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Veronika Stoertzenbach gibt den Takt an > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
 
Die Freude an der Musik bestimmt die Arbeit
Veronika Stoertzenbach
Veronika Stoertzenbach hat das Akademische Orchester und den Chor zu außergewöhnlichen Leistungen geführt.
                                                                                                               (Fotos: Eppler; Noten: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden)


Eigentlich könne man die „Schöpfung“ nicht kürzen, weder aus theologischer noch aus musikalischer Sicht, meinte Veronika Stoertzenbach vor dem Konzert im Rahmen der Jahresfeier der Universität im November 2005. Dennoch hatte sie dem zeitlichen Rahmen folgend die Auszüge aus dem umfangreichen Werk von Joseph Haydn mit so viel Feingefühl ausgewählt, dass man die Kürzung als gelungen bezeichnen darf. Die Gäste würdigten die von Solisten der Musikhochschule unterstützte, exzellente musikalische Darbietung mit stehendem Applaus. Zur Verabschiedung des Uni-Kanzlers Joachim Schwarze Anfang Dezember (siehe Seite 8) boten die Unimusiker mit dem Klavierkonzert von Gershwin ein weiteres musikalisches Highlight. Veronika Stoertzenbach hat das Akademische Orchester und den Akademischen Chor der Universität zu außergewöhnlichen Leistungen geführt. Ursula Zitzler sprach mit der Universitäts-musikdirektorin über ihre Arbeit.

  Veronika Stoertzenbach  

Temperamentvoll und einfühl-sam leitet sie die Musiker an.

Wie kommt es, dass es an einer früheren Technischen Hochschule eine Universitätsmusikdirektorin gibt?

Musik gab es an der Uni Stuttgart eigentlich immer. Der Chor geht zurück auf den nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Singkreis. Eine wichtige Rolle spielte dabei mein Vorgänger Manfred Müller-Cant, der dann auch ein Kammerorchester gründete und hauptberuflich den Chor der Paulus-Kirche leitete. Sicherlich ist es sein Verdienst, dass es diesen Titel gibt.

  Veronika Stoertzenbach  
„Erst die Flöten, dann die Klarinetten, dann die Oboen...“

Was unterscheidet die Arbeit mit Amateurmusikern von der Arbeit mit Profis?  

Amateure wollen angeleitet werden, Profis dürfen es nicht merken. Bei Profis ist die Arbeit technischer, steht unter großem Zeitdruck. Bei Amateuren ist der Weg oft länger. Hier geht es um Begeisterungsfähigkeit und Freiwilligkeit. Und das muss ich erhalten: die Menschen zum Mitmachen motivieren und sie nicht zu überfordern. Jeder sollte aus der Probe herauskommen und sagen „Heute war es schön!“ Für mich als Dirigentin ist es wunderbar zu erleben, wie sich auf einmal das Orchester kollektiv bewegt, wenn Freude an der Musik und dem gemeinsamen Musizieren aufkommen..

Was sind die Voraussetzungen für die Mitwirkung?

Ich bemühe mich, die beiden Ensembles für alle Interessenten offen zu halten, auch für solche, die wenig oder keine musikalische Vorerfahrung haben. Um trotzdem ein gutes musikalisches Niveau zu erreichen und den vielen versierten Musikern gerecht zu werden, versuche ich, die Mitwirkenden durch individuelle Hilfestellungen wie Einzelstimmbildung und Unterricht in Kammermusikgruppen zu fördern.

  Veronika Stoertzenbach  

„Ich hätt´s gern ein bisschen schneller, da muss die Rhythmus-gruppe voran!“

  Dazu hole ich mir auch gelegentlich Hilfe von erfahrenen Musikstudenten der Musikhochschule Stuttgart, um die enorme Nachfrage nach diesem Angebot befriedigen zu können. Ein schönes Beispiel ist ein Gaststudent aus Frankreich, der noch nie zuvor gesungen hatte. Er fand es einfach toll im Chor und hat in drei Monaten enorme Fortschritte gemacht. Die einzige Bedingung , die ich an alle Mitwirkenden stelle, ist nicht ihr Können, sondern, dass sie den zeitlichen Aufwand nicht scheuen und regelmäßig in die wöchentlichen Proben kommen. Vor den Aufführungen am Semesterende wird zur Intensivierung ein Probenwochenende in Klausur im Kloster Ochsenhausen oder in der Jugendherberge Creglingen eingeschoben. Das wirkt Wunder, weil dann die Neuen nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich in das Ensemble integriert werden. Das hört man am Chor- und Orchesterklang.

 Ich bin aber auch immer wieder überrascht, wie viele musikalisch gut ausgebildete junge Menschen an unserer Uni studieren. Ich habe zum Beispiel einen hochbegabten Cellisten, der Luft- und Raumfahrttechnik studiert und ohne weiteres auch an einer Musikhochschule aufgenommen würde.

Ist die durch das studentische Dasein bedingte Fluktuation ein Problem?  

