SOFIA, das Stratosphären-Observatorium für Infrarotastronomie, hat die erste Serie von Wissenschaftsflügen mit dem „German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies“ (GREAT) abgeschlossen. Die Ergebnisse werden nun in einer speziellen Ausgabe der europäischen Astronomie-Zeitschrift “Astronomy & Astrophysics” (Volume 542, vom 10. Mai) veröffentlicht. Die Vielseitigkeit dieses neuen Forschungsinstruments zeigt sich in Berichten über die Erstentdeckung von zwei neuen Molekülen im Weltraum und Untersuchungen zu unterschiedlichen Phasen der Sternentstehung. Das Deutsche SOFIA Institut (DSI) der Universität Stuttgart koordiniert die wissenschaftlichen Beobachtungen und den Betrieb von SOFIA für die deutschen Partner.
Die erste Serie wissenschaftlicher Beobachtungsflüge mit dem GREAT an Bord von SOFIA, der weltweit einzigen Flugzeug-Sternwarte im Einsatz, wurde im November 2011 erfolgreich abgeschlossen. Knapp ein halbes Jahr später werden nun die Ergebnisse in der renommierten europäischen Wissenschaftszeitschrift „Astronomy & Astrophysics“ veröffentlicht. Eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern berichtet in insgesamt 22 Einzelbeiträgen über die einzigartigen wissenschaftlichen Ergebnisse sowie über die dem Experiment zugrunde liegenden Technologien von GREAT.
SOFIA, ein Gemeinschaftsprojekt der amerikanischen Raumfahrtorganisation NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), betreibt ein Teleskop von 2,70 m Durchmesser in einer umgebauten Boeing 747SP. SOFIA fliegt in Höhen bis zu 13700 m und ermöglicht damit den Zugang zu astronomischen Signalen bei ferninfraroten Wellenlängen, die ansonsten vom Wasserdampf in der Erdatmosphäre absorbiert würden. SOFIA öffnet so den Himmel für hochauflösende Spektroskopie im fern-infraroten Spektralbereich mit dem GREAT-Empfänger.
Viele der hier präsentierten Veröffentlichungen erforschen den Sternentstehungsprozess in seinen allerfrühesten Phasen, in denen sich die molekulare Wolke zunächst verdichtet und die Materie zu dem embryonale Stern kondensiert, der aber noch in heftiger Wechselwirkung mit den umgebenden Molekülwolken steht. Dabei zerstört er seine Geburtswolke, heizt das umgebende Material auf und ionisiert es. Die hohe spektrale Auflösung von GREAT ermöglicht es, durch die Untersuchung der Emission des ionisierten Kohlenstoffs in einer Reihe von Sternentstehungsgebieten das Geschwindigkeitsfeld des Gases in der umgebenden Molekülwolke aufzulösen. In den Hüllen von drei Protosternen gelang GREAT der direkte Nachweis des Kollaps der protostellaren Hüllen, was unmittelbar Rückschlüsse auf die dynamischen Prozesse bei der Entstehung eines Sterns erlaubt.
Zwei neue Moleküle wurden erstmalig im Weltraum nachgewiesen: OD, eine isotopische Variante von
Hydroxyl (OH), bei der das Wasserstoffatom durch sein schwereres Isotop Deuterium ersetzt wurde,
sowie das Sulfanyl-Radikal SH. Eine technologische Meisterleistung stellen erste spektroskopische
Beobachtungen bei einer Frequenz von 2,5 Terahertz (0.120 mm Wellenlänge) dar; damit wird
astrochemisches Neuland erkundet. Weiterhin wurde die Hülle eines Sterns in der Spätphase seiner
Entwicklung untersucht, die durch den heißen Stern im Inneren aufgeheizt und ionisiert wird, sowie
die heftige (Schock-)Wechselwirkung eines Supernova-Überrests mit dem umgebenden interstellaren
Medium. Außerdem wurde die Heizung der zirkumnuklearen Gasscheibe im Zentrum der Milchstraße
erforscht, die letztendlich das massereiche Schwarze Loch mit Materie anfüttert, sowie die
Sternentstehung im Zentralbereich der nahen Galaxie IC342.
“Die reiche Ernte von wissenschaftlichen Ergebnissen, die bereits aus der allerersten
Beobachtungs¬kampagne mit SOFIA und dem GREAT-Empfänger gewonnen wurden, demonstriert das gewaltige
wissenschaftliche Potential, das in diesem Flugzeug-Observatorium steckt und verspricht für die
kommenden Jahre einmalige astronomische Beobachtungen – besonders auf dem Gebiet der
Sternentstehung und Astrochemie“, so der stellvertretende Direktor des wissenschaftlichen
Betriebszentrums, Hans Zinnecker, vom DSI. Parallel mit Rolf Güsten vom Bonner Max-Planck-Institut
für Radioastronomie, dem leitenden Wissenschaftler des GREAT-Projekts, organisierte Zinnecker die
Auswahl der wissenschaftlichen Beobachtungen und wählte letztlich einige der aufregendsten Projekte
der deutschen Antragsteller aus.
