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Jürgen Joedicke 80

  Jürgen Joedicke  

Jürgen Joedicke

Jürgen Joedicke, der am 26. Juni seinen 80. Geburtstag feierte, hat stets versucht, sich für eine „humane Architektur“ stark zu machen. Im Zentrum seiner Arbeit stehen daher nicht nur historische Vorläufer und deren Relevanz für das heutige Bauen, sondern auch die Frage nach einem „Architekturraum als auf den Menschen bezogenen Erlebnisraum“. Bezeichnend für ihn ist sein hohes Maß an Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Joedicke kennt keine dogmatische Haltung, weder in seiner Beschäftigung mit zeitgenössischer Architektur noch in fachlichen Diskussionen. Im Gegenteil, gerade das offensichtlich Andere ist ihm willkommener Anlass, seine eigene Position kritisch zu hinterfragen. So steht der Name des 1925 in Erfurt geborenen Joedicke nicht nur für eine intensive Beschäftigung mit der klassischen Moderne, sondern auch mit der organischen Architektur – und hier insbesondere mit Hugo Häring. Diese Form zweigleisigen Denkens ist keinesfalls die Regel, für Joedicke hingegen sind diese zwei Seiten charakteristisch für seinen gesamten Lebensweg: Schon 1944 wurde er als Soldat in Italien schwer verletzt und hat dennoch seine Faszination für dieses Land nie verloren. Nach seinem Architekturstudium in Weimar (1946-50) kam er 1951 nach einer dramatischen Flucht aus der DDR an die Technische Hochschule nach Stuttgart, um dort im Fach Tragwerkslehre zu unterrichten. Bereits 1958 wurde Joedicke Dozent für Architekturtheorie und Entwicklungslinien der modernen Architektur und schaffte damit entscheidende Voraussetzungen für eine Erweiterung der bis dahin bekannten Architekturlehre. Von 1967 bis 1993 leitete er in Stuttgart das von ihm gegründete Institut für Grundlagen der modernen Architektur. Auch dabei interessierte ihn neben der Wechselwirkung von Theorie und Praxis die „andere Seite“, das Zusammenspiel von Architekten und Bauingenieuren am Objekt.

   Als Entwurfslehrer erfuhr Joedicke nicht nur durch seine fachliche Kompetenz, sondern auch durch seine Toleranz und menschliche Nähe groß e Wertschätzung bei den Studierenden. Ihnen gab er mit auf den Weg: „Ich werde über vieles berichten, das nicht meine Welt ist. Aber ich meine, man sollte sich ein Gefühl der Hochachtung auch dort bewahren, wo man anderer Meinung ist.“ Joedickes langjährige Tätigkeit als Redakteur bei „Bauen + Wohnen“ (1967-79) sowie zahlreiche Publikationen im In- und Ausland zeugen von seinem Verständnis für den Schulterschluss der Disziplinen und von seiner herausragenden Position für die Entwicklungslinien der modernen Architektur des 20. Jahrhunderts.                                   Gerd de Bruyn

 

 
 

 

last change: 08.01.06 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart