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Stuttgarter unikurier Nr. 95 Mai 2005
Lebenszyklusanalysen schaffen Klarheit:
Wie soll der Strom erzeugt werden?

Prognosen gehen von einer kontinuierlich wachsenden Nachfrage nach elektrischer Energie (Strom) aus. Zusammen mit dem altersbedingten Ersatz von Kraftwerken benötigen die deutschen Stromerzeuger danach bis zum Jahr 2020 mehr als 40 Gigawatt zusätzlicher Kraftwerkskapazitäten. Angesichts dieses anstehenden Neubaubedarfs von Kraftwerken stellt sich die Frage, welche Techniken dabei für die Stromerzeugung in der Zukunft zum Einsatz kommen sollen. Wichtige Kriterien für den Einsatz einer Stromerzeugungstechnik sind eine ausreichende Versorgungssicherheit, eine effiziente Ressourcen-nutzung sowie eine möglichst geringe Beeinträchtigung der Umwelt. Mit Hilfe von Lebenszyklusanalysen lassen sich die Auswirkungen der Stromerzeugung auf Klima, Umwelt sowie Ressourcen quantifizieren und vergleichen.
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Vor diesem Hintergrund wurde unter der Federführung des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energie-anwendung der Universität Stuttgart (IER) in Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Stuttgart, dem Lehrstuhl für Energiesysteme und Energiewirtschaft (LEE) der Ruhr-Universität Bochum sowie der Forschungsstelle für Energiewirtschaft in München (FfE) mit finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit (BMWA) eine Studie durchgeführt. Ziel des Vorhabens war es, für ausgewählte Stromerzeug-ungstechniken, die in Deutschland voraussichtlich im Jahr 2010 verfügbar sind, Lebenszyklusanalysen zu erstellen.

 

 

(Quelle: Institut)

Von der „Wiege bis zur Bahre“

Während früher lediglich die unmittelbaren Umweltauswirkungen durch die betriebs-bedingten Emissionen eines Kraftwerks betrachtet wurden, hat sich in den letzten Jahren der Ansatz der Lebenszyklusanaly-se durchgesetzt, bei dem auch Umweltbe-einträchtigungen bei der Herstellung und der Entsorgung mit einbezogen werden.

 Die Analysen von der Energieträger- und Materialbereitstellung über den Anlagenbau, der Nutzung (Stromerzeugung) bis zur Anlagen-Demontage ermöglichen eine detaillierte Beschreibung der gesamten Ressourceninanspruchnahme und der freigesetzten Emissionen einer Technik. Mit diesem ganzheitlichen Ansatz wird es möglich, verschiedene Technologien umfassend zu charakter-isieren.
 


Entwicklungen nutzen

Die Abbildung zeigt beispielhaft Ergebnisse der Lebenszyklusanalyse verschiedener Stromerzeugungstechniken. Beim Einsatz von Erdgas werden um mindestens den Faktor zwei weniger CO2-Emissionen frei als beim Einsatz von Kohle. Die Hauptursache liegt dabei in der grundsätzlich emissionsärmeren Verbrennung des Rohstoffes Erdgas. Bei der Betrachtung der Kohleverstromung weisen fortschrittliche Techniken wie IGCC (Integrated Gasification Combined Cycle) und DWSF (Druckwirbelschichtfeuerung) geringere Emissionen auf. Diese erst in den letzten Jahren verstärkt voran getriebenen Techniken verdeutlichen, dass durch Forschung und Entwicklung auch bei der Kohle weitere Effizienzverbesserungen zu erreichen sind.

 Zusätzliche Emissionsminderungspotentiale sind bis 2010 im Bereich der Bereitstellung fossiler Energieträger zu erwarten, beispielsweise durch die Nutzung von Grubengas beim Kohleabbau sowie die Verringerungen von Leck-agen im Erdgas-Pipelinesystem.

 Ausgehend vom Ressourcenverbrauch und den freigesetzten Emissionen ermittelt die Studie, wie stark jede Strom-erzeugungstechnik während ihres gesamten Lebenszyklus zur Belastung von Klima und Umwelt bzw. zur Ressour-ceninanspruchnahme beiträgt. Dabei werden die Aspekte Treibhausproblematik, Versauerung, Eutrophierung sowie Ressourcenverbrauch untersucht. Ein Vergleich der Techniken zeigt, dass die regenerative Stromerzeugung deutlich weniger Emissionen freisetzt, die zum Treibhauseffekt und zur Versauerung beitragen, als die Verstromung fossiler Energieträger. Dies ist jedoch häufig mit einem höheren Ressourcenverbrauch verbunden. Auffällig sind jedoch biogen gefeuerte Techniken, die Versauerungspotentiale auf dem Niveau von kohlebasierten Stromerzeugungs-techniken aufweisen. 

 

Bis zum Jahr 2020 werden mehr als 40 Gigawatt zusätzliche Kraftwerkskapazität gebraucht. (Quelle: Informationszentrale der Elektrizitätswirtschaft)

Kein Königsweg

Die Einbeziehung aller Lebensphasen bei der Betrachtung von Stromerzeugungstechniken zeigt, dass es kein emission-sfreies System für die Stromerzeugung gibt. Selbst Technik-en, die während der Stromerzeugungsphase keine nennens-werten Schadstoffe in die Luft abgeben (beispielsweise bei Windkraftanlagen oder Photovoltaik-Modulen), weisen bei Rohstoffabbau und -aufbereitung sowie bei Produktion und Abbau der Energieanlagen Emissionen auf.

 Der Abschlussbericht zu dem Vorhaben ist im VDI Verlag, Düsseldorf, unter dem Titel „Lebenszyklusanalysen ausge-wählter zukünftiger Stromerzeugungstechniken“ (ISBN 3-931384-50-0) veröffentlicht.

 

Kontakt

Dr.-Ing. Markus Blesl
Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung
Tel. 0711/78061-35
Fax 0711/780-3953
e-mail: mb@ier.uni-stuttgart.de

 

 


last change: 03.06.05 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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