Zum Start des Wintersemesters kommen immer 40 bis 50 neue Leute. Dann bröckelt es und es bleiben etwa 20. Die Fluktuation ist jedoch kein Problem, da durch die Einbindung ins Studium Generale die Mitwirkung auch für Nichtstudenten offen ist. Wir haben inzwischen viele langjährige Mitglieder, die an der Uni hier studiert haben und in Stuttgart einen Beruf gefunden haben. Die sorgen für Kontinuität. Viele sagen dann, jetzt habe ich endlich Zeit für sowas. Die Studenten klagen oft über Zeitmangel, aber in letzter Zeit ist der Studentenanteil wieder erfreulich gestiegen.

  Veronika Stoertzenbach  

„Sehr schöne Holzbläser-stellen. Gleich noch mal!“

Welchen Stellenwert hat die Zusammenarbeit mit der Musikhochschule?

Diese Zusammenarbeit möchte ich keinesfalls missen. Studierende der Musikhochschule helfen mir bei Stimmbildung und Stimmgruppenproben. Wir rekrutieren über die Lehrenden Instrumental- oder Gesangssolisten für unsere Konzerte. Und manche neue Idee ist schon aus diesen Kontakten entstanden, wie etwa die zum 175-jährigen Uni-Jubiläum im Jahr 2004 realisierte Klavierlöwen-Konzertreihe. Und gelegentlich geben wir auch im Turm der Musikhochschule Konzerte.

Wie lange dauert es, bis ein neues Werk konzertreif ist?

Als Faustregel gilt, dass man für fünf Minuten Musik das Zehnfache an Probenzeit benötigt. Für ein neues Werk braucht es schon acht bis zehn Probenabende.



Bereicherung für das Musikleben > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >

Menschen an der Universität

Eine Universität wird lebendig durch die Menschen, die dort tätig sind. Menschen bilden den Nachwuchs für Führungsaufgaben in der Gesellschaft aus, forschen in den unterschiedlichsten Disziplinen, sorgen für reibungslose Abläufe in der Verwaltung, studieren Fächer ihrer Wahl oder - kümmern sich um das Musikleben an der Universität. Im dritten Teil unserer Serie stellen wir Veronika Stoertzenbach vor, die als Universitätsmusikdirektorin den Akademischen Chor und das Akademische Orchester leitet.

 Chor und Orchester sind aus dem Stuttgarter Musikleben nicht mehr wegzudenken. Insbesondere das Orchester hat sich unter Stoertzenbachs Obhut einen hervorragenden Ruf erarbeitet. Die insgesamt 200 Mitglieder, Studierende aller Fakultäten, Uni-Mitarbeiter und Berufstätige aus dem Großraum Stuttgart, die – manche dem Studentendasein längst entwachsen – Chor und Orchester die Treue halten, verbindet die Begeisterung für die Musik und die Freude am gemeinsamen Musizieren. Die Mitwirkenden, allesamt Amateure, sorgen für die musikalische Umrahmung universitärer Veranstaltungen, sowohl in voller Besetzung als auch mit Kammermusikgruppen. Und sie bereichern das musikalische Leben der Stadt und der Region mit zahlreichen Angeboten, von der Stunde der Kirchenmusik in der Stiftskirche oder Konzerten in Stadtteilen oder Gemeinden im Großraum Stuttgart bis zum musikalischen Sommer im Züblinhaus. Chor und Orchester gehören zum Studium Generale der Universität Stuttgart. Dort sind auch eine ganze Reihe weiterer Musikgruppen angesiedelt, darunter das Kammerorchester, das Philharmonische Orchesterchen, die Big Band oder die Stuttgart University Pipe Band.

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KONTAKT

 
                                                                      
Unimusikbüro
Fax 0711/685-82806
e-mail: unimusik@po.uni-stuttgart.de
> > > www.uni-stuttgart.de/akachor
> > > www.uni-stuttgart.de/akaorchester

Wie ist die Bandbreite des Repertoires? Wie weit gehen Sie in die Moderne?

  Veronika Stoertzenbach  
„Jetzt noch mal alle!“

Ich spüre, wo es an die Grenzen geht und wo nicht. Ich würde keine Werke ins Programm setzen, die die Mitwirkenden nicht wollen. Eine gewisse Scheu vor Unbekanntem oder der Moderne versuche ich durch Mischung mit Bekanntem zu umgehen. Wichtig finde ich, dass ein Amateurmusiker eine allgemeinbildende Vielfalt erlebt und Offenheit und Neugier für alles entwickelt. Im Jahr 2006 widmen wir uns neben sinfonischen Werken von Brahms und Bartok fürs Orchester einem Chorprogramm der Musikerfamilie Bach. Wir wagen uns aber auch an ein szenisches Opernprojekt, nämlich Wagners fliegenden Holländer1).

Wer ist Ihr Lieblingskomponist und was ist Ihr Lieblingswerk?

