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Bei allen Reden anlässlich der Emeritierung des
Mathematikers Prof. Wolfgang Wendland, zu der im Oktober
2004 die Fakultät für Mathematik und Physik geladen hatte,
klang es durch: Hier wurde ein Brückenbauer verab-schiedet
- ein Brückenbauer zwischen der Mathematik und der
Mathematik in den Natur- und Ingenieurwissen-schaften.
„Der
Altweibersommertag spiegelt den Glanz wider, den Sie der
Fakultät gegeben haben“, sagte Prof. Ulrich Weiß, Dekan der
Fakultät Mathematik und Physik, bei der Begrüßung, und
Prodekan Prof. Richard Dipper bekannte, es sei eigentlich
unvorstellbar, dass sich Wolfgang Wendland emeritieren -
entpflichten - lasse, sei ihm seine Arbeit doch eine
Herzensangelegenheit. Für die Mathematik in Stuttgart sei
Wendland ein außer-ordentlicher
Gewinn. Der immer faire, sachbezogene Kollege habe die
Mathematik entscheidend mitgeprägt, er habe ihr Profil
gegeben und mit Forschungsprojekten und Drittmitteln zu
ihrem Ansehen nach außen beigetragen, so Dipper.
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Wolfgang Wendland. (Foto: Eppler) |
Der Brückenbauer zwischen der
Mathematik und der Ma-thematik in den Natur- und
Ingenieurwissenschaften wurde am 20. September 1936 in Posen
geboren - ein Sonntags-kind - hatte Prof. Gerhard Bruhn,
einstiger Kollege aus Darmstadt, ausgerechnet, der Wielands
„Wirken in Berlin und Darmstadt“ nachzeichnete. „Seine
politische Über-zeugung kam nicht klar zum Ausdruck“, dieser
Zusatz im Abiturzeugnis verwehrte Wolfgang Wieland ein
Studium an der TH Dresden und führte ihn nach Berlin, wo er
zunächst Maschinenbau studierte. 1958 erfolgte jedoch durch
Vorle-sungen von Prof. Wolfgang Haack „die Bekehrung zur
Mat-hematik“. 1965 promovierte Wendland an der TU Berlin,
1969 folgte die Habilitation und 1970 der Ruf an die TH
Darmstadt.
Seit 1986 hat Wolfgang Wendland den
Lehrstuhl für Angewandte Mathematik an der Universität
Stuttgart inne, wo er unter anderem auch als Sprecher des
DFG-Schwerpunkts Randelementmethoden, als Dekan und Prodekan
der früheren Fakultät Mathematik, als Sprecher des
Sonderforschungsbereichs Mehrfeldprobleme und als
Geschäfts-führender Direktor des Instituts für Angewandte
Analysis und Numerische Simulation wirkte. „Wir waren alle
Ein-zelkämpfer“, erinnerte sich sein Kollege Prof. Kurt
Kirchgässner. Wendland gelang es, Tüftler und Einzelpersonen
zu versammeln. „Er hat die Mathematik und die
Ingenieurwissenschaften zu einem großen Unternehmen
zusa-mmengebracht“, sagte Kirchgässner, und alle
Drittmittelprojekte, an denen er beteiligt war, wurden -
auch in der Zeit des Sparens - immer über die maximale
Laufzeit gefördert.
Der Sprecher des
Sonderforschungsbereichs Mehrfeldprobleme in der
Kontinuumsmechanik, Prof. Alexander Mielke, betonte, dass
der von 1985 bis 2006 laufende SFB „auf Wendlands Schultern“
ruhe; dieser werde das Projekt auch die verbleibende Zeit
begleiten.
„Professor Wendland hat es immer
gut verstanden, die Leute zum Arbeiten zu bringen, man
konnte aber auch sicher sein, wissenschaftliches Arbeiten zu
erlernen“, erinnerte sich Prof. Martin Costabel von der
Universität Rennes, der anhand eines
„Doktorvater-Stammbaumes“ die Linie von Wolfgang Wendland
bis hin zu Gauß und Pfaff verfolgte. Fast übermenschlichen
Fleiß bescheinigte Costabel dem Mathematikprofessor, denn:
„Hinsichtlich der Randelementmethoden gibt es keine weißen
Flecken mehr. Offene Fragen - ja, aber das Gebiet ist jetzt
wirklich abgerundet, erwachsen geworden, ist im besten Sinne
anwendbar.“
„Es ist etwas viel über mich
geredet worden“, befand ein sichtlich gerührter Wolfgang
Wendland, bevor er sich seiner „Lebensgefährtin Mathematik“
zuwandte. Athene, die Schöne, stehe für die Mathematik. Mit
ihr sei er erstmals in der Schule in Form des Satzes des
Pythagoras in Berührung gekommen. Dann die Vorlesungen bei
Professor Haacke in Mathematik - „es war einfach zu schön“ -
schwärmt der Emeritus noch heute, und kam dann zur zweiten
Begegnung mit „der Schönen“: die „Komplexe Funktionstheorie
mit Fredholm-Operationen“ - „ich bin fasziniert davon“ - und
meromorphe Funktionen - „diese wunderschöne Seite der
Mathematik hat mich bis heute nicht in Ruhe gelassen“. Aber
auch ärgern kann sich Wolfgang Wendland, besonders über den
geringen Stellenwert, den die Mathematik derzeit hat, obwohl
„unsere Zeit von der Mathematik durchdrungen ist“. „Ein
Glück, dass zu meiner Zeit die Mathematik noch gefragt war“,
konnte der Emeritus da nur resümieren.
Julia Alber
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