Campusführer Stuttgart-Mitte

 

Objekt E:

Stadtpark mit Statuen

 

 

 

Geschichte der Skulpturen:

Bei den Marmorfiguren, die sich bis heute im Stadtgarten erhalten haben, handelt es sich um die Plastiken ‚Silen mit dem Bacchus’ und um ‚Fortuna’ mit antikem Gewand, Füllhorn, Ruder und Kugel. „Silen (ist) eine Darwin’sche Gestalt, eine die Naturkraft, den Urzustand repräsentierende überirdische riesige Gestalt: er hält den Bacchus, den Repräsentanten der Fülle der Natur, wie sie dem menschlichen Willen unterthänig gemacht und veredelt worden ist, in den Armen“.(6) Sie waren ein Geschenk von König Karl und wurden zur Gartenbauausstellung 1870 am Eingangsplatz des früheren Stadtgartens aufgestellt. Sie gehörten zusammen mit den ‚Vier Jahreszeiten’ zu den ersten Skulpturen im Stadtgarten.

Die Sandsteinfiguren stammen von der Fassade des ehemaligen Polytechnikums. Ursprünglich stellten dort zehn weibliche, antik gewandete Gestalten die damaligen Studienfächer dar: Bildhauerei, Chemie, Geognosie, Ingenieurwissenschaft, Astronomie, Malerei, Botanik, Physik, Maschinenbau und Architektur. Entworfen wurden die Figuren vom Professor für Freihandzeichnen an der Kunstgewerbeschule, Karl August Heinrich Kurtz. Professor Joseph von Kopp, Bildhauer Paul Müller, Scheck, Bach und Prof. König stellten sie in Darmstadt her. Im zweiten Weltkrieg wurde jedoch das Polytechnikum schwer beschädigt und vom Fassadenschmuck blieben nur einige Reste, die heute im Lapidarium stehen. Auch von den Allegorien sind nur noch diese drei erhalten geblieben: die Personifikation des Maschinenbaus mit einem Zahnrad, die Personifikation der Bildhauerei mit einem Hammer und eine Figur ohne Attribut, die vermutlich die Astronomie darstellt.

Anlässlich der Gartenschau 1961 wurde der Stadtgarten neu gestaltet und die Statuen wurden zusammen als Spalier entlang eines schmalen Weges aufgestellt. (3)

 

 

Der frühere Stadtgarten:

Unmittelbar vor der damaligen Stadtmauer ließen die Grafen von Württemberg im 14. und 15. Jahrhundert drei Seen anlegen. Der älteste umfasste den Bereich des jetzigen Berliner Platzes und wurde schon 1581 wieder trocken gelegt. Der Zweite, der Kleiner oder Oberer See genannt wurde, befand sich von 1393 bis 1737 etwa auf dem Gelände der heutigen Liederhalle. Der Große oder Untere See entstand 1440 und lag etwa zwischen Schloß-, Büchsen-, Holzgarten-, Kriegsberg- und Keplerstraße. Da man Abwasser in den See leitete, wurde er zu einem Herd für Krankheitserreger und musste 1737 ebenfalls trockengelegt werden. Auf dem Gelände, das nun Seewiesen genannt wurde, entstand der herzogliche Krautgarten.

In den sechziger Jahren des 18. Jahrhunderts wurde etwa im Bereich zwischen der heutigen Liederhalle und der Universitätsbibliothek eine Lindenallee angelegt, die durch eine Schenkung von Herzog Carl Eugen im Jahr 1787, noch um eine vierfache Allee von Kastanien, Linden und Pappeln auf den Bereich des heutigen Max-Kade-Wegs erweitert wurde.

Die Stadt wuchs jedoch immer weiter und so war 1860 nur noch der Alleenplatz frei von Gebäuden, denn dort hatten die Steinmetze ihre Hütten aufgestellt. Am 4. Februar 1870 ging er schließlich in den Besitz der Stadt Stuttgart über und durch den Gartenbaudirektor Adolf Wagner wurde bis zum Frühjahr 1871 ein Park angelegt. Die zunächst geplante Gartenbauausstellung fand jedoch wegen des Krieges mit Frankreich nicht im geplanten Umfang statt. Dennoch wurden von Baurat Alexander von Tritschler ein Pavillon und ein Gewächshaus errichtet. Das Gewächshaus war mit einer Länge von 220 Metern und einer Breite von 55 Metern größer als die Glashäuser der Wilhelma. Es wurde aber gleich im Anschluss an die Ausstellung wieder abgebaut. Um den Bestand des neuen Stadtgartens zu sichern, entstand im November 1871 eine Aktiengesellschaft, die Garantieaktien zu 50 Gulden ausgab. (1,2,3,4)

