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Stuttgarter unikurier Nr. 94 Dezember 2004
Herausragender Kenner des Nationalsozialismus:
 
 
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Eberhard Jäckel 75
 

Die Deutschen kommen von Hitler nicht los. Was sie über Hitler wissen, das verdanken sie zu einem großen Teil Eberhard Jäckel. Am 29. Juni 2004 vollendete der emeritierte Ordinarius sein 75. Lebensjahr.
 

 
  Eberhard Jäckel

 „Hitlers Weltanschauung“, so hieß Jäckels bahnbrechendes Buch aus dem Jahr 1969. Darin arbeitete Jäckel erstmals heraus, dass Hitler eine zwar krude, aber in sich geschlossene Weltanschauung besaß. Vor allem hatte er zwei Ziele: den Gewinn von „Lebensraum im Osten“ und die „Entfernung der Juden in Europa“. Diese Ziele hatte er früh formuliert, und diese Ziele verlor Hitler nie aus dem Auge. Mit diesen Thesen wurde Jäckel zu einem der prominentesten Vertreter der Forschungs-richtung, die man die „intentionalistische Schule“ nannte und die Hitler ganz im Zentrum der Entscheidungsprozesse des „Dritten Reiches“ sah. Die jüngere Forschung hat Jäckels Ansatz nachdrücklich bestätigt und lässt keinen Zweifel mehr an der zentralen Rolle Hitlers innerhalb des nationalsozialistischen Herrschaftssystems.

 Nicht nur hier hat Jäckel als Pionier gewirkt. Indem er von Anfang an immer wieder auf die zentrale Bedeutung der „Entfernung der Juden“ für Hitler hinwies, hat Jäckel auch der Holocaust-Forschung nachhaltig den Weg gewiesen. Noch heute gilt die Publikation zum „Mord an den Juden im Zweiten Weltkrieg“, die aus einem großen internationalen Kongress hervorgegangen ist, den Jäckel 1985 in Stuttgart veranstaltet hat, als Standardwerk der Forschung. Vor allem hat von hier aus eine Forschung ihren Weg genommen, die in den vergangenen zwanzig Jahren ein außergewöhnliches Maß an Wissen über den Judenmord, diese zentrale Katastrophe der deutschen und europäischen Geschichte im 20. Jahrhundert, erarbeitet hat. Jäckel hat daran, als einer der international herausragenden Kenner der national-sozialistischen Herrschaft, entscheidenden Anteil.

 Dass dieses Wissen unterdessen nicht auf gelehrte Fachkreise beschränkt blieb, das ist ein weiteres wesentliches Anliegen Eberhard Jäckels gewesen. Zusammen mit Lea Rosh drehte er die viel gesehene vierteilige Fernsehdokumentation „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“. Überhaupt suchte Jäckel stets den Weg in die Öffentlichkeit, den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft - und er wurde mit seiner Gabe zur klaren Formulierung auch immer gern gehört. Solches Engagement hat er immer auch als Bürgerpflicht verstanden, wie er überhaupt stets darauf achtete, sich als Staatsbürger in politische Debatten einzubringen.

 Er hat daher die Bürgerinitiative zur Errichtung eines Mahnmals für die ermordeten Juden Europas mit seinem wissenschaftlichen Urteil intensiv begleitet und beträchtlichen Anteil daran besessen, dass der Deutsche Bundestag sich dieses Projekt parteiübergreifend zu Eigen machte. Bei alledem ist er sich immer treu geblieben - ein unverwechselbarer „gentleman“-Gelehrter, der die Universität als Stätte der Erkenntnis und der Bildung begreift und deswegen auch zur internationalen Reputation der Universität Stuttgart beigetragen hat.

Wolfram Pyta
 

 

 


last change: 22.12.04 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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