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Ein Kongress zeigte Unterschiede in den Kulturen > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
 
Lachen und Weinen

Die Spannungen in der Politik und die damit verbundenen Attentate und Kriege nehmen zu. Diese zu erklären, wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Entstehen sie aus wirtschaftlichen Interessen? Werden sie durch die Religionen der verschiedenen Kulturen oder durch fundamentalistische Ideologien verursacht? Das Freiburger „Institut für Historische Anthropologie“ bat den emeritierten Historiker der Universität Stuttgart August Nitschke, in Zusammenarbeit mit über 20 Ethnologen, Historikern, Kunsthistorikern und Linguisten zu untersuchen, ob die heute so virulenten Gegensätze nicht auf elementare Unterschiede zwischen den Menschen zurückgehen? Werden diese aufgrund der Unterschiedlichkeit des Lachens und des Weinens sichtbar?

  Weinen und Lachen auf japanisch von Yzumi Yanagiya    

Grafik: Weinen und Lachen auf japanisch von Yzumi Yanagiya.

 

 

 

Vom 20. bis 23. September traf sich die Gruppe bei einer von Nitschke geleiteten Tagung in der Katholischen Akademie in Stuttgart-Hohenheim. Die Vortragenden machten kurz mit einer Gesellschaft vertraut und dann mit den Situationen, in denen dort die Menschen lachten oder weinten. Die Ergebnisse: Nur in einigen, meist von Europäern beeinflussten Kulturen werden Lachen und Weinen als Ausdruck persönlicher Gefühle interpretiert. Verhältnismäßig häufig sind diese Reaktionen Teil einer Zeremonie, worauf dann auch die Worte „Lachen“ oder „Weinen“ verweisen: So „muss“ bei den Aborigines während einer Beerdigung, hingegen bei den Azteken nach einer Geburt geweint werden. Noch erstaunlicher: Weinen und Lachen können ein Teil von Wandlungsprozessen sein. „Weinend“ verwandeln sich die Frauen der Kaluli (Papua Neuguinea) nach dem Tod ihrer Kinder in Vögel, während die Männer von in Masken auftretenden Vögeln zum Weinen veranlasst werden. – In Ethnien Zentralafrikas üben sich Kinder „lachend“ in künftig mögliche, verwandtschaftliche Beziehungen ein. – In Europa kann das spöttische Lachen den Handlungsraum der Menschen stabilisieren, jedoch auch als ermunterndes Lachen den Wechsel von einem in einen anderen Handlungsraum fördern – etwa beim Übergang von der Gotik zur Renaissance. – Die Verschiedenartigkeit der Kulturen wird allerdings erst deutlich, wenn die Menschen sich nicht durch ihre – sie von Tieren unterscheidende - Eigenart definieren, sondern wenn sie sich – in einem anderen Modell – von den Wechselwirkungen her sehen, in denen sie sich befinden: Versetzen diese Wechselwirkungen die Menschen in einen mehrdimensionalen Raum oder in gleichmäßige oder synkopische Rhythmen? Oder stellen diese neue Verbindungen zu Gestalten oder zu gestalttaften, dynamischen Ordnungen her? Da werden die jüngsten Ergebnisse der Gehirnphysiologie interessant. Übrigens, dieses Modell zeigt: Seitdem die oberen Gesellschaftsschichten aus den nichteuropäischen Kulturen in die in der Renaissance entstandenen Handlungsspielräume der Europäer gerieten, wurden diese Räume in Europa von Physikern und Künstlern verlassen: seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts.

August Nitschke

 

 

KONTAKT

 
                                                                      
Historisches Institut der Universität Stuttgart
Tel. 0711/685-83456 sowie direkt bei
Prof. Dr. August Nitschke
Bei der Ochsenweide 1
72076 Tübingen
e-mail: panitschke@gmx.de



 

 

 

 
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