Von Ciceros Beredsamkeit bis zur Nanotechnologie

22. Juni 2012, Nr. 41

Preisträger im Wettbewerb „Geist trifft Maschine“ stehen fest

„Geist trifft Maschine“ lautet der Titel eines Wettbewerbs, mit dem die Universität Stuttgart die Vernetzung der Ingenieur- und Naturwissenschaften mit den Geisteswissenschaften fördert. Beteiligen konnten sich Teams, die jeweils aus Ingenieur- oder Naturwissenschaftlern sowie Geisteswissen-schaftlern zusammengesetzt sein mussten. Eingereicht werden konnten sowohl Forschungs- als auch Lehrprojekte. Aus den insgesamt 23 Vorschlägen hat die Jury, bestehend aus Mitgliedern des Senatsauschuss Forschung und Technologie, jetzt acht Preisträgerteams ausgewählt. Sie erhalten je 6.250 Euro aus dem Forschungsfond der Universität Stuttgart.

 

Die Preisverleihung findet am 30. Juni 2012 im Rahmen des Tags der Wissenschaft der Universität Stuttgart statt (16.45 Uhr, Pfaffenwaldring 7, Raum 7.01). Die einzelnen Preisträger werden in den kommenden Wochen auf der Homepage der Universität Stuttgart (www.uni-stuttgart.de) vorgestellt. Interviews können über die Abteilung Hochschulkommunikation vermittelt werden.

Die Integration der Ingenieur-, Natur-, Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zu einem umfassenden Universitätsprofil war eine der zentralen Forderungen der „Stuttgarter Perspektiven“ und genießt im 10-Punkte-Programm des Rektors der Universität Stuttgart, Prof. Wolfram Ressel, für seine zweite Amtsperiode hohe Priorität. Neben strukturellen Maßnahmen sollten dabei im Rahmen eines Wettbewerbs neue Wege angestoßen werden, um diese Zusammenarbeit auf kreative Weise mit Leben zu erfüllen. „Ganz bewusst haben wir bei der Auswahl den Rahmen der konventionellen geisteswissenschaftlichen Technikforschung gesprengt und stattdessen innovativen Themenstellungen der Zusammenarbeit Raum gegeben“, so die Prorektorin Forschung und Technologie der Universität Stuttgart, Prof. Sabine Laschat. Entsprechend breit ist die Palette der Vorschläge. Sie reichen von einem eigens konzipierten Theaterstück, bei dem der Geist des Theaters auf die Maschine innovativer, medialer Bühneninstallationen trifft über geistes- und naturwissenschaftliche Aspekte der Energiewende und Akustikfragen in Museen oder bei antiken Reden bis hin zu ein Lehrprojekten zur gesellschaftlichen Einbindung der Nanotechnologien oder zur Kommunikation von technischen Großbauprojekten.

 

Kurzporträts der prämierten Projekte und Ansprechpartner:


Sprache und Denken - Über den Zusammenhang von Sprache und Denken aus Sicht der Philosophie und der Informatik
Wie bedingen sich Sprache und Denken gegenseitig? Dieser Frage widmen sich Jun.-Prof. Ulrike Pompe vom Institut für Philosophie und Torsten Görg vom Institut für Softwaretechnologie in einem gemeinsamen Seminar. Dabei sollen Philosophie- und Informatikstudenten in interdisziplinären Tandems Literatur zu Programmiersprachen und deren Fundierung in der theoretischen Informatik einerseits und relevante Beiträge aus der Philosophie des Geistes, der Sprachphilosophie und den Kognitionswissenschaften andererseits bearbeiten und Erkenntnisse und Ideen auf diesen Gebieten in Vorträgen präsentieren.

Jun.Prof. Ulrike Pompe, Institut für Philosophie, Tel. 0711/685-82347, e-mail: ulrike.pompe (at) philo.uni-stuttgart.de
Thorsten Görg, Institut für Softwaretechnologie, Tel. 0711/685-88317, e-mail: torsten.goerg (at) informatik.uni-stuttgart.de

Wie laut sprach Cicero?
Die Geschichte der antiken Beredsamkeit wird seit über 150 Jahren aus der Perspektive verschiedener Wissenschaften intensiv erforscht. Die Anforderungen für Stimme und Körper in der rednerischen Praxis, räumliche Gegebenheiten, die unterschiedlichen Redesituationen und baulichen Kontexte wurden dagegen bisher kaum einbezogen.
Diese Fragestellungen im Grenzgebiet zwischen Geschichts- und Altertums¬wissenschaft, Rhetorik-Geschichte und computergestützter Linguistik sowie zwischen Simulationswissenschaften und Akustik wollen die Wissenschaftler erschließen und greifen dabei auf Verfahren der akustischen Modellierung zurück. Eine zusätzliche Bewertungsmöglichkeit bietet die Auralisierung von Szenarien, das heißt die Darbietung hörbarer Signale, die man als Ergebnis der Modellierung erhält.

