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Ernst Barlachs „Lesende Mönche“

Der 1870 geborene Ernst Barlach ist einer der ersten Vertreter der Plastik des deutschen Expressionismus. Aus den Eindrücken einer Russlandreise im Jahr 1906, bei der er auf Menschen traf, deren Ursprünglichkeit, Schwermut und Ernst ihn überwältigten, entwickelte er eine eigene Formensprache. Physiognomien verallgemeinert er, Körper hüllt er in Umhänge und Tücher, die ein geometrisches Formenspiel entfalten. In der Uni-Bibliothek Stadtmitte ist seine Plastik „Lesende Mönche“ zu finden.

Nach wenigen Jahren des künstlerischen Erfolgs in den zwanziger Jahren begann für Barlach, der auch Schriftsteller war, schon vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 ein Kampf um seine Werke. Vor allem seine wenig heroischen Denkmalentwürfe konnten in der militarisierten, nationalistischen Öffentlichkeit nach dem Ersten Weltkrieg nicht bestehen. Schon seit 1929 hatte er mit Verleumdungskampagnen rechter Kreise zu kämpfen. Obwohl seine Werke bis 1936 noch in Ausstellungen zu sehen waren, traf ihn der Bann der nationalsozialistischen Kunstpolitik im folgenden Jahr mit Macht. Seine Arbeiten wurden in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt, er bekam Ausstellungsverbot und 1937 waren alle seine Werke aus dem Deutschen Museen entfernt. Man zwang ihn zum Austritt aus der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Doch Barlach emigrierte nicht, sondern lebte zurückgezogen vor den Toren Güstrows, wo er am 24. Oktober 1938 starb.

Geschlossene Zweiergruppe

 
Die 58 Zentimeter hohe Bronzeplastik „Lesende Mönche III“ schuf Barlach 1932, dem Zeitpunkt der beginnenden Isolation unter dem Nationalsozialismus. Darin greift er ältere Motive seines Werkes - lesende, ruhende, versunkene Menschen - auf und führt sie zu einer geschlossenen Zweiergruppe. Zwei in ein Buch vertiefte Mönche sitzen dicht beisammen auf einer Bank. Ihre gemeinsame Lektüre drückt sich in den zu einer Form verschmolzenen Körper aus. Feine Unterschiede zwischen ihnen offenbaren sich erst auf den zweiten Blick: Während der Jüngere links mit seiner rechten Hand das Buch an der oberen Ecke hält, deutet sich unter der konzentrierten Miene lebhafte Teilnahme am Gelesenen an. Der ältere, etwas kleinere rechts hat dagegen beide Hände in den Schoß gelegt und scheint ganz in sich versunken. Unter den gefalteten Händen des Älteren wölben sich rundliche Falten. Seine Kutte endet in einem geraden Saum über beiden Schuhspitzen. Beim Linken dagegen fällt das Gewand am Oberkörper straffer, der Saum tanzt lebhafter über den Schuh hinab, um an der Seite in fast gotischer Manier sich aufzuwerfen und einzurollen Das dicke, schwere Buch, einzige eckige Form im Mittelpunkt, springt ins Auge. Es bildet auch formal die Brücke zwischen den Lesenden: In ihre Arme, den Faltenwurf und ihre geneigten Köpfe schreibt Barlach eine Kreisform ein, die über dem Sockel der Knie schwebt. Die bronzene Oberfläche der Figuren fängt das Licht vor allem in dieser Kreisform.

Abgeschlossen gegen die Außenwelt

Trotz der feinen Ausarbeitung der Gesichter geht es dem Künstler nicht um eine individuelle Darstellung, sondern die Figuren werden zu Symbolen des Menschen, des Menschlichen. Das Thema dieser Figuren ist das Abgeschlossensein gegen die Außenwelt und die gemeinsame Eingeschlossenheit in die geistige Welt der Lektüre. Die zu einer Einheit verschmolzenen Figuren schirmen mit ihren verhüllten Rücken, die zu einem wehrhaften Schutzschild werden, alles Störende der Welt ab und sind aufgehoben in den Gedanken ihrer gemeinsamen Lektüre.                                                           Kathrin Sterba/Bärbel Küster

 

  

 
 


 

 

last change: 08.01.06 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart