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Interkulturelles Forschungsprojekt der Stuttgarter Amerikanistik   > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
Vom amerikanischen zum asiatischen Traum

Neugier, Experimentierfreude und Risikobereitschaft sind die Merkmale, die man gemeinhin mit dem „Amerikanischen Traum“ verbindet. Wie dieser in den aufstrebenden Ländern des asiatisch-pazifischen Raums neu interpretiert wird, untersuchen Wissenschaftler der Stuttgarter Amerikanistik im Rahmen des Projekts „From American Dream to Asian Dream“.

die malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur

 

Wo Globalisierung und Tradition zusammentreffen, bilden sich Identitäten neu. Das Bild zeigt die malaysische Hauptstadt Kuala Lumpur. (Foto: Bernhard Minke)

Seit 1989 mischt die Globalisierung die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in der Welt neu. Folgt man einer EU-Studie mit dem Titel The New Global Puzzle, dann wird die Welt in zwanzig Jahren noch interdependenter, komplexer und damit instabiler sein. Zudem wird eine Wiederkehr der Großmachtpolitik mit anderen Akteuren erwartet. Die Fähigkeit des Westens, die internationale Politik nachhaltig zu beeinflussen, dürfte abnehmen. Kein Staat wird in der Zukunft die Regeln der Weltpolitik und der Weltwirtschaft noch einmal so bestimmen können, wie das die Vereinigten Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg taten. Angestoßen durch diese Umwälzungen verfolgt die Amerikanistik an der Universität Stuttgart ein Konzept, das die Rolle der USA vor dem Hintergrund der Globalisierung untersucht. Erster Forschungsschwerpunkt ist der Einfluss der USA auf den Prozess der Identitätsbildung in Asien. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Globalisierung bei aller amerikanischen Dominanz ein Weltgesicht hat und sich interkontinental entwickelt. Asien ist kein Phänomen, sondern Teil eines Prozesses, den es selbst mitgestaltet.

  „In the beginning all the world was America.” In diesem von John Locke formulierten Gedankenexperiment verbinden sich die Faszination des Neuen und die Möglichkeit, unbelastet von Traditionen und Konventionen, von vorne zu beginnen und die Welt noch einmal ganz neu zu gestalten. Beide Motive haben in der amerikanischen Kultur tiefe Wurzeln geschlagen. In unserer von Globalisierungsprozessen gekennzeichneten Gegenwart wird dieser Anspruch außerhalb der USA stark kritisiert, aber auch umgedeutet und insbesondere im asiatisch-pazifischen Raum neu interpretiert. Nicht zuletzt auf der Grundlage des starken wirtschaftlichen Wachstums in den Kernregionen Asiens vollzieht sich dort einen Wechsel vom amerikanischem zum asiatischen Traum. Dies öffnet neue Räume für neue Identitäten. Im 21. Jahrhundert treten uns Asiaten nicht mehr als „andere“ gegenüber, die das Gleiche anders machen, sondern als „gleiche“, die das Gleiche besser machen. Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf eine „globale Identität“ und welchen Einfluss haben die amerikanischen Ideale in Form des „American Dream“ für diese neuen Überlegungen?  

Ist Australien noch westlich?

Die Stuttgarter Amerikanisten versuchen, diese Veränderung unter Anwendung neuerer Theorien und Methoden aus dem Bereich „Cultural Studies“ zu erklären. Beispiel Australien: Der Kontinent gilt derzeit als „Boomland“ mit Ausfuhren in Rekordhöhe und niedriger Arbeitslosigkeit. Der vermeintlich abgelegene Kontinent profitierte in den achtziger Jahren vom Aufstieg der Tigerstaaten und heute vom gigantischen Rohstoffbedarf der aufstrebenden Nachbarländer China und Indien. Der Austausch mit den asiatischen Ländern wächst rasch, das Engagement australischer Unternehmen in der Region ebenfalls, und die demographischen Veränderungen kann man, vom asiatischen Tourismus ganz abgesehen, in jeder australischen Großstadt beobachten. Aber welche Funktion haben Herkunft sowie westliche Kultur? Kann man davon sprechen, dass Australien heute tatsächlich „asiatisch“ wird? Brauchen wir eine neue Sicht auf die Welt?  

 
 

 

Exkursionsteilnehmer auf der Treppe vor dem Opera House in Sydney

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer Exkursionsteilnehmer auf der Treppe vor dem Opera House in Sydney.
                                  (Foto: Sven Schreiber)

Selbstbewusste Asiaten

Diese Fragen werden im Rahmen des Projektes ebenso untersucht wie die Entwicklungen in Asien. In nur einer Generation hat sich Asien zu einem dynamischen und erfolgreichen Handelsplatz gewandelt. Die Überwindung der kolonialen Verhältnisse und die Herausforderungen der Globalisierung haben in Asien einen Optimismus erzeugt, der sich in einem starken Selbstvertrauen ausdrückt. Dabei müssen nationale Interessen oft mit Visionen von einem gemeinsamen Asien in Einklang gebracht werden, so zum Beispiel in der ASEAN (Association of Southeast Asian Nations), einer Internationalen Organisation südostasiatischer Staaten mit politischer, wirtschaftlicher und kultureller Zielsetzung. Am Ende steht eine eigene Identität, die sich immer mehr von westlichen Modellen loslöst. Es wird in diesem Zusammenhang auch zu prüfen sein, wie sich das postkoloniale Konzept der hybriden Identität in asiatischen Ländern verändert zugunsten einer reversiven Hybridität, die Einflüsse beispielsweise kultureller Art selektiv zurückweist.  

  Um diesen Zusammenhängen auf die Spur zu kommen, sind die Untersuchungen eng mit der Lehre verzahnt. So haben bereits Studierende im Hauptstudium die Möglichkeit, an der Planung, Ausarbeitung und Forschung vor Ort im Rahmen von Exkursionen teilzunehmen. Die erste Forschungsreise nach Singapur 2004 gab einen explorativen Überblick über die Situation und den momentanen Stand der Identitätsentwicklung in Süd-Ost-Asien. 2006 stand eine Reise nach Malaysia und Australien auf dem Programm, bei der das Zusammenwachsen des asiatisch-pazifischen Raums untersucht wurde. 2008 soll der Fokus auf Indien liegen und 2009 auf China.  

Wolfgang Holtkamp/amg

 

 

 

KONTAKT

 
                                                                      
Dr. Wolfgang Holtkamp, Bernhard Minke
Institut für Literaturwissenschaften – Amerikanistik I
Tel. 0711/685-83091
Fax 0711/685-83237
e-mail: wolfgang.holtkamp@ilw.uni-stuttgart.de

 


 

 

 
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