Prof. Peter Scholz, Historisches Institut, Tel. 0711/685-83439, e-mail:
Peter.Scholz (at) hi.uni-stuttgart.de
Prof. Philip Leistner, Lehrstuhl für Bauphysik, Tel. 0711/970-3346, e-mail: philip.leistner (at) lbp.uni-stuttgart.de


NanoInnovation
Gerade im Bereich der Nanotechnologien laufen Technologiedebatten immer frühzeitiger an und führen gegebenenfalls dazu, dass Forschungsziele und
-ergebnisse hinterfragt oder neu justiert werden. Im gemeinsamen Lehrprojekt „NanoInnovation“ diskutieren Lehrende, Studierende und internationale Experten, inwieweit Forschung und Innovationen rund um den Bereich Nanotechnologien gesellschaftlich eingebunden werden können. Das Lehrprojekt verbindet Lehrveranstaltungen aus den Fakultäten für Energie-, Verfahrens- und Biotechnik sowie für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Ziel ist es, die verantwortliche und nachhaltige Gestaltung von Forschungs- und Innovationsprozessen frühzeitig in den Lehrplan zu integrieren.

Dr. Antje Grobe, Abteilung für Technik- und Umweltsoziologie, Tel. 0711/685-83971, e-mail: antje.grobe (at) sowi.uni-stuttgart.de
Dr. Günter Tovar, Institut für Grenzflächenverfahrenstechnik, Tel. 0711/970-4109 Guenter.Tovar (at) igvt.uni-stuttgart.de


Didaktik und Akustik im Museum
Museen haben in den vergangenen Jahrzehnten eine bedeutsame Erweiterung ihres Aufgabenspektrums erfahren. Modern konzipierte Ausstellungen stellen diese Einrichtungen jedoch häufig vor die Herausforderung, Räumlichkeiten, die für gänzlich andere Zwecke geplant wurden und unter Denkmalschutz stehen, für die Vermittlung kulturell bedeutsamer Inhalte mit technischen und multimedialen Möglichkeiten auszustatten.
Dazu gehören auch Maßnahmen, die den Exponaten „eine Stimme“ geben: Instrumenten ihren Klang, Personen ihre Sprache, Zeremonien ihr akustisches Ambiente. Bislang stößt aber das Präsentieren authentischer Klänge in akustisch ungeeigneten Räumen an Grenzen. Zudem ist es für die Museumsbesucher ungewohnt und dem Aufsichtspersonal ist eine Dauerbeschallung so nicht zuzumuten. Neben diesen Fragestellungen an der Schnittstelle von Museumspädagogik und Museumsakustik untersuchen die Wissenschaftler, wie die Erklärung der Exponate mit Audioguides optimiert werden kann.

Prof. Philip Leistner, Lehrstuhl für Bauphysik, Tel. 0711/970-3346, e-mail: philip.leistner (at) lbp.uni-stuttgart.de
Prof. Martin Fromm, Institut für Erziehungswissenschaft und Psychologie,
Tel. 0711/685-87440, e-mail: martin.frommm (at) iep uni-stuttgart.de

 

Kommunikation (Geo-)technischer Sachverhalte in die Mitte der Gesellschaft
Bei großen öffentlichen Bauvorhaben hängt das Gelingen nicht nur von der technischen Abwicklung ab, sondern auch von der politischen und ethischen Legitimation des Projekts gegenüber Anwohnern und Steuerzahlern. Corinna Frank, eine Studentin der Technikpädagogik und Stephan Ries, Promotionsstudent des Bauingenieurwesens wollen ein Tool für ein besseres gegenseitiges Verständnis aller Beteiligten erarbeiten. Geplant ist eine internetbasierte Diskussionsplattform, auf der aktuelle bautechnische Großprojekte mit geotechnischem Schwerpunkt fachlich fundiert und verständlich präsentiert und zur Diskussion gestellt werden können. Später sollen in einem (öffentlichen) Workshop die Vorgänge im Boden veranschaulicht und eine Begegnungsplattform für geotechnisch interessierte Studenten und Mitarbeiter bereitgestellt werden.

