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Stuttgarter unikurier Nr. 94 Dezember 2004
In memoriam:
 
 
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Reinhard Döhl
 

  Reinhard Döhl
Ehe „Profilbildung“ den Universitäten und Instituten als Aufgabe verordnet wurde (die sie dann durch Anpassung an den Trend erledigen, so dass überall das gleiche Durchschnittsgesicht zu sehen ist), hatten sie wirklich ein Profil. In den sechziger Jahren verband sich mit den Geisteswissenschaften in Stuttgart die Vorstellung einer „Stuttgarter Schule“. Ihr Meister war der Wissenschafts-theoretiker Max Bense, der mathematische Methoden, naturwissenschaftliche Strenge, poetische Fantasie und intellektuelle Ausstrahlung so originell verband, dass er eine große Zahl experimenteller Dichter nach Stuttgart zog: Franz Mon, Eugen Gomringer, Ernst Jandl, Ludwig Harig - und auch Reinhard Döhl, der während seines Studiums in Göttingen auf diese Gruppe aufmerksam geworden war. Auch Wissenschaftler an der Technischen Hochschule ließen sich durch den Umgang mit Bense inspirieren, so der Mathematiker Rul Gunzenhäuser, der Germanist Helmut Kreuzer - und auch Reinhard Döhl, der in Stuttgart Assistent an Fritz Martinis Lehrstuhl für deutsche Literatur geworden war.

 

  An Reinhard Döhl, der seine letzte Ruhestätte im Odenwald gefunden hat, erinnert am Wohnhaus seiner Familie in der Lindpaintnerstraße 59 im Stuttgarter Stadtteil Botnang nun eine von dem Historiker Gerhard Raff angeregte und dem Bildhauer Markus Wolf gestaltete Gedenktafel. Am 16. September 2004, dem Tag, an dem Reinhard Döhl 70 Jahre alt geworden wäre, wurde die Tafel enthüllt. Das Literaturhaus Stuttgart würdigte den Vielseitigen, der sich schon frühzeitig dem Medium Internet verschrieben hat, an diesem Tag mit einer Veranstaltung zum Thema „scripte - experimentelle literatur und internet. reinhard döhl nachgerufen“.    (Foto: Eppler)

Döhl war, in Deutschland eine Seltenheit, Poet und Philologe zugleich. Als Philologe war er streng: Seine Bücher über Dada und das Hörspiel, seine Mitarbeit an einer Ausgabe von Wielands Werken, seine Aufsätze zu Wilhelm Raabe sind um Exaktheit, Materialfülle und literatur-historische Fakten mit einem geradezu positivistischen Ethos bemüht. Als Poet war er witzig: Seine Dichtung bevorzugt knappe spielerische Formen, Gedichte, kurze Szenen, Aphorismen. Sein Apfel-Gedicht - das vervielfältigte Wort „Apfel“ ergibt selbst den Umriss eines Apfels, wird jedoch an einer Stelle durch das ominöse Wort „Wurm“ unterbrochen - ist eine Ikone der konkreten Poesie geworden und hat in zahlreiche Schulbücher Eingang gefunden.

 Nicht genug mit dieser Doppel-beschäftigung - Döhl demonstrierte seine Doppelbegabung mit Zeichnungen und Malereien, die mitunter in Stuttgarter Ausstellungen zu sehen waren. Dazu initiierte er Ausstellungen in der Staatsgalerie, so über Bilder und Verse des Bänkelsangs und über die Architektur-phantasien Hermann Finsterlins. Nicht den klassischen Größen des Bildungskanons galt also seine Aufmerksamkeit, sondern den Experimenten der Avantgarde und den zu Unrecht vergessenen Seitenwegen der Kunst- und Literaturgeschichte. In den letzten Jahren wandte er sich den allerneuesten ästhetischen Medien zu, der Computerkunst und der Internetliteratur.

