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Polymertechnologie soll Lebensdauer von „Flüsterasphalt“ erhöhen   > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
Saubere Poren verringern Verkehrslärm

Verkehrslärm ist für viele Bundesbürger das Umweltproblem Nummer eins. Offenporiger Asphalt kann den Krach bereits an der Entstehungsquelle verhindern oder zumindest wesentlich dämpfen. Da die Poren jedoch schnell verstopfen und der Effekt verpufft, wird der so genannte Flüsterasphalt in Deutschland bisher nur zögerlich eingesetzt. Um der „leisen Straße“ zum Durchbruch zu verhelfen, gehen das Institut für Straßen- und Verkehrswesen und das Institut für Polymerchemie der Uni sowie weitere Forschungspartner neue Wege.

Durch Flüsterasphalt kann der Lärmpegel entlang der Straßen um vier bis fünf Dezibel verringert werden. Die Lärmminderung basiert einerseits auf Absorptionsvorgängen durch die offenporige Struktur des Belags, die den Schall regelrecht „schluckt“. Andererseits wird das so genannte „Air-Pumping“ verhindert, Lufteinschlüsse zwischen Reifen und Fahrbahn, die unter Druck stehen und beim Abrollen des Reifens wieder freigegeben werden. Dadurch kann der Schall erst gar nicht entstehen.

 

Schnittbild einer unverschmutzten (links) und einer verschmutzten Asphaltpore

 

Schnittbild einer unverschmutzten (links) und einer verschmutzten Asphaltpore. (Fotos: Kuti, Hajnalka/ISW)

  Doch schon nach vier bis sechs Jahren lässt die lärmmindernde Wirkung der offenen Struktur deutlich nach. Ursache ist der Schmutz auf der Fahrbahn, der die Poren zunehmend verstopft. Versuche, offenporige Deckschichten mit Wasser unter hohem Druck zu reinigen, zeigten bisher wenig Erfolg. Im Rahmen des Projekts „Polymertechnologie zur Modifizierung von Poreninnenwandungen“ wollen die Wissenschaftler deshalb die Materialoberfläche so verändern, dass sie nicht so leicht verschmutzen kann. Hierzu haben sich das Institut für Polymerchemie (IPOC), das Institut für Straßen- und Verkehrswesen (ISV) der Uni Stuttgart und das Forschungsinstitut für Pigmente und Lacke e.V. (FPL) zusammengetan. Dabei bringen die Ingenieure vom ISV ihre Erfahrung im Bereich des Straßenbaus, das IPOC und das FPL das nötige Know-how in der Polymer- und Beschichtungstechnologie in das Projekt ein.*)  

  Die Wissenschaftler gehen von der Grundidee aus, dass die Poren im offenporigen Asphalt eine schmutzabweisende Oberfläche bekommen sollen. Dadurch könnte der eingetragene Schmutz weniger leicht anhaften und durch Regenwasser beziehungsweise durch Reinigung wieder ausgespült werden. Für die Erzeugung einer solchen Oberfläche bieten sich verschiedene Strategien an. So könnte auf die Innenwandungen der Poren nachträglich eine dauerhafte Beschichtung aufgetragen werden, indem man diese beispielsweise mit einer permanent haftenden Anstrichformulierung flutet. Zum anderen könnten der Asphaltmischung hochmolekulare Komponenten (Polymere) zugesetzt werden. Diese Polymere sollen zunächst mit dem Bitumen mischbar sein, sich aber nach dem Aufbringen der Asphaltdecke beziehungsweise beim Abkühlen vom Bitumen trennen und an die Oberfläche der Poreninnenwandungen wandern. Durch diesen, auch als Selbststratifizierung bezeichneten Vorgang wird ebenfalls eine Oberflächenbeschichtung erreicht. Auf beide Weisen können verschiedene Oberflächeneigenschaften erzeugt werden, die nur noch vom Beschichtungssystem beziehungsweise dem verwendeten Polymer und nicht mehr vom Bitumen abhängen.  

Schmutzfrei wie eine Lotusblüte

 

Schema einer schmutzabweisenden, reinigbaren Beschichtung

 
Prof. Wolfram Ressel (rechts) gratuliert dem neuen Ehrendoktor Reint de Boer Schema einer schmutzabweisenden, reinigbaren Beschichtung. (Grafik: FPL/IPOC)

Um sicherzustellen, dass die Beschichtung den Schmutz tatsächlich abweist beziehungsweise leicht zu reinigen ist, werden ebenfalls zwei Varianten verfolgt. Denkbar ist zum einen die Erzeugung einer hydrophoben (wasserabstoßenden) Oberfläche, die zusätzlich mikrostrukturiert ist. Diese würde das Abwaschen (Mitnehmen) des an der Oberfläche anhaftenden Schmutzes durch Wasser im Vergleich zur unbehandelten Oberfläche wesentlich erleichtern. Die Idee wird in Anlehnung an die geringe Benetzbarkeit und hohe Selbstreinigungsfähigkeit der Lotuspflanze als Lotusblüteneffekt oder kurz „Lotuseffekt“ beschrieben: Da das Wasser nicht in die mikrorauhe Oberfläche eindringt, sondern sich nur mit minimaler Kontaktfläche tropfenförmig über die Oberfläche bewegt, kann der Schmutz optimal aufgenommen und entfernt werden. Zum anderen kann eine Oberfläche auch durch die Schaffung einer sehr hydrophilen (wasseranziehenden), glatten Oberfläche verschmutzungsresistent gestaltet werden. In diesem Fall kann das Wasser die Oberfläche vollständig benetzen, sozusagen unter die anhaftenden Schmutzpartikel kriechen, und den Schmutz dadurch wegschwemmen. Im Zuge des Forschungsprojektes wollen die Wissenschaftler herausfinden, welche Varianten die Verschmutzung der offenporigen Asphalte am effizientesten verhindern beziehungsweise eine Reinigung am besten ermöglichen und ob diese in der technischen Anwendung praktikabel sind.  

Stefan Alber/Frederik Wurst/amg

*) Dem Bericht liegen Teile der im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, vertreten durch die Bundesanstalt für Straßenwesen, unter FE-Nr. 86.0039 durchgeführten Forschungsarbeiten zugrunde.  

 

 

 

KONTAKT

 
                                                                      
Prof. Wolfram Ressel
Institut für Straßen- und Verkehrswesen
Tel. 0711/685-66447
Fax 0711/685-66966
e-mail: Wolfram.Ressel@isv.uni-stuttgart.de

Prof. Claus D. Eisenbach
Institut für Polymerchemie
Tel. 0711/685-64440
Fax 0711/685-64396
e-mail: cde@ipoc.uni-stuttgart.de
 


 

 

 
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