Stephan Ries, Institut für Geotechnik, Tel. 0711/685-63777, e-mail: Stephan.Ries (at) igs.uni-stuttgart.de
Corinna Frank, e-mail: cora_frank (at) yahoo.de


Collective Intentionality in Multi-Agent-Systems

Agenten-Systeme bestehen aus mehreren autonomen, intelligenten Akteuren, die als Kollektiv ihr spezifisches Wissen, ihre Pläne und Ziele abstimmen, um ein Problem zu lösen oder gemeinsam zu handeln. Für die aktuelle Forschung sind sie zum Beispiel interessant, weil durch computerbasierte Agentensysteme soziale Prozesse und ihre Dynamik, etwa in der Produktionsplanung, bei Finanztransaktionen oder für Evakuierungspläne, simuliert werden können. Ein relativ neues Einsatzgebiet von Agenten-Systemen ist die Analyse sozialer Konflikte, wie beispielsweise der Krawalle in England im Sommer 2011. Während technische Agenten-Systeme in der Forschung von zentraler Bedeutung sind, wurden die philosophischen Grundlagen für das kollektive Handeln von künstlichen Agenten-Systemen bisher wenig reflektiert. Dies soll im Rahmen einer interdisziplinären Tagung mit hochkarätigen, national und international renommierten Referenten geschehen, die Keimzelle eines Projektnetzwerks zu „Repräsentation, Kommunikation und Wissen in komplexen Systemen“ sein soll.

Prof. Catrin Misselhorn, Institut für Philosophie, Tel. 0711/685-82491, e-mail: catrin.misselhorn (at) philo.uni-stuttgart.de
Prof. Frank Allgöwer, Institut für Systemtheorie und Regelungstechnik, Tel. 0711/685-67734, e-mail: allgower (at) ist.uni-stuttgart.de

Steinfuß-Theater trifft IGMA-Architketur
Das Steinfuß-Theater und das Institut für Grundlagen moderner Architektur und Entwerfen arbeiten an einem Lehrprojekt, in dem Studierende unterschiedlichster Fächer gemeinsam ein Theaterstück zur Aufführung bringen - Geist des Theaters trifft auf Maschine innovativer, medialer Bühneninstallationen. Der Clou daran: Über die Regiearbeit hinaus bringen die Architekten Know-how, das sich sonst auf dem Bau entfaltet, in die Theaterarchitektur und das Bühnendesign ein. So eröffnet die Arbeit am Bühnenbild neue experimentelle Möglichkeiten. Nicht nur Video und Audio sind Teil moderner Inszenierungen, sondern auch interaktive Installationen, selbstprogrammierte Applikationen und robotische Anwendungen.

Prof. Mona Mahall, Prof. Asli Serbest, Institut Grundlagen Moderner Architektur und Entwerfen, Tel. 0711/685-83314, e-mail: m.mahall (at) igma.uni-stuttgart.de
Markus Lion, Zentrum für Lehre und Weiterbildung, Studium Generale, Tel. 0711/685-83583, e-mail: studium.generale (at) zlw.uni-stuttgart.de


Two for Energy -
Geistes- und naturwissenschaftliche Perspektiven der Energiewende

Der kurzfristige Ersatz der Kernkraft durch erneuerbare Energien mit stark schwankenden Einspeiseleistungen birgt nicht nur technische Herausforderungen, sondern erfordert auch innovative Ansätze der Planung, Steuerung, Umsetzung, Kommunikation und Partizipation. Dies kann nur gelingen, wenn geistes- bzw. sozial¬wissenschaftliche und naturwissenschaftliche Aspekte und Perspektiven gleichermaßen bedacht werden. Im Rahmen eines Seminars für Studierende aller Fachrichtungen sollen am Beispiel der Herausforderungen einer umwelt- und gesellschaftsverträglichen Transformation des Energiesystems die Möglichkeiten und Grenzen interdisziplinärer Zusammenarbeit kritisch beleuchtet werden. Ziel ist die gemeinsame Erarbeitung eines Leitfadens für eine kooperative und erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit.

Dr. Marlen Schulz, Interdisziplinärer Forschungsschwerpunkt Risiko und Nach¬haltige Technikentwicklung ZIRN, Tel. 0711/685-84296, e-mail: marlen.schulz (at) sowi.uni-stuttgart.de
Daniel Zech, Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung,
Tel. 0711/685-87863, e-mail: Daniel.Zech (at) ier.uni-stuttgart.de


 

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