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EDV und Historische Geographie  > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
Moderne Mittel für die alte Welt

„EDV und Historische Geographie“, dieses Duo stand im Mittelpunkt des „Kleinen Kolloquiums“ zur Historischen Geographie der alten Welt, zu dem vom 15. bis 17. Dezember die Ernst-Kirsten-Gesellschaft in Zusammenarbeit mit der Abteilung Alte Geschichte des Historischen Instituts der Uni Stuttgart in den Treffpunkt Rotebühlplatz nach Stuttgart geladen hatte. Thematisiert wurden die Anwendungsmöglichkeiten neuester Entwicklungen der EDV für die Historische Geographie – schwerpunktmäßig die Vermittlung historisch-geographischer Sachverhalte und die Analyse historischer Landschaften. Wenn es darum geht, antike Umwelten mit ihren sozialen, wirtschaftlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten oder auch religiöse Landschaften anhand der Berichte damaliger Historiker und Geographen zu rekonstruieren, kann EDV sehr hilfreich sein. Wertvolle Dienste leistet sie zudem bei der zeitlichen und räumlichen Einordnung beschriebener Objekte oder bei der Umarbeitung antiker auf heutige Karten.

Seit 1981 veranstaltet das Historische Institut alle drei Jahre die Stuttgarter Kolloquien zur Historischen Geographie des Altertums, die sich in einem breiten interdisziplinären Rahmen eines Dachthemas annehmen und Wissenschaftler aus dem In- und Ausland ansprechen. „Im gleichen Rhythmus, zeitlich aber um eineinhalb Jahre versetzt, findet immer das ‚Kleine Kolloquium statt, das gezielt Methoden und Anwendungen der Historischen Geographie vorstellt und neue Entwicklungen präsentiert“, erklärte Prof. Eckart Olshausen, der Leiter der Abteilung Alte Geschichte, zu Beginn der dreitägigen Veranstaltung.

 
 

Analyse

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

Aus räumlichen und statistischen computerbasierten Analysen lassen sich Schlüsse über die Bedeutung natur- und kulturräumlicher Grenzen für die Verbreitung der römischen Provinzialreligion im heutigen Wür-ttemberg ziehen.                    (Grafik: Leif Scheuermann)

 

 

Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

Von Geoinformationssystemen und Google Maps

„Die historische Geographie profitiert nicht nur von der Aneignung bestehender Technologien“, betonte Richard G. Healey, „sie leistet selbst einen aktiven Beitrag zu neuen Ansätzen von Analysen großer Datensammlungen aus den Sozialwissenschaften.“ Anhand historisch geographischer Forschungen über den Nordosten der Vereinigten Staaten im 19. Jahrhundert stellte der Professor von der University of Portsmouth unter anderem eine Datenbank über den Steinkohlebergbau im östlichen Pennsylvania vor und berichtete, wie in der historischen Geographie zunehmend computergestützte Geoinformationssysteme (GIS) genutzt werden, um konventionelle Ansichten in Frage zu stellen und ein besseres Verständnis historischer Landschaften zu erhalten. Leif Scheuermann von der Uni Stuttgart gab auf der Grundlage seiner Dissertation Einblick in die Arbeit mit Datenbanken, der Datenmodellierung, -prüfung und -ergänzung. Der Doktorand am Historischen Institut beschäftigt sich mit räumlichen und statistischen computerbasierten Analysen zur antiken Religion im Mittleren Neckarraum und baut eine Geodatenbank mit Inschriften und Kultplätzen auf. Andreas Piater vom Institut für Kernenergetik und Energiesysteme der Uni berichtete über „Google Maps – Mehrwert bei Online Kartendarstellungen“. Das „Great Britain Historical GIS“ wurde von Dr. Ian Gregory von der Lancaster University als „ein gut entwickeltes nationales Geoinformationssystem vorgestellt, das neueste räumliche und zeitliche Technologien nutzt“. Als Beispiel hatte Gregory die Entwicklung der Kindersterblichkeit in den letzten 150 Jahren innerhalb von England und Wales herausgegriffen.