Aus einer Beschreibung des Stadtgartens, die 1871 in der Illustrierten Garten-Zeitung veröffentlicht wurde, ergibt sich folgendes Bild: „[…] Der lichte Raum des Platzes, von Wand zu Wand gemessen, beträgt 315,000 Quadratfuß, davon hält das Gitter des Stadtgartens etwas mehr als die Hälfte, nämlich 180,000 Quadratfuß umschlossen. […] Ein dem Umfassungsgitter entlang laufender breiter Spazierweg geht parallel mit den Fronten des Platzes. Am Eingang ist freier Raum angelegt; von hier verzweigen sich die Wege; hier steht der Besucher auf der Mittellinie der gesamten Anlage. An dem freien Platz sind, ein Geschenk Sr. Majestät des Königs, zwei Marmorstatuen aufgestellt; die Fortuna mit dem Füllhorn, dem Steuerruder und der Kugel (und) Silen mit dem jungen Bacchus […]. Die erste Hälfte des Stadtgartens ist als eine Anlage in natürlichem Style behandelt; vor den Gebüschen liegen einzelne Gruppen von Blumen, einzelne Coniferen zerstreut in den verschiedenen Feldern des Gartens, so dass der Rasen in seinem hellgrünen Grundton stets mächtig überwiegend hervortritt; die Wege sind zwanglos, der Blumen- und Pflanzenschmuck ist in malerischer Regellosigkeit ausgestreut. Die einzelnen Gruppen gewinnen an Bestimmtheit der Form, der übergang vom natürlichen zum architektonischen Styl macht sich um so bemerklicher, je näher man der Terrainsenkung kommt, in der das Bassin mit dem Springbrunnen angebracht ist. Zu diesem Bassin steigt der Besucher über vier Stufen hinab; an den Treppenwangen stehen vier Statuen, die Jahreszeiten vorstellend. Das Bassin wird von zwei Rondellen flankirt, deren Mittelpunkt grosse, von einem Blumenteppich umschlossene Vasen auf Postamenten bilden. Dem erhöhten Rande der Senkung entlang sind vierzehn Pflanzenvasen auf steinernen Postamenten aufgestellt; die Beete zwischen dem Bassin und den Rondellen sind von vorzüglich schön angelegten dichten Epheu-Rabatten umrahmt. Ist man über vier Stufen auf der Erhöhung vor dem Restaurationsgarten getreten, so steht der Besucher vor den Bildnissen Ihrer Majestät des Königs und der Königin, die sich um den Stadtgarten so grosse Verdienste erwarben, und zugleich im Blickpunkte der Anlage. Von diesem Standpunkte ist es möglich, die ganze Anlage zu überschauen. Von hier steigt man nieder zu dem Restaurationsgarten, der zwischen einer aus rothblühenden Kastanien- und aus Lindenbäumen gebildeten Allee errichtet worden. Am einen Ende der Allee ist der Musikpavillon errichtet, ihm gegenüber erhebt sich auf hoher Terrasse das Wirtschaftsgebäude, im Schweizerstyl ausgeführt. Dasselbe enthält einen geräumigen Saal und auf einer Altane finden sich, von den Bäumen halb verborgen, ein paar gar anmuthige heimelige Plätzchen. Den dunklen Hintergrund der ganzen Anlage bilden die riesigen Kastanienbäume der sog. Stadtallee. An passenden Stellen des Gartens angebracht, sehen wir Volièren und Pavillons, Statuen und Vasen, Blumentische und Blumenvasen, Ruhesitze u.s.w. Was aber auf den Besucher den besten Eindruck macht, das ist die gefällige Eleganz und Sauberkeit des Gartens, der von acht Gärtnern unterhalten wird; sie stehen unter der Leitung des Landschaftsgärtners Herrn Wagner, dessen bewundertes Werk die ganze Anlage ist. Heute sieht man dem Garten noch die Jugendlichkeit seiner Erscheinung an; nach einigen Jahren wird er seine volle männliche Schönheit entfalten.“ (6)

 

Das Gelände konnte 1881 um das Grundstück zwischen dem heutigen Max-Kade-Weg und der Kriegsbergstraße erweitert werden und machte die Gründung einer Betriebsgesellschaft nötig, die unter dem Vorsitz des Oberbürgermeisters Dr. Hack für 15 Jahre die Verantwortung übernehmen sollte. Mit der Vergrößerung wurden ein Palmenhaus und ein Restaurant errichtet, wo nun fast täglich Konzerte stattfanden.

