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Neue 3D-Einblicke in Stuttgarter Wilhelma-Schwamm Tethya   > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
Oberflächenwunder, moderner Werkstoff

Die erste in der Stuttgarter Wilhelma entdeckte Tierart, der Schwamm Tethya wilhelma, sorgt weiter für Schlagzeilen. Zum ersten Mal gelang es Wissenschaftlern des Biologischen Instituts der Uni sowie Kollegen aus Hamburg und Irland, mit Hilfe von elektromagnetischen Wellen (Synchrotronstrahlung) die dreidimensionale Körperstruktur eines kompletten Schwammes aufzunehmen und in einem virtuellen Modell darzustellen.

Der Schwamm Tethya wilhelma

 

Der Schwamm Tethya wilhelma in einer Fotomontage zwischen Lebendansicht (links) und virtueller Rekonstruktion der inneren Strukturen (Kanalsystem blau, Skelett rot), basierend auf Synchrotron-Mikrotomographie.              (Foto: Dr. Michael Nickel)

Dabei zeigte sich, dass der kleine Schwamm ein wahres Oberflächenwunder ist: „Bezogen auf das Volumen besitzt Tethya wilhelma sechsmal so viel Oberfläche wie die menschliche Lunge“, erklärt Dr. Michael Nickel vom Biologischen Institut. Auch das Skelett der Tethya-Schwämme barg Überraschungen. So bilden über 16.000 winzige, sternförmige Mineralpartikel eine regelrechte Sphäre auf halbem Weg zwischen Außenseite und Zentrum des kugeligen Schwammes. „Das Besondere an dieser Struktur sind die Materialeigenschaften“, erläutert Michael Nickel. Die Silikatpartikel sind in eine dicke Schicht von Kollagen eingelagert. Gleich einem Komposit-Werkstoff aus einer elastischen Matrix (Kollagen) und eingelagerten Füllerpartikeln (Silikat-Sterne) ist diese Sphäre in der Lage, hohe physikalische Belastungen dynamisch abzupuffern. Ein ähnliches Prinzip findet man bei Autoreifen. Auch in der Medizin könnten ähnliche Komposit-Werkstoffe zum Einsatz kommen, etwa in Form von gewebeverträglichen Implantaten. „Es handelt sich im Prinzip um einen Werkstoff, wie er moderner nicht sein könnte“, resümiert Nickel.

  Solche von der bionischen Forschung inspirierten Anwendungen sind jedoch Zukunftsmusik. Einstweilen helfen die neuen Daten aus dem Synchrotron-Mikrotomographen den Wissenschaftlern, ihre Modellorganismen besser zu verstehen. Insbesondere für das Verständnis des eigentümlichen Bewegungsverhaltens von Tethya wilhelma, der als „schnellster Schwamm der Welt“ gilt, sind die aktuellen Stuttgarter Forschungsarbeiten von Bedeutung: Die riesigen kontraktionsfähigen Oberflächen im Schwamm ermöglichen ein extremes Zusammenziehen des Körpers. Die räumliche Anordnung der Skelettelemente sorgt dabei während der Kontraktion für eine Verteilung der auf das Gewebe wirkenden Zugkräfte. Dadurch werden der im Zentrum liegende lebenswichtige Filtrationsapparat des Schwammes vor übermäßiger Verformung oder gar dem Kollaps bewahrt. Für Michael Nickel ist die Forschung an Tethya wilhelma und seinen Verwandten noch längst nicht ausgereizt. Aus der Mischung von Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Forschung erwarten die Wissenschaftler neue Ideen für biomedizinische und ingenieurwissenschaftliche Materialien. Neben Komposit-Werkstoffen sind in dieser Hinsicht vor allem auch Unterwasser-Haftstrukturen an Körperausläufern, die der Schwamm ausbildet, von Interesse. In interdisziplinären Kooperationen mit Ingenieuren, Molekular- und Systembiologen soll Tethya wilhelma deshalb auch zukünftig im Mittelpunkt stehen.  

amg

 

 

 

KONTAKT

 
                                                                      
Dr. Michael Nickel
Biologisches Institut
Tel. 0711/685-65084
Fax 0711/685-65096
e-mail: michael.nickel@bio.uni-stuttgart.de

 


 

 

 
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