Immer der, den ich gerade dirigiere. Aber ich schätze Brahms und Bach besonders. Und zu meinen Lieblingswerken zählt beispielsweise das Requiem von Brahms.

Zur Zeit unterstützt neben dem Förderverein FACOUS2) die Freundesvereinigung der Universität Chor und Orchester. Gibt es auch außerhalb der Universität Förderungsmöglichkeiten?

  Veronika Stoertzenbach  

„Es ist wunderbar zu erleben, wie sich auf einmal das Orchester kollektiv bewegt...“     (Fotos: Eppler)

Im Zuge der Einsparungen sind uns vor einigen Jahren die städtischen Fördermittel komplett gestrichen worden. Dankenswerterweise ist hier ein Stück weit die Freundesvereinigung der Universität Stuttgart eingesprungen. Dennoch müssen wir einen großen Anteil unserer Kosten selbst decken. So spielen wir inzwischen mit dem Orchester auch gegen Entgelt, etwa auf Einladung des Kulturamts Waiblingen, der Stadt Schorndorf oder in Welzheim. Diese Auftragskonzerte bedeuten aber wieder zusätzliche Aufgaben und Termine für alle Mitglieder. Bei Probenwochenenden oder Reisen, wie zum Beispiel die Chor- und Orchesterreise nach Colmar und Strasbourg im November letzten Jahres, geht es nicht ohne Eigenbeteiligung der Musiker.

 Nicht zuletzt durch das dringend notwendige Einspielen von Konzerteinnahmen sind wir schon fast so etwas wie ein kleines Unternehmen. Inzwischen kümmert sich der Förderverein des Akademischen Chores und Orchesters (FACOUS) um die Finanzabwicklung – allerdings lastet all dies auf freiwilligen Schultern...

Wie entspannen Sie sich am liebsten?

Bei absoluter Stille. Und Bewegung ist wichtig. Am liebsten gehe ich durch den Wald, dabei fallen mir die besten Sachen ein.

1) Die Aufführungen des Opernprojekts „Der fliegende Holländer“ finden am 14., 20., 21. und 22. Juli jeweils um 21.00 Uhr im Züblinhaus in Stuttgart-Möhringen statt (Albstadtweg 3). Karten zu 20, 15 und 10 Euro gibt es unter Tel. 0711/7883904.

2) Die Mitgliedschaft im Förderverein des Akademischen Chores und Orchesters (FACOUS) ist kostenlos, Spenden sind steuerlich absetzbar (http:// www.uni-stuttgart.de/akaorchester/facous.html).

 


Veronika Stoertzenbach, 1958 in Bonlanden geboren, wäre auch gerne Geigenbauerin geworden. Doch die Ausbildungsplätze waren rar. So setzte sie sich, dem Beispiel der Eltern folgend, die Musikpädagogik als Berufsziel. Schon vor dem Abitur belegte sie Kurse an der Stuttgarter Musikhochschule, wo sie 1978 das Schulmusikstudium mit dem Hauptfach Cello und dem Leistungsfach Dirigieren aufnahm. An der Uni Stuttgart belegte sie damals das Beifach für den Lehrerberuf und in Tübingen parallel Musikwissenschaft. „Während des Schulmusikstudiums beginnt man mit dem Dirigieren, Stück für Stück ging es dann in diese Richtung“, erzählt sie. Das Zusammentreffen mit ihrem Dirigierlehrer Professor Thomas Ungar, bei dem sie nach dem Staatsexamen 1984/85 das künstlerische Aufbaustudium Dirigieren aufnahm, bestätigte diese Weichenstellung. Dann kamen Wettbewerbe und Erfolge, darunter 1985 der erste Preis beim Dirigentenwettbewerb des Deutschen Musikrats und die Aufnahme in die Bundesauswahl der Konzerte junger Künstler.1985 übernahm die junge Dirigentin die Leitung des städtischen Kammerorchesters Gerlingen, 1986 wurde sie Dozentin für Chor- und Orchesterleitung an der Hochschule für Kirchenmusik in Rottenburg, 1988 lehrte sie Orchesterleitung an der Musikhochschule Stuttgart und kam im selben Jahr als Universitätsmusikdirektorin an die Universität Stuttgart. Von 1990 bis 2000 lehrte sie Orchesterleitung an der Musikhochschule in Trossingen. Gerne erinnert sich Veronika Stoertzenbach an den Staatsakt zum 40-jährigen Bestehen der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1989, als sie – ausgewählt von Sergiu Celibidache – als Nachwuchsdirigentin die Münchner Philharmoniker dirigieren durfte. Auch heute arbeitet sie immer wieder mit Profimusikern im Stuttgarter Raum. Ihre 11-jährige Tochter und ihr 13-jähriger Sohn haben die Begabung und die Liebe zur Musik mitbekommen. „Die Musik spielt zu Hause zwar eine große Rolle, da aber 80 Prozent meines Berufs organisieren, planen und Partituren studieren sind, hört man davon wenig.“

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last change: 28.05.06 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart