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Zweite Runde der Exzellenzinitiative > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
Drei Anträge auf der Zielgeraden

Die Vollanträge dreier Projekte der Universität Stuttgart, die bei der zweiten Runde der Exzelllenzinitiative des Bundes und der Länder zum Ausbau der Spitzenforschung die erste Hürde genommen haben, liegen seit 13. April der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in Bonn vor: ein Forschungsverbund zur Simulationstechnik (SimTech) sowie zwei Graduiertenschulen zur Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, die sich zum einen intelligenten Produktions- und Fertigungstechniken (Advanced Manufacturing Engineering) widmen, zum anderen der Festkörperforschung (Advanced Solid State Science). Mitte Oktober 2007 werden die DFG und der Wissenschaftsrat über die Bewilligung entscheiden.

Es geht um beachtliche Summen. Für den Forschungsverbund sind in den nächsten fünf Jahren jährlich rund 6,5 Millionen, für die Graduiertenschulen jeweils rund eine Million Euro zu erwarten. Nach der ersten, für die Uni Stuttgart unglücklich verlaufenen Runde der Exzellenzinitiative habe man umso mehr Energie in die zweite Runde gesteckt und sei dieses Mal besser vorbereitet, betonte Uni-Rektor Prof. Wolfram Ressel bei einem Pressegespräch am 4. April. Bei den Forschungsvorhaben setze man nun verstärkt auf eine auch fakultätsübergreifende Vernetzung der Fachbereiche – dies markiere zugleich das neue Forschungsprofil, die strategische Neuausrichtung der Universität Stuttgart. Werden die drei Anträge bewilligt, worauf alle Beteiligten hoffen, wird die Uni diese aus Haushaltsmitteln jeweils mit zusätzlich 20 Prozent der ausgeschriebenen Fördersumme unterstützen, im Falle einer Nichtbewilligung mit zehn Prozent.

Die Ausbreitung eines Schadstoffs

 

Die Ausbreitung eines Schadstoffs in einem heterogenen Grundwasserleiter ist wichtig für die Beurteilung der Trinkwasserqualität oder der Sicherheit nach einem Störfall. Mithilfe von SimTech lässt sich eine solche Situation und die notwendigen Gegenmaß-nahmen mit allen Eventualitäten berechnen.
              (Foto: Institut für Parallele und Verteilte Systeme)

Vision: Menschmodell

Das Einsatzgebiet der Simulationstechnik erstreckt sich von der Produktentwicklung und Klimaprognosen bis hin zu komplexen Problemen der Medizin. Sie hat großen Einfluss auf Entwicklungen in Wirtschaft und Wissenschaft und ist in vielen Bereichen der Natur- und Ingenieurwissenschaften längst unentbehrlich geworden. Das geplante Exzellenzcluster „Simulationstechnik“ (SimTech) konzentriert sich auf die sechs methodischen Gebiete Molekulardynamik, Moderne Mechanik, Numerische Mathematik, Systemanalyse, Datenmanagement und Interaktive Visualisierung. Grundidee ist das „Integrative“, eine „große Vision, das Menschmodell“, erklärte der Sprecher des vorgesehenen Clusters Prof. Wolfgang Ehlers vom Institut für Mechanik (Bauwesen). Ärzten könnte dieses Rechenmodell etwa bei Operationen helfen, Kunstfehler zu vermeiden. Aber auch beispielsweise das Lagern von Treibhausgasen in tieferen Erdschichten ist ein Thema, dessen man sich annehmen will – sind doch anwendungsbezogene Forschung und Lehre sowie der Transfer wissenschaftlicher Ergebnisse in industrielle Anwendungen elementare Bestandteile des Clusters. Die Wirtschaft hat ihr Interesse schon bekundet. DaimlerChrysler und Bosch haben zugesagt, je eine Juniorprofessur auf fünf Jahre zu stiften, und auch im Transferbereich von SimTech wollen viele Firmen mit dabei sein, verrät Ehlers. Von der Fördersumme sollen drei W3-Professuren, 13 Juniorprofessuren mit je zwei Doktoranden, sieben Post-doc-Stellen und 72 Promotionsvorhaben finanziert werden. Vier Juniorprofessuren werden Tenure-Track erhalten, also die Aussicht auf Übernahme in eine W3-Professur. Zudem wird es eine Graduiertenschule geben und für die besten zehn Prozent eines Jahrgangs ist ein Elitestudiengang „Simulation Technology“ auf Bachelor- und Masterebene geplant.

