringlichkeit gestellt. Dem Antrag wurde stattgegeben und eine befristete Nutzung auf fünf Jahre festgelegt. Am 30. November 1989 wurde die Firma mobil-bau mit Sitz in Süssen mit der Aufstellung des Containers beauftragt. Der große zeitliche Druck, der Umzugstermin rückte in greifbare Nähe, zwang die Verantwortlichen so schnell wie möglich mit der Aufstellung zu beginnen. Allerdings wurde ein erstes, durch die Firma mobil-bau unterbreitetes Angebot, durch die sozialwissenschaftliche Institutsleitung abgelehnt. Bemängelt wurde unter Anderem die Raumaufteilung, welche bei weitem nicht Platz für alle Institutsmitarbeiter ließ, sowie die schlechten akustischen Bedingungen. Unmittelbar nach Erhalt des ersten Bauentwurfs hatte das Institut für Sozialforschung, welches sich nur zähneknirschend auf den bevorstehenden Umzug in den Containerbau eingelassen hatte, eine überarbeitete Nutzungsanforderung an die Universitätsverwaltung geleitet. Der veränderten, individuelleren Bauplanung wurde zunächst keine Aufmerksamkeit geschenkt. Als schließlich die Bewilligung der bautechnischen Veränderungen erteilt, und an das Universitätsbauamt weitergeleitet worden waren, stellte sich von Seiten der Firma mobil-bau allerdings heraus, dass den Änderungswünschen nur mit einer zeitlichen Verschiebung und zusätzlicher Erhöhung der Baukosten nachgegangen werden könnte. Als die Planänderungen die Firma mobil-bau nämlich im Januar endlich erreichten, waren bereits viele der einzelnen Containereinheiten fertiggestellt.
Nachdem dem Institut für Sozialforschung die Mitteilung überbracht worden war, dass viele der geforderten Änderungswünsche nicht mehr umzusetzen waren, weigerte sich das Institut unter Leitung von Prof. Dr. Günter Endruweits im Januar 1990 in das geplante Containerprovisorium einzuziehen. Erst im Februar 90 konnte nach längeren Verhandlungen zwischen Rektoramt, Universitätsbauamt und Institutsleitung eine Einigung erzielt und der Bau des Containers begonnen werden. Die Einigung sah vor, einige der Änderungsforderungen nach Fertigstellung des Containers entsprechend der Wünsche des Instituts durchzuführen und einige zu verwerfen. Die dadurch entstehende Kostenerhöhung wurde bewilligt und der Umzug des sozialwissenschaftlichen Instituts in das Containerprovisorium schien nicht mehr gefährdet. Allerdings hatte sich durch die zähen Verhandlungen das Datum der Containerfertigstellung nach hinten verschoben und mit einem Einzug vor Mitte April war nicht mehr zu rechnen.
Geplant war die Fertigstellung am 12. April 1990. Pünktlich zu Semesteranfang sollten die Türen des Institutscontainers für die Studierenden geöffnet werden können. Als aber am Montag dem 23.April 1990, mit Beginn des Sommersemesters, die Bauarbeiten noch immer nicht abgeschlossen waren, weigerte sich der Institutsleiter Prof. Dr. Endruweit mit Unterstützung zahlreicher Mitarbeiter, die soziologischen Lehrveranstaltungen abzuhalten und ließ die Türen des Instituts verschlossen. Als Grund nannte er die unzumutbaren Zustände in dem noch längst nicht fertiggestellten Containerprovisorium. So waren Toilletten nicht benutzbar, die Böden teilweise noch nicht verlegt und eine Verkabelung mit dem Telefonnetz hatte noch immer nicht stattgefunden. Durch Nachlässigkeit der Universitätsverwaltung befanden sich auch die Bücher der Institutsbibliothek noch immer in den Umzugskartons. Die Lieferung der Regale für die Bibliothek war selbst zu Semesteranfang noch nicht geschehen. Die Rechtfertigung seines Handelns sah Günter Endruweit hauptsächlich in der Tatsache, dass das Studium ohne die entsprechenden Bücher der Bibliothek nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden könne. Ebenso war für ihn die Tatsache entscheidend, dass er schon im Vorfeld die Beschaffungsstelle der Universität darüber in Kenntnis gesetzt hatte, dass er den Lehrbetrieb absagen werde, sollten nicht zumindest die Bücher zu Semesteranfang für die Studenten zur Verfügung stehen.
Nach mehreren Protestaktionen durch die Studenten selbst, welche einen gänzlichen Semesterausfall befürchteten, ließ sich schnell Druck auf die Universitätsverwaltung ausüben. Durch zusätzliche Sonderschichten im Baubetrieb wurde der Container kurze Zeit später fertiggestellt und der Lehrbetrieb für das Sommersemester 1990 doch noch aufgenommen. Allerdings zeigte sich der Containerbau auch nach Fertigstellung für die Institutsmitarbeiter als eine weniger angenehme Unterbringungsalternative, da die Universität zum Beispiel vergessen hatte, entsprechende Putzkräfte für den Containerbau zu beordern.
Als das sozialwissenschaftliche Institut schließlich im Jahre 1992 in das Kollegien-gebäude II (? Station C) umzog, folgten dem Institut Teile des Dezernats für Technik und Bauten. Diese hatten ihr Gebäude in der Keplerstraße 7 aufgrund von Sanierungsmaßnahmen verlassen müssen.


Abb. 3: Eingangsbereich Breitscheidstraße 2c


Abb. 4: Blick über den Parkplatz

 

Der Containerbau Heute

Bis heute nutzten zahlreiche Institute der Universität das Containergebäude zur provisorischen Unterbringung ihrer Büro-und Seminareinrichtungen. Teile des Instituts für Mikrosystemtechnik befanden sich im Jahre 1997 in mehreren Räumen des Leichtbaus. Momentan sind einzelne Räume wieder durch Institutsbereiche der Sozialwissenschaft belegt. Die meisten Räumlichkeiten stehen allerdings leer.
Als 1995 die befristete Nutzungsgenehmigung ablief, wurde eine verlängerte Nutzung des Containers durch die Universität beantragt und bis heute um jeweils fünf Jahre verlängert. Im Jahr 2010 wurde einem weiteren Antrag auf Nutzungsverlängerung der Universität Stuttgart vom Universitätsbauamt allerdings nicht mehr stattgeben und der Container sollte endgültig abgerissen werden. Die Universität legte Widerspruch ein und bis heute ist der Ausgang noch unklar.


Abb. 5: Betonpfeiler


Abb. 6: Lageplan

 

Die Konstruktion

Der Containerbau ist nicht unterkellert und wurde mittels regelmäßig angeordneter Betonpfeiler auf dem schräg abfallenden Gelände aufgestellt. Die Betonpfeiler sind unabhängig vom Konstruktionsraster der einzelnen Containerelemente angebracht. Die Containerbauweise ist im Typ EXPO der Reihe ?System mobil-bau? der Firma mobil-bau ausgeführt und besteht aus insgesamt 56 Containereinheiten, welche auf zwei Stockwerke verteilt sind. Die Abmessung der einzelnen Containerbauteile beträgt 5,87m x 2,34m x 2,40m. Die Tragestruktur je Containereinheit ist ein räumliches Stahlrahmenskelett in geschweißter Bauweise. Die Außenwand-konstruktion zeigt sich durch ein horizontal gesicktes Gutagliss-PVC-Element mit Sinuswelle als Außenbeplackung und entsprechender Aufrippung. Die unterschiedlich großen Räume des flachen Containerbaus werden durch eine durchgehende Fensterfront beleuchtet.


Abb. 7: Grundriss EG

 

Quellen:

Archiv des Universitätsbauamts Stuttgart und Hohenheim, Pfaffenwaldring 32
Archiv des Dezernats für Technik und Bauten
Baurechtsamt
Firma mobil-bau GmbH
Archiv der Stuttgarter Nachrichten, Artikel vom 24.04.1990