 Reinhard Döhl wurde 1934 in Wattenscheid geboren. Von 1965 bis 1998 war er Mitarbeiter an der Abteilung Neuere deutsche Literatur I des Instituts für Literaturwissenschaft, zuletzt als Akademischer Oberrat und außerplan-mäßiger Professor. Er sammelte eine große Schar anhänglicher Studenten um sich. Er hätte allen Grund gehabt, mit seinen Leistungen und seiner Anerkennung innerhalb und außerhalb Deutschlands zufrieden zu sein. Aber er konnte mit der Welt, wie sie ihn umgab, nicht glücklich werden: nicht mit der Stadt, nicht mit dem Literatur- und Wissenschaftsbetrieb der letzten Jahrzehnte und nicht mit seiner Existenz. Zunehmend wurde er von schweren Krankheiten heimgesucht; der letzten erlag er am 29. Mai 2004.

Heinz Schlaffer

Wer die „Spurensicherung“ für Reinhard Döhl in Stuttgart unterstützen möchte, ist herzlich eingeladen, zur Finanzierung der Gedenktafel beizutragen. Spenden werden erbeten an den Universitätsbund Tübingen (Kontonummer 110 608, BLZ 641 50020) bei der Kreissparkasse Tübingen. Als Betreff sollte „Raff - Gedenktafel Döhl“ angegeben werden.

 

 

Martin Greiffenhagen
 

Martin Greiffenhagen

„Die Bedeutung eines Forschers liegt in der Nachhaltigkeit seines Wirkens. Nachhaltigkeit unterscheidet den großen Gelehrten vom Professor, der das Feld seiner Disziplin bestellt, den Wissensbestand seines Spezialgebietes zuverlässig tradiert, ihn um einige Erkenntnisse mehr, im Übrigen sich aber in die Kette seiner Vorgänger und Nachfolger unauffällig einfügt. Nachhaltigkeit beweist sich dazu häufig in einer Wirkungsmächtigkeit, die auch andere Forschungsfelder als das ursprünglich eigene tangiert.“

 Diese Worte stammen von Martin Greiffenhagen selbst. Er sagte sie über Norbert Elias bei einem Kolloquium zu dessen 100. Geburtstag. Nachhaltigkeit, wie von Martin Greiffenhagen so anschaulich beschrieben, findet sich auch in seinem eigenen Wirken. Durch die oft unbequeme Art, Dinge zu sehen, und die Weigerung, sich eindeutig auf ein politikwissenschaftliches Paradigma festzulegen, saß er zwar einerseits „zwischen den Stühlen“ der politikwissen-schaftlichen Profession. Andererseits konnte er aber in diesem Zwischen-Raum Werke publizieren, die Generationen von Studierenden, die sich mit der politischen Kulturforschung befasst haben, oft stärker beeinflussten und beeindruckten als viele andere Werke. Darüber hinaus - und auch dies ist Nachhaltigkeit - gelang es ihm, eine breite Öffentlichkeit für politikwissenschaftliche Fragestellungen zu interessieren und mit seinen zahlreichen Publikationen nicht nur das Fachpublikum anzusprechen. Aus der langen Liste seiner Publikationen besonders hervorzuheben ist der Titel „Ein schwieriges Vaterland. Zur politischen Kultur im vereinigten Deutschland“, den Martin Greiffenhagen erstmals 1979 gemeinsam mit seiner Frau Sylvia veröffentlichte. Die überarbeite Fassung wurde 1994 als politisches Buch des Jahres ausgezeichnet. Auch nach seiner Emeritierung blieb Martin Greiffenhagen wissenschaftlich aktiv. 2002 gab er, wieder zusammen mit seiner Frau, als letztes großes Werk die überarbeitete Neuauflage des 1981 erstmals erschienenen „Handwörterbuchs zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland“ heraus. Nachhaltige Spuren hinterließ er nicht nur in der Politikwissenschaft: So befasste er sich zum Beispiel mit dem Thema „Pfarrerskinder“ (1982), das für ihn als Sohn eines Pastors zugleich ein Lebensthema war, oder auch mit den Geheimnissen des Glücks („Das Glück. Realitäten eines Traums“, 1988). Es war ihm wichtig, wissenschaftliche Erkenntnisse für gesellschaftliche Probleme nutzbar zu machen. Von nachhaltiger Wirkung dürfte somit auch sein stetiges Bemühen um die Verbindung von Wissenschaft und Praxis sein.