Um den Park herum entstanden nun einige öffentliche Gebäude, wie das Polytechnikum (Josef von Egle, 1860–1864), die Baugewerkschule (Josef von Egle, 1867–1870), die Gewerbehalle (Adolf Wolff, 1881) und die Garnisonskirche (Karl Dollinger, 1879). Die Gewerbehalle brachte einige Ausstellungen in die Stadt, für die auch der Stadtgarten genutzt wurde. Darunter war 1908 auch die große Bauausstellung, bei der die Architekten der Stadt 20 Einzelhäuser aufstellen ließen. Bereits 1884 wurde der gesamte Park als einer der Ersten elektrisch beleuchtet.

Kaiser Wilhelm I. besuchte am 20. September 1885 den Stadtgarten und Kaiser Wilhelm II. kam am 28. September 1888, anlässlich seines Amtsantritts, um seine Huldigungen entgegen zu nehmen.

Der Stuttgarter Hotelier Hermann Marquardt vermachte bei seinem Tod 1913 der Stadtgartengesellschaft ein Vermögen von 100.000 Mark, das unter anderem für einen 1914 fertiggestellten Neubau des Restaurants Weinhaus am See durch die Architekten Schmohl und Staehelin verwendet wurde. Für diesen Bau wurden die Alleenstraße geschlossen und die beiden Teile des Parks miteinander verbunden.

Nach dem ersten Weltkrieg entstand eine überdachte Freilichtbühne mit 1500 Zuschauerplätzen, auf der unter Jungeblodt und später unter Jamnig Varietédarbietungen von internationalem Rang stattfanden. (1,2,3,4)

 

 

der heutige Stadtgarten:

Der Stadtgartenbetrieb wurde bis in den zweiten Weltkrieg hinein aufrechterhalten und musste schließlich wegen der Bombenangriffe eingestellt werden. Die Gebäude im und um den Park brannten 1944 aus und wurden in den Fünfzigern bis auf das jetzige Rektoramt und die Baugewerkschule (heutige Fachhochschule für Technik) abgerissen. (3)

 

Rolf Gutbier erstellte ein städtebauliches Gutachten, worin er einen Verzicht auf die noch vorhandenen historischen Strukturen des Stadtgartens empfahl. Für die Planungen und den Umgang mit historischen Vorgaben sowie dem Wiederaufbau verantwortlich war der Architekt und Professor für Städtebau an der Technischen Hochschule Stuttgart, Richard Döcker. Er plädierte für die Auflösung der gesamten historischen Stadtquartiere und Straßenzüge. Das vormals vorherrschende ‚adaptive Raumprinzip’ sollte nun zu einem ‚Raumkontinuum’ umgewandelt werden. So verband man den Stadtgarten mit dem Hoppenlaufriedhof durch eine Unterführung zu einer ‚fußläufigen’ ‚internen Erschließungszone’.

Nach 1956 wurden auf dem Gelände neue Hörsaalbauten, zahlreiche Institutsgebäude und zwei Kollegiengebäude der Universität Stuttgart (Keplerstraße 11 -17) errichtet. Die beiden je 55 Meter emporragenden Hochhausbauten von den Architekten Rolf Gutbier, Curt Siegel und Günter Wilhelm bilden von der Keplerstraße her das Eingangstor zum 1956 bis 1965 neuentstandenen Universitätsviertel. Ungefähr an der Stelle der ehemaligen Landesgewerbehalle steht heute die Universitätsbibliothek (Holzgartenstraße 16), erbaut zwischen 1958 und 1961 von den Architekten Hans Volkhart, Klaus-Jürgen Zabel und Ulrich Klaus. Außerdem wurde anstelle der Garnisonskirche das Studentenheim, Max-Kade-Hochhaus genannt, erbaut.

