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Mitarbeiter des IRS bei Rückkehr der Raumkapsel Stardust > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
 
Schnellster Wiedereintritt geglückt
Raumkapsel  

Mit einer Rekordgeschwindigkeit von 12,8 Kilometern pro Sekunde trat die Raumkapsel Stardust
in die Lufthülle der Erde ein. Mitarbeiter des IRS beobachteten den Wiedereintritt. (Fotos: Nasa, IRS)


Nach fast siebenjähriger Reise und mit einer Rekordgeschwindigkeit von 12,8 Kilometern pro Sekunde trat am frühen Morgen des 16. Januar über der Westküste der USA die Raumkapsel Stardust wieder in die Erdatmosphäre ein. Drei Mitarbeiter des Instituts für Raumfahrtsysteme (IRS) der Uni haben den rasanten Wiedereintritt live miterlebt.

Noch nie zuvor ist ein künstliches Objekt schneller in die Lufthülle unseres Heimatplaneten eingedrungen. In den nächsten 90 Sekunden sollte sich ihr Hitzeschild auf bis zu 3.000 °C erwärmen - ein spannender Moment, auf den sich die Wissenschaftler seit Monaten vorbereitet hatten. Am Abend des 15. Januar war es dann endlich so weit. Um 23:56 Uhr hob ein speziell für die Rückkehrmission präpariertes Flugzeug vom NASA Ames Research Center in Kalifornien in südöstliche Richtung ab. Mit an Bord befanden sich Georg Herdrich, Michael Winter und Franziska Harms vom IRS der Universität Stuttgart. Auf einer rennbahnartigen Route ging die DC-8 gegen 1:05 Uhr in einer Höhe von 14 Kilometern über der Wüste von Utah in die Warteschleife. Als die Stardust-Kapsel um 1:56 Uhr in einer Höhe von 135 Kilometern auf die Erdatmosphäre traf und die „heiße Phase“ begann, war das Flugzeug dank der hervorragenden Pilotenleistung in optimaler Beobachtungsposition.

  Spektrum des Kapsellichts beim Wiedereintritt  
Spektrum des Kapsellichts beim Wiedereintritt in Vergrößerung. (Foto: IRS)

90 Sekunden, die zählen

Mit dem pünktlichen Eindringen der Stardust–Kapsel in die Erdatmosphäre bildete sich vor ihr augenblicklich ein heißes ionisiertes Gasgemisch, das so genannte Plasma. In den nächsten 90 Sekunden kam es drauf an: Georg Herdrich und Michael Winter interessierten sich vor allem für das ultraviolette Licht, das dieses Plasma ausgesandt hat. Mit Hilfe eines Spektrometers, das die UV-Strahlung - ähnlich wie ein Prisma - in seine verschiedenen Farben zerlegt, und einer hoch auflösenden Kamera konnten die beiden Ingenieure die genaue Farbverteilung dieses Lichtes und seine Änderung während der Eintrittsphase festhalten. „Einmalig!“, schwärmte Michael Winter, „endlich mal raus aus dem Labor und am echten Objekt messen! Gewöhnlich müssen wir solche Situationen im Versuch nachstellen und das gelingt natürlich immer nur teilweise.“

  Parallel konnte Franziska Harms mit ihrem Instrumentenaufbau ein echtes Bild der Kapsel sowie gleichzeitig die Farbverteilung ihrer Strahlung vom ultravioletten bis hin zum nahen infraroten Licht einfangen. Für Michael Winter und Georg Herdrich war die Beteiligung an der Mission schon jetzt ein voller Erfolg: Mit den gewonnenen Daten können sie nun endlich die chemischen und physikalischen Prozesse untersuchen, die sich bei ihrem Wiedereintritt an der Stardust-Kapsel ereignet haben.

  Teilchen, die im Versuch mit hoher Geschwindigkeit in das Aerogel eintreffen und karottenförmige Pfade hinterlassen  

Teilchen, die im Versuch mit hoher Geschwindigkeit in das Aerogel eintreffen und karottenförmige Pfade hinterlassen.     (Foto: IRS)

Vom Labor in die Realität

Während die Hauptaufgabe von Stardust darin bestand, Staub des Kometen Wild-2 einzufangen und zur Erde zurückzubringen, war für die Ingenieure der Luft- und Raumfahrt die unversehrte Rückkehr der Kapsel eine einmalige Möglichkeit, den Wiedereintritt eines künstlichen Objektes in der Realität genauestens zu studieren.

 Als die NASA im August 2005 bei Prof. Monika Auweter-Kurtz anklopfte, um sie für die Mission „Wiedereintritt der Stardust–Kapsel“ zu gewinnen, zögerten die Leiterin der Abteilung Raumtransporttechnologie am IRS und ihre Arbeitsgruppe keinen Augenblick. „Diese bislang einzigartige Gelegenheit, den schnellsten Wiedereintritt eines künstlichen Objektes vor Ort zu beobachten, wollten wir uns nicht entgehen lassen“, erinnert sich Georg Herdrich.

 Aus den beim Wiedereintritt der Stardust-Kapsel gewonnenen Daten können die Forscher nun wichtige Informationen über die chemischen und thermodynamischen Prozesse gewinnen, der die Kapsel innerhalb der 120 Sekunden der extrem heißen Phase ausgesetzt war: Wie heiß wird der Hitzeschutzmantel wirklich? Wieviel Wärme wird in welcher Zeit vom Plasma auf die Kapsel übertragen? In welchem Umfang wird das Material des Hitzeschutzmantels dabei letztendlich abgetragen? Wie stark ist die dadurch erzielte Kühlung der Kapsel?

 Die Antworten auf diese Fragen sind für die Arbeitsgruppe von größter Bedeutung: Im Rahmen des von der ESA geplanten Projekts ExoMars sind die Wissenschaftler an der Entwicklung einer geeigneten Sonde beteiligt, die sicher vom Mars zurückkehren und Gesteine unseres Nachbarplaneten mitbringen soll. Hierzu führt die Arbeitsgruppe unter anderem Simulationen zum Wiedereintritt in die Erdatmosphäre durch. Mit Hilfe der aktuellen Daten von der Rückkehr der Stardust-Kapsel können diese Verfahren überprüft und entscheidend weiterentwickelt werden. Eine solche Mission versetzt Wissenschaftler schon heute ins Schwärmen: Erstmals könnte Marsgestein mit den modernsten technologischen Mitteln vor Ort und immer wieder neu untersucht werden.

Dörte Mehlert/amg

 
   

 

KONTAKT

                                                                  

Prof. Monika Auweter-Kurtz
Institut für Raumfahrtsysteme
Abt. Raumtransporttechnologie
Tel. 0711/685-62378
Fax 0711/685-67527
e-mail: auweter@irs.uni-stuttgart.de

 

 

 

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