 Nach einer Buchhandelslehre studierte er von 1950 bis 1956 in Heidelberg, Göttingen, Birmingham und Oxford Philosophie und Sozialwissenschaften. 1956 promovierte er in Heidelberg bei Karl Löwith mit einer Arbeit über den englischen Theologen Jeremy Taylor. 1965 wurde er Ordinarius für Politikwissenschaft an der Universität Stuttgart. Dieser Hochschule blieb er - lediglich durch eine Gastprofessur in Wien unterbrochen - bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1990 treu. Er legte wichtige Grundsteine für die heutige Gestalt der politikwissenschaftlichen Abteilungen. Regelmäßig publizierte er in den verschiedensten Bereichen, etwa zur Ideengeschichte oder zur Rolle der Intellektuellen in der Politik, und immer wieder über Fragen der politischen Kulturforschung. Er war unter anderem 1991/1992 Gründungsbeauftragter an der PH Erfurt oder wirkte als wissenschaftlicher Berater, beispielsweise für Willy Brandt, und reiste jahrelang im Auftrag des Goetheinstitutes durch die Welt. Martin Greiffenhagen starb am 2. Juni 2004 im Alter von 75 Jahren in Esslingen.

Katja Neller


 

Klaus Strobach
 
Klaus Strobach
 

Am 5. August 2004 ist Klaus Strobach, emeritierter Ordinarius für Geophysik, in Geislingen im Alter von 84 Jahren friedlich verstorben.

 1920 geboren, konnte Klaus Strobach erst nach dem Krieg im Alter von 27 Jahren in Hamburg sein Abitur nachholen und mit dem Studium der Geophysik beginnen. Vorher war er als Vermessungsingenieur ausgebildet und 1940-45 bei der Versuchsstelle der Luftwaffe in Peenemünde dienstverpflichtet worden. Die weitere Laufbahn war geradlinig: Diplom, Heirat, Promotion, Assistentenstelle, Habilitation, Gastprofessur in den USA, 1964 Berufung zum ordentlichen Professor für Geophysik an der Freien Universität Berlin. Von dort wechselte er 1969 an die Universität Stuttgart, wo der früher am Statistischen Landesamt angesiedelte Landes-Erdbebendienst als Institut für Geophysik an die Universität angeschlossen worden war. Prof. Strobach leitete das Institut bis zu seiner Emeritierung 1988. Seine Arbeitsgebiete waren die mikro-seismische Bodenunruhe, Refraktionsseimik, Plattentektonik und die Entwicklung eines Nahbeben-seismographen. Von 1971 bis 1973 war er Dekan des Fachbereichs Geo-und Biowissenschaften.

 Prof. Strobachs vielfältige wissenschaftlichen Interessen reichten weit über das eigene Fachgebiet hinaus. In Vorlesungen, Vorträgen und Buchveröffentlichungen hat er die großen Themen der Naturwissenschaft, von der Kosmologie bis zur Entwicklung des Lebens auf der Erde, einem weiten Kreis von Hörern und Lesern in anschaulicher Weise nahe gebracht. Sein reich bebildertes, populärwissenschaftliches Buch „Vom Urknall zur Erde“ (1990) und seine fachübergreifende Darstellung „Unser Planet Erde - Ursprung und Dynamik“ (1991) fassen den aktuellen Stand des Wissens zusammen, lassen aber auch erkennen, dass die Frage nach dem Sinn für den Naturwissenschaftler kein Tabu ist. Wir werden Klaus Strobach als anregenden Gesprächspartner und warmherzigen Kollegen in Erinnerung behalten.

