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Stuttgarter unikurier Nr. 95 Mai 2005
Von der Mathematik bis zu den Ingenieurwissenschaften:
„Brückenbauer“ Wolfgang Wendland verabschiedet
 
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Bei allen Reden anlässlich der Emeritierung des Mathematikers Prof. Wolfgang Wendland, zu der im Oktober 2004 die Fakultät für Mathematik und Physik geladen hatte, klang es durch: Hier wurde ein Brückenbauer verab-schiedet - ein Brückenbauer zwischen der Mathematik und der Mathematik in den Natur- und Ingenieurwissen-schaften.

 „Der Altweibersommertag spiegelt den Glanz wider, den Sie der Fakultät gegeben haben“, sagte Prof. Ulrich Weiß, Dekan der Fakultät Mathematik und Physik, bei der Begrüßung, und Prodekan Prof. Richard Dipper bekannte, es sei eigentlich unvorstellbar, dass sich Wolfgang Wendland emeritieren - entpflichten - lasse, sei ihm seine Arbeit doch eine Herzensangelegenheit. Für die Mathematik in Stuttgart sei Wendland ein außer-ordentlicher Gewinn. Der immer faire, sachbezogene Kollege habe die Mathematik entscheidend mitgeprägt, er habe ihr Profil gegeben und mit Forschungsprojekten und Drittmitteln zu ihrem Ansehen nach außen beigetragen, so Dipper.

Wolfgang Wendland. (Foto: Eppler)

 Der Brückenbauer zwischen der Mathematik und der Ma-thematik in den Natur- und Ingenieurwissenschaften wurde am 20. September 1936 in Posen geboren - ein Sonntags-kind - hatte Prof. Gerhard Bruhn, einstiger Kollege aus Darmstadt, ausgerechnet, der Wielands „Wirken in Berlin und Darmstadt“ nachzeichnete. „Seine politische Über-zeugung kam nicht klar zum Ausdruck“, dieser Zusatz im Abiturzeugnis verwehrte Wolfgang Wieland ein Studium an der TH Dresden und führte ihn nach Berlin, wo er zunächst Maschinenbau studierte. 1958 erfolgte jedoch durch Vorle-sungen von Prof. Wolfgang Haack „die Bekehrung zur Mat-hematik“. 1965 promovierte Wendland an der TU Berlin, 1969 folgte die Habilitation und 1970 der Ruf an die TH Darmstadt.

 Seit 1986 hat Wolfgang Wendland den Lehrstuhl für Angewandte Mathematik an der Universität Stuttgart inne, wo er unter anderem auch als Sprecher des DFG-Schwerpunkts Randelementmethoden, als Dekan und Prodekan der früheren Fakultät Mathematik, als Sprecher des Sonderforschungsbereichs Mehrfeldprobleme und als Geschäfts-führender Direktor des Instituts für Angewandte Analysis und Numerische Simulation wirkte. „Wir waren alle Ein-zelkämpfer“, erinnerte sich sein Kollege Prof. Kurt Kirchgässner. Wendland gelang es, Tüftler und Einzelpersonen zu versammeln. „Er hat die Mathematik und die Ingenieurwissenschaften zu einem großen Unternehmen zusa-mmengebracht“, sagte Kirchgässner, und alle Drittmittelprojekte, an denen er beteiligt war, wurden - auch in der Zeit des Sparens - immer über die maximale Laufzeit gefördert.

 Der Sprecher des Sonderforschungsbereichs Mehrfeldprobleme in der Kontinuumsmechanik, Prof. Alexander Mielke, betonte, dass der von 1985 bis 2006 laufende SFB „auf Wendlands Schultern“ ruhe; dieser werde das Projekt auch die verbleibende Zeit begleiten.

 „Professor Wendland hat es immer gut verstanden, die Leute zum Arbeiten zu bringen, man konnte aber auch sicher sein, wissenschaftliches Arbeiten zu erlernen“, erinnerte sich Prof. Martin Costabel von der Universität Rennes, der anhand eines „Doktorvater-Stammbaumes“ die Linie von Wolfgang Wendland bis hin zu Gauß und Pfaff verfolgte. Fast übermenschlichen Fleiß bescheinigte Costabel dem Mathematikprofessor, denn: „Hinsichtlich der Randelementmethoden gibt es keine weißen Flecken mehr. Offene Fragen - ja, aber das Gebiet ist jetzt wirklich abgerundet, erwachsen geworden, ist im besten Sinne anwendbar.“

 „Es ist etwas viel über mich geredet worden“, befand ein sichtlich gerührter Wolfgang Wendland, bevor er sich seiner „Lebensgefährtin Mathematik“ zuwandte. Athene, die Schöne, stehe für die Mathematik. Mit ihr sei er erstmals in der Schule in Form des Satzes des Pythagoras in Berührung gekommen. Dann die Vorlesungen bei Professor Haacke in Mathematik - „es war einfach zu schön“ - schwärmt der Emeritus noch heute, und kam dann zur zweiten Begegnung mit „der Schönen“: die „Komplexe Funktionstheorie mit Fredholm-Operationen“ - „ich bin fasziniert davon“ - und meromorphe Funktionen - „diese wunderschöne Seite der Mathematik hat mich bis heute nicht in Ruhe gelassen“. Aber auch ärgern kann sich Wolfgang Wendland, besonders über den geringen Stellenwert, den die Mathematik derzeit hat, obwohl „unsere Zeit von der Mathematik durchdrungen ist“. „Ein Glück, dass zu meiner Zeit die Mathematik noch gefragt war“, konnte der Emeritus da nur resümieren.

Julia Alber

 

 

 


last change: 08.06.05 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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