Eberhard Jäckel 75
Die Deutschen kommen von Hitler nicht los. Was sie über
Hitler wissen, das verdanken sie zu einem großen Teil
Eberhard Jäckel. Am 29. Juni 2004 vollendete der emeritierte
Ordinarius sein 75. Lebensjahr.
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Eberhard Jäckel |
„Hitlers Weltanschauung“, so hieß Jäckels
bahnbrechendes Buch aus dem Jahr 1969. Darin arbeitete
Jäckel erstmals heraus, dass Hitler eine zwar krude, aber in
sich geschlossene Weltanschauung besaß. Vor allem hatte er
zwei Ziele: den Gewinn von „Lebensraum im Osten“ und die
„Entfernung der Juden in Europa“. Diese Ziele hatte er früh
formuliert, und diese Ziele verlor Hitler nie aus dem Auge.
Mit diesen Thesen wurde Jäckel zu einem der prominentesten
Vertreter der Forschungs-richtung, die man die
„intentionalistische Schule“ nannte und die Hitler ganz im
Zentrum der Entscheidungsprozesse des „Dritten Reiches“ sah.
Die jüngere Forschung hat Jäckels Ansatz nachdrücklich
bestätigt und lässt keinen Zweifel mehr an der zentralen
Rolle Hitlers innerhalb des nationalsozialistischen
Herrschaftssystems.
Nicht nur hier hat Jäckel als Pionier gewirkt. Indem
er von Anfang an immer wieder auf die zentrale Bedeutung der
„Entfernung der Juden“ für Hitler hinwies, hat Jäckel auch
der Holocaust-Forschung nachhaltig den Weg gewiesen. Noch
heute gilt die Publikation zum „Mord an den Juden im Zweiten
Weltkrieg“, die aus einem großen internationalen Kongress
hervorgegangen ist, den Jäckel 1985 in Stuttgart
veranstaltet hat, als Standardwerk der Forschung. Vor allem
hat von hier aus eine Forschung ihren Weg genommen, die in
den vergangenen zwanzig Jahren ein außergewöhnliches Maß an
Wissen über den Judenmord, diese zentrale Katastrophe der
deutschen und europäischen Geschichte im 20. Jahrhundert,
erarbeitet hat. Jäckel hat daran, als einer der
international herausragenden Kenner der
national-sozialistischen Herrschaft, entscheidenden Anteil.
Dass dieses Wissen unterdessen nicht auf gelehrte
Fachkreise beschränkt blieb, das ist ein weiteres
wesentliches Anliegen Eberhard Jäckels gewesen. Zusammen mit
Lea Rosh drehte er die viel gesehene vierteilige
Fernsehdokumentation „Der Tod ist ein Meister aus
Deutschland“. Überhaupt suchte Jäckel stets den Weg in die
Öffentlichkeit, den Dialog zwischen Wissenschaft und
Gesellschaft - und er wurde mit seiner Gabe zur klaren
Formulierung auch immer gern gehört. Solches Engagement hat
er immer auch als Bürgerpflicht verstanden, wie er überhaupt
stets darauf achtete, sich als Staatsbürger in politische
Debatten einzubringen.
Er hat daher die Bürgerinitiative zur Errichtung eines
Mahnmals für die ermordeten Juden Europas mit seinem
wissenschaftlichen Urteil intensiv begleitet und
beträchtlichen Anteil daran besessen, dass der Deutsche
Bundestag sich dieses Projekt parteiübergreifend zu Eigen
machte. Bei alledem ist er sich immer treu geblieben - ein
unverwechselbarer „gentleman“-Gelehrter, der die Universität
als Stätte der Erkenntnis und der Bildung begreift und
deswegen auch zur internationalen Reputation der Universität
Stuttgart beigetragen hat.
Wolfram Pyta
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