Hupperts gehört zu den ersten Absolventen des
interdisziplinären, zweisprachigen Studiengangs, der 1998
unter dem Dach der Deutsch-Französischen Hochschule startete
und die Fächer Politikwissenschaft, Soziologie und
Volkswirtschaftslehre umfasst. Die Studierenden verbringen
das erste und dritte Studienjahr an der Grande Ecole
Institut détudes politiques (IEP) in Bordeaux und das
zweite und vierte Studienjahr am Institut für
Sozialwissen-schaften der Uni. 95 Studierende sind zur Zeit
(Stand 25.10.04) eingeschrieben.
„Die FIFA bot mir die Möglichkeit, ein echtes
Studium in Frankreich zu absolvieren, ohne auf einen
akademischen Abschluss in Deutschland verzichten zu müssen“,
beschreibt Cornelius Huppertz seine Erwartungen zu Beginn
des Studiums. „Zudem versprach die Reputation einer Grande
Ecole eine Topausbildung. Dadurch durfte ich hoffen, den
Arbeitsplatz zu bekommen, den ich möchte.“
Erwartungen mehr als erfüllt
Die hohen Erwartungen an ein bis dahin unerprobtes
Studienprogramm wurden mehr als erfüllt, resümiert der
26-Jährige heute. Allerdings war der Mehraufwand gegenüber
einem konventionellen Studium gewaltig. Schon die fremde
Sprache erwies sich anfangs als harte Nuss. „Selbst mit
gutem Leistungskursfranzösisch braucht man einige Zeit, um
den Vorlesungen folgen und problemlos vierstündige Klausuren
schreiben zu können.“ Mehraufwand entsteht auch durch den
jährlichen Umzug zwischen Bordeaux und Stuttgart, der
straffe Organisation erfordert. „Das Vordiplom in
Deutschland mussten wir in zwei Semestern bewältigen, weil
wir das Jahr davor in Frankreich waren“, sagt Huppertz's
Kommilitonin Caltoumi Imorou, „und im dritten Studienjahr in
Bordeaux mussten wir die ganzen Inhalte des verpassten
zweiten Jahres nachholen.“ „Das FIFA-Studium kann man nur
ganz oder gar nicht machen“, lautet denn auch das Fazit der
beiden.
Prof. Oscar Gabriel hält den jährlichen Wechsel
dennoch für den richtigen Weg. „Dadurch lernen die
Studierenden jede Studienphase in jedem Land kennen“, sagt
der Leiter der Abteilung Politische Systeme und Politische
Soziologie am Institut für Sozialwissenschaften. Zudem
bleiben die „Doppeldiplomler“ so über alle Studienjahre
hinweg zusammen. Das stärke die Teamfähigkeit.
Konträre Systeme ergänzen sich
Probleme räumt jedoch auch Gabriel ein. So müssen sich
die Studierenden auf zwei völlig konträre Uni-Systeme
einstellen. Im Gegensatz zu den deutschen Universitäten
ähneln die Grandes Ecoles eher einer Schule mit festen
Klassen und ausgeprägter Leistungsorientierung. Statt
wissenschaftlicher Details wird breites,
fächerüber-greifendes Überblickwissen vermittelt. Für
Deutsche ist das gewöhnungsbedürftig. Zudem müssen Studenten
in Frankreich ihr Wissen gut verkaufen. „In Klausuren
sollten wir einen geschliffenen Essay liefern, der einen
Themenkreis in vielen Facetten und Zusammenhängen
ausleuchtet“, sagt Cornelius Huppertz.
In Deutschland dagegen habe man eher die
Möglichkeit, sich in einem Wissenschaftsbereich zu
spezialisieren, meint Caltoumi Imorou. „Das
multidisziplinäre Studium im IEP und die sehr auf
Wissenschaft orientierten Lehreinheiten der Universität
Stuttgart haben sich gut ergänzt.“ Auch für die junge
Französin, die inzwischen bei der UNESCO beschäftigt ist,
war das Doppeldiplom ein voller Erfolg. „Wir haben die
Möglichkeit, sowohl in Frankreich als auch in Deutschland
Arbeit zu finden und in beiden Ländern ohne Integrations-,
Sprach- oder Kenntnisprobleme zu leben.“
Allerdings sei das Programm bei Arbeitgebern noch
wenig bekannt, bemängelt Cornelius Huppertz. „Man hat zwar
eine überdurchschnittliche Ausbildung genossen, aber es ist
nicht ganz einfach, das zu vermitteln.“ Prof. Gabriel ist
jedoch sicher, dass sich die Vorzüge des Doppeldiploms
herumsprechen werden und mahnt zur Geduld. Ein beachtlicher
Teil der Absolventen habe schon vor der Übergabe der Diplome
einen Job gehabt, „und die Stellen sind durchweg von sehr
hohem Niveau.“
Andrea Mayer-Grenu
Informationen unter
www.uni-stuttgart.de/interessierte/studium/angebot/studiengaenge/sozialwiss_dt-franz.html