Geschichte: visualisert und 3D-animiert

Auf mögliche Einsatzszenarien des neuen Lehr-Lern-Mediums „dynamische Karten“ in der universitären Lehre ging Jan Linke von der Fernuni Hagen in seinem Vortrag ein. Kurt Schaller und Dr. Christian Uhlir von der Universität Salzburg berichteten über „Räumliche Beziehungen als Mittel zur Integration heterogener Daten aus altertumskundlichen und naturwissenschaftlichen Fächern.“ Prof. Christoph Schäfer von der Uni Hamburg nahm sich der neuen Medien bei der Vermittlung historisch-geographischer Fragestellungen besonders im Hinblick auf deren Visualisierung und 3D-Animation an: „Als Wissenschafter sollten wir die Umsetzung keinesfalls nur den Medienspezialisten überlassen.“ Das von Kerstin Droß von der Phillips Universität Marburg vorgestellte Projekt „Hassia Exploranda“ wendet sich vor allem an Lehrer und Schüler und nutzt die vielfältigen Möglichkeiten von GIS zur Visualisierung der Spuren der Römischen Vergangenheit Hessens.

Ernst-Kirsten-Gesellschaft
Die Ernst-Kirsten-Gesellschaft mit ihren derzeit rund 170 Mitgliedern aus Wissenschaft und Forschung wurde 1989 in Stuttgart gegründet. Zum Ziel hat sie, ihre Mitglieder sowie die wissenschaftliche Öffentlichkeit über Fortschritte der Historischen Geographie der Alten Welt zu informieren; diese Disziplin wird in Deutschland durch keinen Universitätslehrstuhl vertreten.
  Der Politologe, Archäologe und Geschichtswissenschaftler Ernst Kirsten (1911–1987) gilt als prominenter Vertreter der modernen Historischen Geographie. In seinen umfangreichen Forschungen hat der Gründer der Reihe Geographica Historica und Mitinitiator der Stuttgarter Kolloquien zur Historischen Geographie der Alten Welt mit Nachdruck die weit gespannte Interdisziplinarität der Historischen Geographie betont.

Archäologische Siedlungen im Blick

 

Site Catchment Analysis

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

Mit der Site Catchment Analysis können Nutzungen historischer Siedlungen oder archäologischer Funds-tellen untersucht werden.            (Grafik: Rainer Schreg)

Anhand aktueller Anwendungen der Site Catchment Analysis, einem etablierten Verfahren, um die Nutzungsmöglichkeiten im Einzugsbereich einer Siedlung oder einer archäologischen Fundstelle zu erheben, griff Dr. Rainer Schreg vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz exemplarisch Probleme und Möglichkeiten von EDV-Anwendungen in der Archäologie auf. „Der Gefahr eines formalisierten Vorgehens steht die Chance einer interdisziplinären Öffnung gegenüber“, betonte Schreg. Am Beispiel der „Aufstände des Gemeinen Mannes 1525 in Württemberg“ gingen Wolfgang Dietz von der Uni Stuttgart und Dr. Björn Gottfried vom TZI Technologie-Zentrum Informatik der Universität Bremen darauf ein, wie eine Datenmodellierung auch bei räumlich und zeitlich unpräzisen oder unvollständigen Daten erfolgen kann. - Für die technische Unterstützung des Kolloquiums hatten Mitarbeiter des Instituts für Kernenergetik und Energiesysteme gesorgt.

Julia Alber

 

 

 

KONTAKT

 
                                                                      
Prof. Eckart Olshausen
Abteilung Alte Geschichte
Tel. 0711/685-83439
Fax 0711/685-83584
e-mail: eckart.olshausen@po.hi.uni-stuttgart.de
 

 

 

 

 
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Pressestelle der Universität Stuttgart