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Neue Satellitenmission zur Vermessung des Erdschwerefeldes > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
 
Für Goce ist die Erde doch keine Kugel

Die Satellitenmission „Goce“ (Gravity Field and Steady-State Ocean Circulation Earth Explorer) vervollständigt die Schwerefeldvermessung der Erde. Die Mission im Programm „Living Planet“ der europäischen Raumfahrtagentur ESA gehört zu den Projekten, die Prof. Nico Sneeuw mitbetreut, der im Sommer 2005 die Leitung des Geodätischen Instituts der Uni Stuttgart übernommen hat. Mit Hilfe der Ergebnisse soll das Wissen um das System Erde erweitert werden.

  Die wahre Form der Erde  

Die wahre Form der Erde. Um die geringen Höhenvariationen des Geoids sichtbar zu machen, sind sie einige zehntausendmal überhöht dargestellt.
                                                            (Foto: GFZ Potsdam)

Anders als sie auf Bildern aus dem Weltall wirkt, hat die Erde keineswegs die Gestalt einer Kugel. Aufgrund der Fliehkraft ist unser rotierender Heimatplanet am Äquator aufgewölbt und sein Radius etwa 21 Kilometer größer als der Erdradius an den Polen. Zusätzlich weist die Erde allerdings auch Dellen und Beulen auf. Sie rühren von der ungleichmäßigen Verteilung der Gesteine in ihrer Kruste her. Die Schwerkraft ist zum Beispiel über Granit oder einer Lagerstätte aus Eisenerz größer als über Sandstein oder einem der vielen Salzstöcke, wie sie auch in Norddeutschland zu finden sind. Wo solche Stellen von Meer bedeckt sind, weicht das Niveau des Meeresspiegels von einem Ellipsoid um bis zu 100 Meter ab.

  Besser wird die Erdform daher mit dem so genannten Geoid beschrieben. Es wird als Oberfläche definiert, die einem hypothetischen Meeresspiegel folgt. Das Geoid weist unterschiedliche Abstände vom Erdmittelpunkt auf, weil der hypothetische Meeresspiegel an Stellen mit starker Schwerkraft niedriger und an Stellen mit schwacher Schwerkraft höher liegt. An allen Stellen der Geoidfläche herrscht also die gleiche Schwerkraft. Mit dem Vermessen des Erdschwerefelds aus dem Weltraum, und damit des Geoids, beschäftigen sich drei Satellitenmissionen. Die ersten zwei, „Champ“ (Challenging Minisatellite Payload for Geophysical Research and Application) mit einem Satelliten und „Grace“ (Gravity Recovery and Climate Experiment) mit zwei Satelliten, haben ihre Arbeit in den Jahren 2000 und 2003 aufgenommen. Die dritte Mission „Goce“ soll die Messungen jetzt vervollständigen.

  Der Raumsatellit GOCE  

Der Raumsatellit GOCE soll das Schwerefeld der Erde vermessen.                                                                         (Foto: ESA)

Weltkarte der Anziehungskraft

Mit der deutschen Mission Champ ist grundsätzlich bewiesen worden, dass sich das Erdschwerefeld messen lässt. Drei Jahre später ermittelten Geowissenschaftler mit den deutsch-amerikanischen Zwillingssatelliten Grace mit hoher Genauigkeit ein neues Modell der Erdform. Die Bahninklination dieser Satelliten beträgt zwischen 70 und 90 Grad, sodass eine globale Betrachtung der Erde gewährleistet ist. Es entsteht eine Weltkarte der Anziehungskraft. Während Grace die zeitlichen Variationen im Erdschwerefeld misst, wie jahreszeitlich bedingte Massentransporte im globalen Wasserkreislauf, wird Goce die höchste räumliche Auflösung erzielen.

  Die Instrumente an Bord des Satelliten werden topografische Strukturen erfassen können, die bis zu 70 Kilometer breit oder lang sind. Das Schweregradiometer besteht aus drei symmetrischen und senkrecht zueinander stehenden Paaren hoch empfindlicher Beschleunigungssensoren. Gemessen werden die Unterschiede der Messwerte der Sensorpaare und dadurch die Höhen der Beulen und die Tiefen der Dellen des Geoids auf ein bis zwei Zentimeter genau bestimmt. Die von den Sensoren ermittelten Daten werden unter anderem am Geodätischen Institut von der Arbeitsgruppe um Sneeuw ausgewertet. Sneeuw will die Daten außerdem geowissenschaftlich interpretieren. Das Geoid wird nämlich nicht nur als Referenzoberfläche verwendet, auf die alle topografischen Punkte wie Berge oder Schwankungen der Meeresspiegel international einheitlich bezogen werden. Es dient auch als Bezugsfläche für Veränderungen und Wechselwirkungen von Land, Eis und Ozeanen. Ein genaues Modell des Geoids ist unerlässlich, um die Meerestopografie und deren zeitliche Veränderung zwecks Erfassung der Ozeanzirkulation zu bestimmen oder etwa um die Gezeiten exakt zu berechnen. So haben Forscher der Universität Colorado in den USA mit Grace die antarktische Eisabschmelzung beobachtet und ermitteln können, dass der globale Meeresspiegel dadurch im Jahr um 0,4 Millimeter steigt. Alle diese Effekte reflektieren den Klimawechsel.

Hannah Böhrk

 

 

KONTAKT

 
                                                                      
Prof. Nico Sneeuw
Geodätisches Institut
Tel. 0711/685-83389
Fax 0711/685-83285
e-mail: sneeuw@gis.uni-stuttgart.de

 

 

 

 
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