Unikurier Inhaltsverzeichnis Suchen Uni Home
EU-Projekt CO2Sink: Numerische Simulation der Kohlendioxidspeicherung > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
Treibhausgase in der Bodenfalle

Dass man Kohlendioxid im Kampf gegen die Klimaerwärmung einfach in der Erde speichern könnte, ist eine ebenso faszinierende wie umstrittene Idee. Um ihre Risiken und Nebenwirkungen zu untersuchen, leitet das Konsortium „CO2Sink“ unter Federführung des Geoforschungszentrums Potsdam im brandenburgischen Ketzin derzeit 60.000 Tonnen CO2 in den salinen (salzwasser-führenden) Untergrund. Die numerischen Simulationen für das EU-Projekt erstellt das Institut für Wasserbau der Uni Stuttgart zusammen mit dänischen Wissenschaftlern.

Kohlendioxid, das bei der Verbrennung fossiler Rohstoffe freigesetzt wird, stammt letztendlich aus dem Boden. Das gefährliche Treibhausgas dort auch wieder hinzupumpen und dauerhaft zu lagern, scheint deshalb naheliegend. Doch ganz so einfach ist eine solche „on-shore“-Speicherung nicht. So herrschen erst in einer Tiefe von 600 bis 800 Metern die Druck- und Temperaturbedingungen, bei denen das üblicherweise gasförmige CO2 in einer Dichte von 300 Kilogramm pro Kubikmeter vorliegt. Dieser so genannte „überkritische Zustand“ erlaubt es, dass der vorgefundene Porenraum effektiv zur Speicherung genutzt wird. Andererseits sind die Auftriebskräfte vermindert, die dazu führen würden, dass der Klimakiller peu à peu wieder aufsteigt.

Geologische Schicht an einem Injektionsbrunnen

 

Geologische Schicht an einem Injektionsbrunnen. Links: Durchlässigkeitsverteilung eines heterogenen Untergrunds, wobei gut durchlässige Bereiche rot dargestellt sind. Mitte und rechts: Sättigungsverteilung nach zwei beziehungsweise fünf Jahren.                                     (Grafik: CO2Sink)

  Es gibt einige Prozesse, die dieses Aufsteigen verzögern oder verhindern können. So kann man das aufsteigende Kohlendioxid an einer geringdurchlässigen, geologischen Barriere, dem so genannten „Cap-Rock“ aufhalten. Man spricht hier von einer „hydrodynamischen Falle“. Bei der „residuellen Falle“ dagegen wird das CO2 in den Porenzwischenräumen durch Oberflächenspannungseffekte zurückgehalten. Die Lösung des Fluids in der in dieser Tiefe meist vorgefundenen Salzlake stellt eine weitere Möglichkeit der Speicherung dar (‚Löslichkeitsfalle’). Die geo-chemische Reaktion des CO2 mit dem Gestein selbst und der einhergehenden Bildung von Mineralen schließlich wird als ‚chemische Falle’ bezeichnet. Die Prozesse laufen auf verschiedenen Zeitskalen ab und sind in der Summe ausschlaggebend für die Speicherkapazität und die langfristige Speichersicherheit einer Formation – eine komplexe Gemengelage, deren Ausgang über die Jahrtausende hinweg zudem durch geologische Verschiebungen und andere Störungen beeinflusst werden könnte. Auch die Berechnung der zur Verfügung stehenden weltweiten Kapazität sowie die Suche nach potentiellen Speicherstätten sind noch ein Fundus für zahlreiche Forschungsthemen.

  Da Experimente aufgrund der hohen Drücke und Temperaturen schwierig zu realisieren sind und großtechnische Versuche in realen geologischen Formationen oft schon an den politischen Rahmenbedingungen scheitern, ist die numerische Simulation ein unverzichtbarer Baustein für ein umfassendes Prozessverständnis der CO2-Speicherung. Konzeptionell stellt sie einen Mehrphasenprozess im porösen Medium dar. Dieses Konzept wird am Lehrstuhl für Hydromechanik und Hydrosystemmodellierung des Instituts für Wasserbau bereits bei anderen umweltrelevanten Fragestellungen verfolgt. Man kann dabei grundsätzlich zwischen Mehrphasenmodellen ohne Phasenübergänge und Mehrphasen-Mehrkomponenten-Modellen, die den Übergang von Komponenten (CO2 und Wasser) in andere Phasen beschreiben, unterscheiden. Ein solches Mehrphasen-Mehrkomponenten-Modell wird am Lehrstuhl seit vielen Jahren entwickelt.

  Auf der Basis dieser Expertise begleiten die Stuttgarter Wissenschaftler das „CO2Sink“-Projekt mit umfassenden numerischen Simulationen zur CO2 Ausbreitung im Untergrund und erstellen so genannte ,what-if’-Szenarien. Diese Simulationen helfen beispielsweise, die Beobachtungsstellen festzulegen, die Injektionsbrunnen optimal zu gestalten oder Hinweise auf die Steuerung der oberirdischen verfahrenstechnischen Anlagen zu geben. Nach einer umfassenden Eichung des Models sind Aussagen über Langzeiteffekte möglich. Dann, so die Hoffnung der Wissenschaftler, wird man wissen, wo das injizierte CO2 verbleibt, wie sich die Prozesse am besten beeinflussen lassen und wie die Gefahr eines Lecks minimiert werden kann.

amg

 

 

KONTAKT

 
                                                                      
Prof. Rainer Helmig
Institut für Wasserbau
Lehrstuhl für Hydromechanik und Hydrosystemmodellierung
Tel. 0711/685-64749
Fax 0711/685-67020
> > > www.co2sink.org
 

 

 

 
last change: 30.06.07 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart