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Konflikte in der globalen Medienkultur > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
 
Vom Karikaturenstreit und der Pressefreiheit

Was kann Presse, was soll sie, was muss sie – und was muss die Presse dürfen in einer immer vernetzteren Welt? Auch um diese Fragen ging es im Sommersemester 2006 in der Vorlesungsreihe über Medienphilosophie und Medienethik. Prof. Bernhard Debatin von der Ohio University (Athens, USA) , diesjähriger Gastprofessor des Alcatel SEL Fellowship am Internationalen Zentrum für Kultur- und Technikforschung, lud in dieser Reihe zu einem sehr gut besuchten Podiumsgespräch in die Stadtbücherei Stuttgart.

Im Herbst 2005, kurz vor den Wahlen in Dänemark, schrieb das rechtslastige dänische Lokalblättchen „Jyllands Posten“ Karikaturisten an mit der Bitte um Karikaturen zum Thema Islam. Da die öffentliche Empörung zunächst ausblieb, lud die Zeitung Imame ein, um die Zeichnungen im arabisch-muslimischen Raum publik zu machen.

Gezielte Provokation

Der Karikaturenstreit gründete nicht auf Zufall oder Versehen, sondern war ein inszenierter Skandal. Alle zwölf bei der Zeitung eingereichten Arbeiten wurden ohne Prüfung auf ihre qualitative und ethische Kriterien abgedruckt. Für Prof. Debatin warf der Skandal zunächst weniger die Frage nach der Freiheit, sondern vielmehr nach ethischer Verantwortung der demokratischen Presse auf. Hier stelle sich das Problem, wo die Grenze der Verletzung religiöser Gefühle sei und ab wann der interkulturelle und interreligiöse Respekt vorgehe. Im Verlauf des Monate währenden Konflikts gerieten dieser Teil der professionellen journalistischen Selbstreflexion und die hintergründige Motivlage medialer Provokation völlig aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Die Diskussion in der westlichen Welt verlagerte sich vielmehr auf die Ebene einer gefährdeten Pressefreiheit, während in muslimischen Ländern teils radikale Gruppen, teils Regierungen den Volkszorn für eigene politische Ziele nutzten.

Nachrichtenauswahl und Normenkodex

Dr. Wolfgang Wunden, Programmkoordinator des SWR, machte deutlich, dass die Auswahl der Nachrichten und die vielbeschworene freiwillige Selbstkontrolle kein juristisches, sondern ein moralisches Problem ist. Die eher bilderfeindlich geprägte muslimische Bevölkerung darf nicht durch tendenziöse Beiträge zusätzlich provoziert werden. Der Medienphilosoph und –pädagoge Prof. Matthias Rath von der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg erarbeitet im Rahmen des „Netzwerks Medienethik“ berufsspezifisch ethische Kriterien als Entscheidungshilfen für Journalisten. Die Frage, welche Themen zu welchem Zeitpunkt in welcher Form veröffentlicht werden, hängt in jedem Medium von jeweiligen Konsumentenkreis ab. Prof. Petra Grimm, Hochschule der Medien Stuttgart, lobte den relativ sensiblen Umgang der deutschen Presse im Karikaturenstreit. Die Beschwerde gegen die Veröffentlichung vor dem Presserat ging mit Gewaltandrohungen einher. Diese stellten letztlich einen Angriff auf die Pressefreiheit dar und führten zur Ablehnung der Beschwerde.

Gabriele Schreiner

 

 

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