Rennender Gepard: Perfekt an den Sprint angepasste Tiere zeichnen sich durch eine schlanke Körperform, lange Beine sowie eine besonders bewegliche Wirbelsäule aus, um sehr hohe Geschwindigkeiten beim Laufen zu erreichen.

Warum Geparden schneller sind als Olympiasieger

23. Juli 2021, Nr. 61

Laufgeschwindigkeiten hängen von Größe und Konstruktion des Körpers ab – Veröffentlichung in Journal of Theoretical Biology
[Bild: Pixabay/Dr.Zoltan]

Eine interdisziplinäre Gruppe von Wissenschaftlern um Dr. Michael Günther und Prof. Syn Schmitt von der Universität Stuttgart sowie Forschenden der Universitäten in Koblenz, Köln und Tübingen hat auf Basis einer wissenschaftlichen Studie ein physikalisches Modell entwickelt, um zu erforschen, von welchen Eigenschaften die maximale Laufgeschwindigkeit bei Tieren abhängig ist. Es erklärt auch, warum selbst Sprinter bei den Olympischen Spielen mit schnellen Tieren nicht mithalten können.

Spitzensprinter wie jetzt bei den Olympischen Spielen können Laufgeschwindigkeiten von fast 45 Stundenkilometern erreichen. Im Vergleich zu vierbeinigen Säugetieren entspricht dies allerdings eben mal dem Tempo einer Hauskatze. Geparden dagegen können mit etwa 100 km/h Spitzengeschwindigkeit mehr als doppelt so schnell und Antilopen mit 90 km/h zweimal so schnell laufen. Selbst Warzenschweine und Hasen würden mit knapp 60 km/h jeden Goldmedaillen-Gewinner abhängen.

Das Team in der Gruppe von Prof. Syn Schmitt, Forscher im Exzellenzcluster Daten-integrierte Simulationswissenschaft der Universität Stuttgart, hat untersucht, von welchen physikalischen und biologischen Faktoren die Höchstgeschwindigkeit der Tiere abhängt. Die Ergebnisse der Forschung sind in der Fachzeitschrift Journal of Theoretical Biology veröffentlicht worden. „Dieser Artikel ist das Ergebnis einer jahrelangen Zusammenarbeit von Wissenschaftlern auf persönlicher Ebene, welcher auf interessierte Editoren und konstruktive Gutachter beim Journal of Theoretical Biology gestoßen ist.“, erklärt Michael Günther. „Inhaltlich konnten wir die Modelle und Methoden, die in der SimTech-Vision ‚Digital Human Model‘ erforscht wurden, verwenden und auf das Tierreich übertragen. Darüber hinaus ist mit der Erkenntnis eine Grundlage für verbesserte, intelligente robotische Laufapparate gelegt, die wir im Cyber Valley anstreben.“, fügt Syn Schmitt hinzu.

Sprintleistung von verschiedenen Faktoren abhängig

Kern der theoretischen Arbeit der Gruppe ist das physikalische Gleichgewicht von vorwärtstreibender Beinkraft und zu überwindendem Luftwiderstand sowie die Massenträgheit der antreibenden Muskulatur: Perfekt an den Sprint angepasste Tiere wie Geparden zeichnen sich durch eine schlanke Körperform, lange Beine sowie eine besonders bewegliche Wirbelsäule aus, um sehr hohe Geschwindigkeiten beim Laufen zu erreichen. Dabei zeigen sie eine Art Hauptweg für die Änderung der Bauform von Tierkörpern in Abhängigkeit von der Körpergröße, in Anpassung an schnelle beingetriebene Fortbewegung auf. “Dieser Hauptweg beschreibt, wie sich in Abhängigkeit von der Körpergröße die Gestalt eines Organismus ändern muss, um eine hohe Laufgeschwindigkeit zu erreichen und wie sich diese Gestaltänderung auf die erreichbare Höchstgeschwindigkeit auswirkt”, erläutert Dr. Tom Weihmann vom Zoologischen Institut der Universität zu Köln.

Ermüdung ist nicht das Problem

„Wir konnten widerlegen, dass eine Ermüdung der Muskulatur für die Limitierung der Geschwindigkeit bei großen Tieren verantwortlich ist. Dafür haben wir die Energiebereitstellung des Stoffwechsels nachgerechnet bzw. abgeschätzt. Dass große Tiere langsamer sind, liegt also nicht an fehlender Bereitstellung von Energie ihres Organismus, sondern an der Trägheit ihrer eigenen Masse,“ erläutert Dr. Robert Rockenfeller von der Universität in Koblenz. 

Die Höchstgeschwindigkeiten hängen aber nicht nur von der Größe, sondern auch von der Konstruktion der Tiere ab, wie zum Beispiel von der Anzahl der Beine und der Beweglichkeit der Wirbelsäule. So sind viele vierbeinige Säugetiere in der Lage, viel höhere Laufgeschwindigkeiten zu erreichen als zweibeinige wie Menschen und Vögel, weil sie galoppieren und dabei ihre Rumpfmuskulatur für den Vortrieb nutzen können. Werden die Tiere zu schwer, helfen allerdings auch kräftigere Muskeln nicht mehr weiter, da größere Muskeln mehr Zeit benötigen, um sich mit höchster Geschwindigkeit zusammen zu ziehen. Entsprechend liegt die Gewichtsgrenze, ab der die Sprintgeschwindigkeiten wieder abnehmen, bei etwa 50 Kilogramm, also dem mittleren Gewicht von Geparden und Gabelböcken, den schnellsten Sprintern auf unserem Planeten.

Gefördert wurde das Projekt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), das Exzellenzcluster Daten-integrierte Simulationswissenschaft der Universität Stuttgart und das baden-württembergische Wissenschaftsministerium (MWK).

Fachlicher Kontakt:

Prof. Dr. Syn Schmitt, Universität Stuttgart, Institut für Modellierung und Simulation Biomechanischer Systeme, Tel.: +49 (0)711/685 60484, E-Mail

Originalpublikation:

Michael Günther, Robert Rockenfeller, Tom Weihmann, Daniel F.B. Haeufle, Thomas Götz, Syn Schmitt: „Rules of nature's Formula Run: Muscle mechanics during late stance is the key to explaining maximum running speed“ https://doi.org/10.1016/j.jtbi.2021.110714 

Erklärvideo zum Modell: https://youtu.be/daH8orNPOXs

Medienkontakt

 

Hochschul­kommunikation

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

Zum Seitenanfang