Nach der Begrüßung durch den Prorektor für Lehre und
Weiterbildung, Prof. Horst Thomé, zeichnete
Universitätsarchivar Dr. Norbert Becker passend zum
Jubiläumsjahr die Stationen der Geschichte der Universität
nach. Gabriele Schaub von der Koordinierungsstelle für
Wissenschaftliche Weiterbildung informierte die Zuhörer über
das Weiterbildungskonzept der Universität und Barbara Burr
vom Rechenzentrum stellte das e-Learning Angebot der Uni vor.
Vor Ort konnte, wer wollte, im Science Truck gleich online
gehen.
Vom Agrarstaat zur Hightech-Region
Die Entwicklung Württembergs vom armen Agrarstaat zur
High-tech-Region skizzierte Prof. Berthold Leibinger,
Vorsitzender des Universitätsrates und geschäftsführender
Direktor der Trumpf GmbH & Co., im abschließenden
Hauptvortrag in der Unibibliothek. Als in England die
Industrialisierung 1823 schon in vollem Gange war, begann
Leibinger seine Einführung in die Geschichte, wurde die
große „Manufaktur Württemberg“ - ein armer Agrarstaat - von
Hungersnöten gebeutelt. Sogar die Regierung ging davon aus,
das Land könne nicht mehr als 1,7 Millionen Menschen
ernähren und unterstützte alle Emigranten. Fast jeder vierte
Württemberger wanderte aus. Das Bildungswesen war auf
Juristerei, Philosophie und Theologie ausgelegt,
konstatierte Berthold Leibinger. Die 1770 von Herzog Karl
Eugen gegründete Hohe Karlsschule, die sich erstmals in der
Ausbildung auch mit Naturwissenschaften und Technik
beschäftigt hatte, war nach seinem Tod 1794 wieder
geschlossen worden. Industrie gab es damals so gut wie nicht,
die Metallindustrie unternahm erste bescheidene Anfänge.
Gute Verbindung zwischen Wirtschaft und Uni
Mit der 1829 gegründeten Verei-nigten Real- und
Gewerbeschule, der heutigen Universität Stuttgart, erhielt
die wirtschaftliche Entwicklung wieder Unterstützung. „Die
Verbindung zwischen Wirtschaft und Universität ist
unverändert gut“, betonte Berthold Leibinger, und sprach
dabei von der Universität als Herr und Diener zugleich - als
Herr, der in Vordenkermanier auch ohne wirtschaftliche
Zielsetzung den Dingen nachgehen kann, und als Diener, der
konkrete Forschungsaufgaben übernimmt.
Welche Faktoren begünstigten die wirtschaftliche
Entwicklung in Württemberg? Noch 1856 waren 60 Prozent der
Bevölkerung in Württemberg in der Landwirtschaft tätig, 30
Prozent in Handwerk und Industrie, 10 Prozent im Handel und
Gewerbe. 1861 beschäftigten die gerade mal 38
Maschinenbaubetriebe 1.693 Menschen. Im 18. und 19.
Jahrhundert gab es in Württemberg Dichter und Denker in
hoher Konzentration: neben Schiller, Mörike, Hegel oder
Hauff auch Erfinder und Ingenieure wie Berblinger, Zeppelin,
Dornier, Bosch, Daimler, Maybach oder Märklin.
Philipp-Matthäus Hahn, der Pfarrer, Pietist und
Feinmechaniker, wird gerne „als Kronzeuge herangezogen“,
wenn es darum geht, im Pietismus in Württemberg den Ausgang
für den ökonomischen Aufschwung zu suchen - was Leibinger in
dieser Einseitigkeit aber nicht unterschreiben würde. Nicht
nur die Tüchtigkeit, auch glückliche Umstände - so das
Fehlen von Bodenschätzen in Württemberg und die Entwicklung
hin zu mittelständischen Unternehmen, die im Zweiten
Weltkrieg nicht flächendeckend bombardiert wurden - „haben
zu dem geführt, was wir heute haben“, resümierte Berthold
Leibinger: Das höchste pro Kopf Einkommen, niedrige
Arbeitslosenzahlen und eine einzigartige Hochschul- und
Wissenschaftslandschaft. Umdenken ist nicht unsere Stärke,
weiß der Schwabe Leibinger - aber nur mit Beweglichkeit,
Neugier und Wagemut werden wir eine gute Zukunft haben.
Julia Alber/eng