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Luc Ferry sprach zur Feier des Elysée-Vertrages  > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
Warum wir alle deutsche Philosophen sind
 

Bis an die Kapazitätsgrenzen wurde die Stadtbücherei Stuttgart am 22. Januar 2007 von der deutsch-französischen Community bestürmt: Es galt, von dem Philosophen und ehemaligen französischen Bildungsminister Luc Ferry zu erfahren, warum wir alle deutsche Philosophen sind. Der französische Generalkonsul Christian Dumon gab in seinem Grußwort zu bedenken, dass zumindest er selbst weder Deutscher noch Philosoph sei. Das Interesse von fast 300 Gästen zeige ihm aufs Neue, dass in Stuttgart ein reges deutsch-französisches Leben stattfinde.

 
 

Gäste

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer

Fast 300 Gäste wollten wissen, warum wir alle deutsche Philosphen sind: Unser Foto zeigt von rechts nach links den Geschäftsführer der DVA-Stiftung Dr. Peter Theiner, den ehemaligen französischen Bild-ungsminister Prof. Luc Ferry, den französischen Gen-eralkonsul Christian Dumon und den geschäfts-führenden Direktor des IZKT, Prof. Dr. Georg Maag.
                                                                            (Foto: Murat)

An einem festlichen Tag sei beim Rückblick auf die deutsch-französische Freundschaft auch der Stolz auf das Erreichte erlaubt, sagte Dr. Peter Theiner, Geschäftsführer der DVA-Stiftung; er wies darauf hin, dass die DVA-Stiftung ihre Arbeit im Geiste des Elysée-Vertrages fortsetzen. Bezogen auf den Titel des Vortrages wagte er die These, dass wir, als Erben der französischen Aufklärung, womöglich alle französische Philosophen sind.

  Luc Ferry, der selbst in Heidelberg studiert hat und sich als Bildungsminister um die Pflege der deutsch-französischen Kooperation verdient gemacht hat, stellte in seinen Ausführungen die deutsche und die französische Geistestradition gegeneinander: Während in Frankreich sowohl die katholische Kirche als auch die Kultur des Hofes den Zugriff des Subjekts zu Gesellschaft und Heil vermittelt, moderiert und gezügelt hätten, habe sich im kleinstaatlichen und teilweise protestantisch geprägten Deutschland ein in Luther kulminierender Trend zur Unmittelbarkeit Bahn geschlagen. Gerade die Unmittelbarkeit des Heilsbezuges habe jedoch die Philosophie in der deutschen Tradition mit jenem spirituellen Mehrwert aufgeladen, den alle großen Philosophen aus dem deutschen Sprachraum dem Menschen anböten. Entgegen dem jeweiligen Selbstverständnis böten nämlich Kant, Hegel, Schopenhauer, Marx, Nietzsche, Freud, Husserl und Heidegger zugleich eine Philosophie der Erlösung.

Philosophie der Lebenskunst

In Frankreich hingegen habe sich im Gefolge der Moralistik eine Philosophie der Lebenskunst herausgebildet, die zwar Klugheitsregeln böte, aber kein Heil. Der in Frankreich im 19. Jahrhundert dominante Positivismus habe schließlich der Philosophie auch diesen Praxisbezug noch ausgetrieben. Philosophie im emphatischen Sinne – dies zeigte eine Exkurs zur antiken Philosophie – sei aber ohne säkularisierte Heilslehre nicht zu haben. Nur die Philosophie in der deutschen Tradition habe diesen Kern in vielfach gewendeter Form weitergetragen.

  Das menschliche Bedürfnis nach Heil (le salut) sei jedoch legitim, weil es aus der auch in einer vollkommen ethischen Gesellschaft unumgänglichen Erfahrung mit dem Tode resultiere. Die Aufgabe der Philosophie sei es daher, dem Menschen nicht nur theoretische und ethische, sondern eben auch heilsbezogene Angebote zu machen.

Felix Heidenreich

 

 

 

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