 
   

ein Rechengitter eines mit Polyurethanschaum gefüllten Sitzes

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

Wie sich Autositze nach einem Unfall verformen – unser Bild zeigt ein Rechengitter eines mit Poly-urethanschaum gefüllten Sitzes – kann man heute schon berechnen. In SimTech sollen daraus beispielsweise zusammen mit einem vollständigen mechanischen Modell des menschlichen Körpers Simulationen zur Optimierung eines vollständigen Sicherheitssystems in Fahrgastzellen entwickelt werden.               (Foto: Institut für Mechanik/Bauwesen)

Einmalig: Duales System

„Neue Konzepte für die Produktion werden benötigt“, betonte Prof. Engelbert Westkämper vom Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb und Sprecher der geplanten Graduiertenschule Advanced Manufacturing Engineering (GSaME), die sich intelligenten Produktions- und Fertigungstechniken widmen wird. Ziel der Wissenschaftler sind hocheffiziente Fabriken. Neben drei Fakultäten der Uni sind die Fraunhofer-Institute für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) sowie für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) beteiligt. Die Graduiertenschule wird ihr eigenes Promotionsrecht erhalten und – einmalig für Deutschland und auch weltweit – im Dualen System zusammen mit Unternehmen wie etwa Trumpf, Bosch, DaimlerChrysler oder ZF-Friedrichshafen ausbilden. Auch die IG-Metall wird drei Promotionen finanzieren. Den Doktoranden, denen die Graduiertenschule eigenständiges wissenschaftliches Arbeiten und ergänzende Qualifizierung bietet, stehen dann nicht nur die Labore der Institute zur Verfügung, sondern sie sind auch in den Unternehmen in Forschungs- und Entwicklungsprojekte eingebunden. Zunächst sind rund 60 Doktorandenstellen geplant: von der DFG 30, von den Fraunhofer-Instituten 15 und weitere 15 von der Wirtschaft. Für die wissenschaftlichen Arbeiten der Graduiertenschule steht schon jetzt eine Lernfabrik zur Verfügung – bestehend aus einer digitalen Modellfabrik und einem physischen Produktionssystem*).

Die Lernfabrik

 

Die Lernfabrik besteht aus einer digitalen Modellfabrik und einem physischen Produktionssystem.
                                                        (Foto: Uni Stuttgart/IFF)

Gewinnbringend: Kooperation

Die Graduiertenschule Advanced Solid State Science (Festkörperforschung), getragen von den Fachbereichen Physik und Chemie sowie den beiden Max-Planck-Instituten für Festkörperforschung und Metallforschung, wird sich mit den Nanowissenschaften und der Atomphysik bis hin zur Kolloidchemie und dem Quantencomputer befassen. Aber auch in Richtung Werkstoffwissenschaften und Maschinenbau werde sie ausstrahlen und die Verbindung zur organischen Chemie und zur Biologie suchen, erklärte Prof. Jörg Wrachtrup vom 3. Physikalischen Institut, der den Sprecher der Graduiertenschule, Prof. Harald Gießen, vertrat. Wissenschaftler aus den verschiedenen Disziplinen soll die geplante Graduiertenschule gewinnbringend zusammenzuführen. Die Doktoranden – derzeit sind 30 Promotionsstellen geplant – werden bei gemeinsamen Vorlesungen Einblick in die jeweils anderen Forschungsbereiche bekommen und schon nach dem Bachelorabschluss mit ihrer Doktorarbeit beginnen können.

Julia Alber

*) Die Lernfabrik stellen wir im nächsten Heft vor.

 > > > www.exzellenz.uni-stuttgart.de/

 

 

 
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Pressestelle der Universität Stuttgart