Beim Festakt waren auch zwei MPA-Mitarbeiter unter den
Musikern eines Blechbläserquartetts. „Weil wir mit
Materialien auch kunstvoll umgehen können“, bemerkte der
geschäftsführende
Direktor Prof. Eberhard Roos. Im Alltag dagegen rücken die
rund 400 MPA-Mitarbeiter der Materie unter Extrembedingungen
zuleibe. Um Verhalten und Lebensdauer von Werkstoffen oder
Bauteilen zu testen, werden Ziegel unter Druck gesetzt und
Glasplatten gerammt, Rohre zum Bersten gebracht und
Schweißverbindungen gesprengt.
„Es gibt keinen Widerspruch zwischen Theorie und Praxis“,
lautete das Motto Carl von Bachs, der die MPA 1884 gründete.
Damals war dies eine Weichenstellung, wie die Direktoren
Prof. Roos und Prof. Hans-Wolf Reinhardt in einem Rückblick
verdeutlichten. Schätzten Ingenieure die Praxistauglichkeit
von Bauteilen bis dato nach Erfahrung ab, so begründete Bach
die wissenschaftliche Erforschung von Belastungsfällen. Im
Mittelpunkt standen Dampfmaschinen und
-lokomotiven, später Stahl-Betonelemente für den Brückenbau
und die Beläge der ersten Autobahnen.
Schwierige Integration
1927 teilte sich das Institut: Während der Maschinenbau an
der Staatlichen MPA verblieb, wurde das Bauwesen auf die „Forschungs-
und Materialprüfanstalt für das Bauwesen“ (FMPA), das
spätere Otto-Graf-Institut, übertragen. Erst seit 2003
arbeiten MPA und FMPA wieder unter einem Dach. Die
Reintegration ist kein leichtes
Unterfangen. „Es gilt, die unterschiedlichen Strukturen der
ehemaligen Einzelinstitute zu harmonisieren und an die
Gepflogenheiten der künftigen Forschungsförderung anzupassen“,
skizzierte Roos das Problem, „aber wir sind auf einem guten
Weg.“
Untersucht wird an der MPA, wie sich ein Material im
späteren Bauteil verhält. „Dank der Verknüpfung von
akademischem Wissen und praktischen Problemlösungen, aber
auch von Forschung und Lehre blickt die MPA auf eine
120-jährige Erfolgsgeschichte zurück“, unterstrich Rektor
Prof. Dieter Fritsch. „Das Vermächtnis Carl von Bachs ist
aktueller denn je.“
Veränderte Rahmenbedingungen
Allerdings: Die MPA muss sich
anpassen. „Die Materialprüfung hat sich dramatisch verändert“,
betonte Prof. Roos, „während früher Werkstoffe und einfache
Bauteile unter realen Bedingungen im Großversuch getestet
wurden, erfordert die komplexe Technik moderner Materialien
genaue Kenntnis der Werkstoffgesetze und den Einsatz
leistungsfähiger Rechner. Ohne Simulationen ist die heutige
Materialprüfung nicht möglich.“
Ebenso dramatische Veränderungen
brachte der Ausstieg aus der Kernenergie: Kamen im Bereich
Maschinenbau vor einem Jahrzehnt noch 80 Prozent der
Forschungsaufträge aus dem Bereich Kerntechnik, so sind es
heute keine 20 Prozent mehr. Die Entwicklung erfordert
Flexibilität: „Wenn wir unsere Kompetenz erhalten wollen,
brauchen wir ein Budget für die Kernenergie“, forderte Roos.
Glaubt man Stefan Mappus, stehen
die Chancen dafür nicht gut. Zwar plädierte der Umwelt- und
Verkehrsminister für die Kernenergie. Bei der
Anlagenkontrolle jedoch setzt das Land auf den TÜV als
Generalgutachter. Für Detailfragen sei die MPA dennoch ein
wichtiger Partner: „Mit ihren Forschungsergebnissen trägt
sie entscheidend zur sicheren Nutzung der Kernenergie in
Deutschland bei.“
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Applikation von Dehnungsmessstreifen für
Dehnungsmessungan an einer Rohrrundnaht. |
Erweitertes Portfolio
Die MPA selbst setzt derweil auf
Diversifizierung. Ein Schwerpunkt ist die fossile
Energietechnik. „Wir erforschen das Verhalten neuer
Materialien, mit denen sich höhere Drucke und Temperaturen
realisieren lassen. Dies ermöglicht eine Effizienzsteigerung
in konventionellen Kraftwerken“, sagte Roos. Auch der
Baubereich, der in den vergangenen Jahren konjunkturell
bedingt Federn lassen musste, schaut nach vorne: Jüngst
wurden 700.000 Euro in eine Prüfanlage für den Brandschutz
investiert, die den Feuerwiderstand ganzer Bauteile
ermitteln kann.
Die Fachbeiträge beim Festakt
spiegelten das Portfolio wider. Dr. Werner Zaiss, EnBW
Kernkraft, würdigte die Arbeit der MPA als „Beitrag zur
Sicherheit kerntechnischer Anlagen“. Claude Pugh, ehemaliger
Direktor am Oak Ridge National Laboratory, lenkte den Blick
auf die nukleare Sicherheit in den USA. Prof. Teruo Kishi,
Präsident des japanischen National Institute of Material
Science (NIMS), sprach zur Politik der Nanotechnologie und
Materialforschung in Japan und Prof. Horst Bossenmeyer,
ehemaliger Präsident des Deutschen Instituts für Bautechnik,
über die Rolle der MPA als Partner der Bauaufsicht. Zum
Abschluss referierte der Präsident der Volkswagen AutoUni,
Prof. Walter Zimmerli, über die Wissenswirtschaft in einer
Technologiegesellschaft.
Andrea Mayer-Grenu