1961 wurde die bis dahin noch völlig erhaltene gärtnerische Grundstruktur im Stile der Gartenbaukunst der 60er Jahre überformt und um die seitlich angrenzenden Abschnitte der Kanzleistraße und der Seestraße bis hinüber zur Holzgartenstraße um 6000 Quadratmeter erweitert. Zuständig dafür war das Gartenbauamt mit dem Team um Kaufmann, Höfer und Hepperle. Die beiden Wege durch den Park wurden nach dem Ingenieur und Professor Max Kade (1882-1967) und dem Architekten und Rektor der Baugewerkschule Josef von Egle (1818-1899) benannt.

Zwischen 1972 und 1974 entstanden entlang der Kriegsbergstraße eine Tiefgarage, eine Tankstelle und Pavillons für ein Stadtgartenrestaurant. Für Freiluft-Vorlesungen wurde in der Nähe des Rektorats ein hölzernes Auditorium gebaut. Zum Gedächtnis an die erste von den Nazis am 20. Juni 1938 hingerichtete Widerstandskämpferin Lilo Hermann wurde neben dem Nord-Eingang des Rektorats eine schlichte, steinerne Mahntafel aufgestellt.

Das Wahrzeichen des heutigen Stadtgartens ist ein moderner Springbrunnen an der Stelle des ehemaligen „Weinhauses am See" der von dem Künstler Heinz Pistol gestaltet wurde. Im Stadtgarten verteilt befinden sich außerdem noch einige bemerkenswerte Kunstwerke bekannter Künstler, die zu verschiedenen Anlässen aufgestellt wurden: In unmittelbarer Nähe des Cafés findet man das Werk „waagrechte Linie mit drei Flächen"(1977) von Heinz-Günther Prager [in (5) „4/77 (Stuttgarter Grade)" genannt] I. Vor dem Süd-Portal des Rektorats steht die „Kubische Integration"(1956) von Hans Dieter Bohnet [in (5) „Kubus (Kubische Integration)"genannt] III. Ein paar Schritte weiter steht etwas abseits des Weges ein überdimensionaler Knoten, zu dem leider der Hinweis auf den Urheber fehlt IV. Wieder ein Stück weiter in Richtung der Fachhochschule für Technik wurden die „Zwölf Kanten"(1977) von Christoph Freimann aufgestellt V. Beinahe direkt vor der Fachhochschule für Technik befindet sich „Der Schritt ins Freie"(1985) von Christa Roesner - Drenhaus VI und vor der Universitätsbibliothek steht die „Aggression 1"(1962) von Hans Uhlmann VII.

Außer einigen Blumen- und Gartenschauen gastierten auch das Traumtheater Salome (1988), der Circus Roncalli (1993) und die Augsburger Puppenkiste (1999) auf dem Gelände. (1,2,3,4,5)

Obwohl der Stadtgarten mit dem Hoppenlaufriedhof und dem Berliner Platz eine beinahe zusammenhängende Grünfläche bildet, hat er doch seine ‚Insellage’ bewahrt. Denn durch die Gebäude der Universität und der Bank an der Schellingstraße wird er zur Stadtmitte und dem neuangelegten Friedrichsplatz hin abgeriegelt. Besucht wird er ohnehin fast nur von Studenten, da bis auf das Cafe und die Tankstelle alle Gebäude zur Universität gehören.

Für die Zukunft gilt es deshalb eine bessere Anbindung an die Umgebung und gleichzeitig auch eine bessere Gestaltung des Wegsystems im Stadtgarten zu finden. Dabei müsste das Institutsgebäude an der Breitscheidstraße mehr einbezogen werden und eventuell wäre auch eine Ausdehnung über den Hegelplatz bis hin zum Lindenmuseum möglich. Langfristig gesehen könnte so eine Raumabfolge vom Schlossplatz bis hinauf in den Stuttgarter Westen entstehen. (3,4)

 

 

Quellen:

•  (1) Harald Schukraft: Stuttgarter Straßengeschichte(n), Silberburg-Verlag

•  (2) Werner Skrentay, Rolf Schwenker, Sybille und Ulrich Weitz (Hrsg.): Stuttgart zu Fuß, VSA-Verlag

•  (3) Timo John: Der Stuttgarter Stadtgarten, Hohenheim Verlag GmbH

•  (4) Elisabeth Szymczyk-Eggert, Hans Luz, Karlheinz Rücker: Gärten und Parks in Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer GmbH & Co

•  (5) Bärbel Küster: Skulpturen des 20. Jahrhunderts in Stuttgart, Kehrer Verlag Heidelberg

•  (6) Illustrierte Garten-Zeitung, Bd. 14, Stuttgart, 1870, S. 65f