“Die hohe Auflösung des GREAT-Spektrometers ist speziell dafür ausgelegt, die Physik und
Chemie des interstellaren Gases und den Lebenszyklus der Sterne zu erforschen, von ihrer frühen
embryonalen Phase noch innerhalb der Geburtswolke bis hin zum Tod des entwickelten Sterns, bei dem
die Hülle wieder zurück in den umgebenden Raum geschleudert wird“, sagt Rolf Güsten. „Diese
phantastischen Ergebnisse bereits aus den ersten Wissenschaftsflügen sind der Lohn für unsere
langjährige Entwicklungsarbeit und unterstreichen das wissenschaftliche Potential der
Ferninfrarot-Spektroskopie mit einem Flugzeug-Observatorium.“
Veröffentlichungen auf der Grundlage von ersten Wissenschaftsflügen mit der amerikanischen
IR-Kamera FORCAST an Bord von SOFIA wurden kürzlich in der US-amerikanischen
Wissenschaftszeitschrift „Astrophysical Journal Letters“ (Band 749) veröffentlicht und in einer
separaten Pressemeldung vorgestellt.
Bildrechte: SOFIA (NASA), GREAT (R. Güsten)
GREAT, der "German Receiver for Astronomy at Terahertz Frequencies", ist ein Empfänger für
spektroskopische Ferninfrarot-Beobachtungen in einem Frequenzbereich von 1,25 bis 5 Terahertz
(60-240 µm Wellenlänge), der von bodengebundenen Observatorien aus wegen der mangelnden
atmosphärischen Transparenz nicht mehr zugänglich ist. Dieser Empfänger kommt als Instrument der
ersten Generation am Flugzeug-Observatorium SOFIA zum Einsatz. GREAT wurde durch ein Konsortium
deutscher Forschungsinstitute (MPIfR Bonn und KOSMA/Universität zu Köln, in Zusammenarbeit mit dem
MPI für Sonnensystemforschung und dem DLR-Institut für Planetenforschung) entwickelt und gebaut.
Projektleiter für GREAT ist Dr. Rolf Güsten (MPIfR). Die Entwicklung des Instruments ist finanziert
mit Mitteln der beteiligten Institute, der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutschen
Forschungsgemeinschaft.
SOFIA, das "Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie" ist ein Gemeinschaftsprojekt
des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) und der National Aeronautics and Space
Administration (NASA). Es wird auf Veranlassung des DLR mit Mitteln des Bundes (Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie), des Landes Baden-Württemberg und der Universität Stuttgart
durchgeführt. Der wissenschaftliche Betrieb wird auf deutscher Seite vom Deutschen SOFIA-Institut
(DSI) der Universität Stuttgart koordiniert, auf amerikanischer Seite von der Universities Space
Research Association (USRA).
Originalveröffentlichungen:
http://www.aanda.org/index.php?option=com_toc&url=/articles/aa/abs/2012/06/contents/contents.html
http://www.mpifr.de/div/submmtech/heterodyne/great/GREAT_science.html
Parallele Pressemitteilungen:
A & A press release
http://www.aanda.org/index.php?option=com_content&task=view&id=823&Itemid=277
MPI für Radioastronomie
www.mpifr-bonn.mpg.de/public/pr/pr-great-may2012-en.html
DLR
http://www.dlr.de/dlr/en/desktopdefault.aspx/tabid-10081/151_read-3535/
Universität zu Köln
http://www.portal.uni-koeln.de/nachricht+M50a30d44785.html
NASA's SOFIA featured in the Astrophysical Journal Special Edition, http://www.nasa.gov/mission_pages/SOFIA/12-122HQ.html
Zusätzliche Informationen:
Deutsches SOFIA-Institut (DSI)
Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR).
Astronomy & Astrophysics (A&A)
GREAT und Submillimeter Technology Group (MPIfR).
KOSMA, I. Physikalisches Institut der Universität zu Köln.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
NASA/SOFIA und SOFIA Science Center.
Kontaktinformationen:
Deutsches SOFIA-Institut:
Hans Zinnecker
Stellvertretender Direktor von SOFIAs wissenschaftlichem Betriebszentrum
Tel.:
E-mail:
hzinnecker@sofia.usra.edu
Dörte Mehlert,
Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit,
Tel.: +49(0)711-6856-9632
E-mail:
mehlert@dsi.uni-stuttgart.de
Max-Planck-Institut für Radioastronomie
Rolf Güsten,
GREAT Principal Investigator,
Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn.
Tel: +49(0)228-525-383
E-mail:
rguesten@mpifr-bonn.mpg.de
Norbert Junkes,
Öffentlichkeitsarbeit
Tel: +49(0)228-525-399
E-mail:
njunkes@mpifr-bonn.mpg.de
I. Physikalisches Institut, Universität zu Köln:
Susanne Herbst,
Wissenschaftliche Koordinatorin
Tel.: +49(0)221-470-7028
E-mail:
herbst@ph1.uni-koeln.de
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.:
Henning Krause,
Öffentlichkeitsarbeit
tel.: +49(0)2203-601-2502
E-mail:
henning.krause@dlr.de
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung:
Birgit Krummheuer,
Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49(0)5556-979-462 (mobil: 0173 3958625)
E-mail:
krummheuer@ mps.mpg.de