Erhard Wielandt, Götz Schneider

Herbert Uetz
 
Herbert Uetz
 

Am 14. Mai 2004 verstarb Prof. Dr.-Ing. Herbert Uetz im Alter von 84 Jahren in Winterbach bei Schorndorf. Er war ein international anerkannter Experte auf dem Gebiet der Werkstoffkunde und insbesondere dem Fachgebiet Verschleiß, Reibung, Schmierung - Tribologie.

 1919 in Schwäbisch Gmünd geboren, studierte Herbert Uetz an der damaligen Technischen Hochschule Stuttgart Maschinenbau und wurde 1949 Assistent an der Staatlichen Materialprüfungsanstalt der TH Stuttgart bei Prof. Siebel und dessen Nachfolger Prof. Wellinger. Er war dort mit Aufgaben der Werkstoffkunde, Materialprüfung und Schadensforschung von Werkstoffen des allgemeinen Maschinenbaus befasst. Sehr schnell vertiefte er sich in das Spezialgebiet der Tribologie und promovierte 1955 mit einer Arbeit über abrasiven Verschleiß.

 Die um das Jahr 1960 begonnene Entwicklung von hochbelastbaren Kunststoff-gleitlagern für Brückenbauwerke hat er maßgeblich mit geprägt. Durch das vertiefte Verständnis der tribologischen Grundlagen und der Berücksichtigung der Anforderungen der Praxis konnten Kriterien geschaffen werden, die eine sichere Auslegung solcher Lager gewährleisteten und damit den Bau weitgespannter gekrümmter Brückenbauwerke ermöglichte.

 Herbert Uetz hat fast vier Jahrzehnte lang wesentlich die Verschleißforschung in Deutschland mitgestaltet und mit seinen wissenschaftlichen Arbeiten entscheidenden Einfluss auf die Bemühungen zur Verminderung von Reibung und Verbesserung der Betriebssicherheit und Nutzungsdauer von Maschinen genommen. Seine beiden Bücher „Abrasion und Erosion“ und „Tribologie der Polymere“ stellten Standardwerke in der seinerzeit noch jungen Tribologieforschung dar. Als Experte auf seinem Gebiet war er national und international anerkannt. Für seine Arbeiten wurde er unter anderem mit dem goldenen Georg-Vogelpohl-Ehrenzeichen und der Karl-Wellinger-Medaille geehrt. Herbert Uetz hat sich auch in der Lehre verdient gemacht und sein Wissen über Tribologie an Studierende weiter gegeben.

 An der Staatlichen Materialprüfungsanstalt war er ab 1963 als Oberingenieur, dann als Hauptabteilungsleiter und seit 1974 als stellvertretender Direktor tätig. 1984 trat er nach rund 35-jähriger Tätigkeit in den Ruhestand. Auch nach seiner aktiven Karriere blieb er der MPA Stuttgart und der Universität verbunden und nahm an zahlreichen Seminaren und Veranstaltungen teil.

 Die MPA Stuttgart und die ehemaligen Mitarbeiter werden ihm stets ein ehrendes Andenken bewahren.

 

Dietrich Lenz

Am 16. Juni 2004 verstarb der Ehrensenator der Universität Stuttgart und Aufsichtsratsvorsitzende der Ed. Züblin AG Dipl.-Ing.Dietrich Lenz im Alter von 79 Jahren. Dietrich Lenz hat unter dem Motto „Jugend und Forschung sind die Zukunft!“ die Universität Stuttgart über die Ludwig-Lenz-Stiftung vielfach unterstützt. Die Universität Stuttgart wird ihn in dankbarer Erinnerung behalten.

 

 

 


last change: 22.12.04 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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