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Deutsch-Italienisches Symposion am IZKT > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > > >
 
Mediendemokratie à la Berlusconi

Als Silvio Berlusconi im Frühjahr 1994 die Parlamentswahlen gewann, sahen Beobachter eine Gefahr für die Demokratie in Italien. Die Kritik galt nicht so sehr der inhaltlichen Politik Berlusconis, sondern vielmehr der möglichen Einschränkung des Pluralismus durch die Konzentration und die geschickte Nutzung von medialer und wirtschaftlicher Macht in der Ausübung seines politischen Amtes. Ausgehend von der medienpolitischen Entwicklung Italiens in den letzten zehn Jahren untersuchte im Juni 2005 ein zweitägiges, interdisziplinäres Symposion des Internationalen Zentrums für Kultur- und Technikforschung (IZKT) die historischen Bezüge zwischen Politik und Massenmedien und die Besonderheiten der politischen Kultur Italiens.

Politik ist für viele nur das, was in den Medien stattfindet. Es scheint, als verlagerte sich die politische Handlung vom Parlament in mediale Räume und als würde Politik mehr und mehr „inszeniert“, erläuterte der geschäftsführende Direktor des IZKT, Prof. Georg Maag, bei der Eröffnung. Dass sich diese Tendenz exemplarisch an der aktuellen mediendemokratischen Entwicklung Italiens nachzeichnen lässt, zeigt der so genannte „Berlusconismus“. Eine ausgeklügelte Selbstinszenierung, Fernsehpopulismus und der Einsatz von Demoskopie können durchaus zum Erfolg führen. Aber inwiefern birgt die Konzentration von medialer und politischer Macht in einer Person Gefahren für die Demokratie? Diese Frage diskutierten hochkarätige italienische und deutsche Wissenschaftler bei dem Symposion.

Vergangenheit und Gegenwart

„Sich mit der gegenwärtigen Situation der Mediendemokratie in Italien auseinanderzusetzen, bedeutet, sich mit ihrer Geschichte zu beschäftigen”, unterstrich Irene Chytraeus-Auerbach (Siena) in ihrer Einführung. „Die Mediendemokratie Italiens ist nicht auschließlich das Resultat der politischen Ambitionen Silvio Berlusconis, sondern vielmehr das Ergebnis eines zum Teil problematischen historischen Entwicklungsprozesses”. Hierzu wurden die Beziehungen zwischen Politik und Medien vom I. Weltkrieg bis zur aktuellen Situation analysiert. Die politische Auseinandersetzung war - vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert - durch die Präsenz starker Spannungen geprägt, die darauf ausgerichtet waren, die eigenen Positionen zu verabsolutieren und den politischen Gegner zu demontieren, erklärte Angelo Ventrone (Macerata). „Diese Tendenz wurde im faschistischen Regime durch die Kontrolle der Presse institutionalisiert” (Jens Petersen, Buchholz), während „die so genannte Erste Republik (1945 -1990) durch die Entwicklung der Fernsehdemokratie maßgeblich charakterisiert wurde” (Edoardo Novelli, Siena).

  Wie kaum ein anderer hat es Berlusconi verstanden, seine politische Stellung zum Ausbau seines Medienimperiums zu nutzen  

Wie kaum ein anderer hat es Berlusconi verstanden, seine politische Stellung zum Ausbau seines Medien-imperiums zu nutzen. (Zeichnung: Oliver Weiss)

Ende der Parteiendemokratie?

Die Krise, in der sich die traditionelle Parteiendemokratie Italiens seit Anfang der 90-er Jahre befindet, ist nicht allein auf den Druck oder auf die Kolonisierung durch das Mediensystem Berlusconis zurückzuführen, unterstrich der Politikwissenschaftler und Herausgeber der italienischen Zeitung „La Repubblica“, Prof. Gian-Enrico Rusconi, in seinem Abendvortrag „Quale berlusconismo dopo Berlusconi?“ in der Stadtbücherei Stuttgart. „Mit Berlusconi kam es zum größten Wechsel der politischen Klasse seit 1945/1948”, aber „dieser Wechsel wurde aufgrund einer strukturellen Krise des parteipolitischen Systems möglich, das dem Phänomen Berlusconi voran gegangen war und es begünstigt hatte”. Den komplexen Zusammenhang zwischen dem Zusammenbruch des „alten” politischen System und dem politischen Erfolg Berlusconis hatte der Historiker Nicola Tranfaglia herausgearbeitet, während Rusconi eine detaillierte Analyse des politischen Phänomens Berlusconi innerhalb des italienischen Mediensystem lieferte. Aus den Besonderheiten der italienischen Politik und ihrer Beziehung zu den Medien lässt sich nicht schließen, dass die Mediendemokratie die Parteiendemokratie ersetzt hätte. Der Berlusconismus erscheint eher als Ausdruck einer alten Parteiendemokratie im neuen Stil, der zwar eine Einschränkung des Pluralismus bedeutet, aber - zumindest bis zum heutigen Tage - nicht zu einer Demontage der Demokratie geführt hat.                            Barbara Garzia-Jansen

 

 

 

 

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