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Stuttgarter unikurier Nr. 94 Dezember 2004
Ein Leben lang an praktischen Beispielen lernen:
Lernfest macht Station an der Uni

Ein Leben lang Lernen mit Körper, Geist und allen Sinnen - vom 19. bis 23. Juli setzte das fünfte Stuttgarter Lernfest wieder auf „das Lernen an praktischen Beispielen“. Neben Volkshochschule, kirchlichen Bildungswerken, dem Linden-Museum und der Stadtbücherei lud in diesem Jahr auch die Uni Stuttgart in die Universitätsbibliothek ein, denn nicht nur ihren Studierenden bietet sie attraktive Lernangebote: Alle Lernbegierigen sind zu lebenslangem Lernen eingeladen, zu Weiterbildung, e-Learning oder Studium Generale.
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Die Entwicklung Württembergs skizzierte
Trumpf-Chef Berthold Leibinger.
                                                          (Foto: Eppler)

 

Nach der Begrüßung durch den Prorektor für Lehre und Weiterbildung, Prof. Horst Thomé, zeichnete Universitätsarchivar Dr. Norbert Becker passend zum Jubiläumsjahr die Stationen der Geschichte der Universität nach. Gabriele Schaub von der Koordinierungsstelle für Wissenschaftliche Weiterbildung informierte die Zuhörer über das Weiterbildungskonzept der Universität und Barbara Burr vom Rechenzentrum stellte das e-Learning Angebot der Uni vor. Vor Ort konnte, wer wollte, im Science Truck gleich online gehen.

 

Vom Agrarstaat zur Hightech-Region

Die Entwicklung Württembergs vom armen Agrarstaat zur High-tech-Region skizzierte Prof. Berthold Leibinger, Vorsitzender des Universitätsrates und geschäftsführender Direktor der Trumpf GmbH & Co., im abschließenden Hauptvortrag in der Unibibliothek. Als in England die Industrialisierung 1823 schon in vollem Gange war, begann Leibinger seine Einführung in die Geschichte, wurde die große „Manufaktur Württemberg“ - ein armer Agrarstaat - von Hungersnöten gebeutelt. Sogar die Regierung ging davon aus, das Land könne nicht mehr als 1,7 Millionen Menschen ernähren und unterstützte alle Emigranten. Fast jeder vierte Württemberger wanderte aus. Das Bildungswesen war auf Juristerei, Philosophie und Theologie ausgelegt, konstatierte Berthold Leibinger. Die 1770 von Herzog Karl Eugen gegründete Hohe Karlsschule, die sich erstmals in der Ausbildung auch mit Naturwissenschaften und Technik beschäftigt hatte, war nach seinem Tod 1794 wieder geschlossen worden. Industrie gab es damals so gut wie nicht, die Metallindustrie unternahm erste bescheidene Anfänge.

 

Gute Verbindung zwischen Wirtschaft und Uni

Mit der 1829 gegründeten Verei-nigten Real- und Gewerbeschule, der heutigen Universität Stuttgart, erhielt die wirtschaftliche Entwicklung wieder Unterstützung. „Die Verbindung zwischen Wirtschaft und Universität ist unverändert gut“, betonte Berthold Leibinger, und sprach dabei von der Universität als Herr und Diener zugleich - als Herr, der in Vordenkermanier auch ohne wirtschaftliche Zielsetzung den Dingen nachgehen kann, und als Diener, der konkrete Forschungsaufgaben übernimmt.

 Welche Faktoren begünstigten die wirtschaftliche Entwicklung in Württemberg? Noch 1856 waren 60 Prozent der Bevölkerung in Württemberg in der Landwirtschaft tätig, 30 Prozent in Handwerk und Industrie, 10 Prozent im Handel und Gewerbe. 1861 beschäftigten die gerade mal 38 Maschinenbaubetriebe 1.693 Menschen. Im 18. und 19. Jahrhundert gab es in Württemberg Dichter und Denker in hoher Konzentration: neben Schiller, Mörike, Hegel oder Hauff auch Erfinder und Ingenieure wie Berblinger, Zeppelin, Dornier, Bosch, Daimler, Maybach oder Märklin. Philipp-Matthäus Hahn, der Pfarrer, Pietist und Feinmechaniker, wird gerne „als Kronzeuge herangezogen“, wenn es darum geht, im Pietismus in Württemberg den Ausgang für den ökonomischen Aufschwung zu suchen - was Leibinger in dieser Einseitigkeit aber nicht unterschreiben würde. Nicht nur die Tüchtigkeit, auch glückliche Umstände - so das Fehlen von Bodenschätzen in Württemberg und die Entwicklung hin zu mittelständischen Unternehmen, die im Zweiten Weltkrieg nicht flächendeckend bombardiert wurden - „haben zu dem geführt, was wir heute haben“, resümierte Berthold Leibinger: Das höchste pro Kopf Einkommen, niedrige Arbeitslosenzahlen und eine einzigartige Hochschul- und Wissenschaftslandschaft. Umdenken ist nicht unsere Stärke, weiß der Schwabe Leibinger - aber nur mit Beweglichkeit, Neugier und Wagemut werden wir eine gute Zukunft haben.

Julia Alber/eng

 


 


last change: 18.12.04 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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