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Stuttgarter unikurier Nr. 94 Dezember 2004
Mentoring-Programm gestartet:
Bessere Perspektiven für Wissenschaftlerinnen

„Nach wie vor sind Führungspositionen hauptsächlich von Männern besetzt, deshalb brauchen wir Projekte wie das Mentoring-Programm“, erklärte die Frauenbeauftragte der Universität Dr. Karin Thöne. Beim offiziellen Start des Programms für Wissenschaftlerinnen Ende April 2004 im Stuttgarter Neuen Schloss waren sich alle Redner einig, dass, obwohl die Gleichstellung im Gesetz verankert ist, noch großer Handlungsbedarf besteht. Zudem ändern sich die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Der Prorektor für Forschung und Technologie Prof. Jörg Brüdern betonte: „Einen Verzicht auf 50 Prozent des Potentials können wir uns heute nicht mehr leisten.“
 
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  Wir brauchen Projekte wie das Mentoring-Programm, betonte Frauenbeauftragte Dr. Karin Thöne. Bundesverfassungsrichterin
Dr. Christine Hohmann-Dennhardt (in der ersten Reihe dritte von rechts) begeisterte anschließend das Publikum mit ihrem Festvortrag „Auch Wissenschaft braucht Frauen“.                                 (Foto: Eppler)

Durch das Mentoring-Programm sollen hochqualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen (Mentees) Beratung und Förderung bei ihrem beruflichen Werdegang erhalten. Aufgabe des Mentoring-Koordinationsbüros ist es, Mentees und berufserfahrene Mentorinnen und Mentoren aus Wissenschaft oder Wirtschaft zu gewinnen und miteinander in Kontakt zu bringen. „Um die Vorstellungen und Wünsche zu ermitteln, führen wir zunächst Kontaktgespräche“, erläuterte die Mentoring-Projektleiterin Dr. Carmen Eccard. Die Ergebnisse fließen in einen Datenpool, in dem durch ein Matching nach zueinander passenden Mentoren und Mentees gesucht wird. „Nicht nur die Mentees haben Vorteile durch das Programm, auch für die Mentorinnen und Mentoren entstehen neue Impulse für ihre Arbeit“, ist Eccard überzeugt.
 

 Die Verfahrenstechnikerin Nina Woicke hat sich entschlossen, als Mentee bei dem Programm mitzumachen. „Die Beratung durch einen Mentor, der deutlich mehr Erfahrung hat als man selber, darin liegt ein großes Potential“, meint die 28-jährige, die zur Zeit am Institut für Kunststoffprüfung und Kunststoffkunde promoviert. Bisher hat sie keine schlechten Erfahrungen als Frau in einem immer noch von Männern dominierten Forschungsbereich gemacht. Doch je weiter man die Karriereleiter hinaufsteigt, desto größer wird die Konkurrenz. „Wie geht man mit dieser Situation als Frau um, wie verkauft man sich dann am besten“, auf diese Fragen erhofft sich Woicke Antworten von ihrer künftigen Mentorin oder ihrem Mentor. Die fachliche Komponente ist ihr dabei nicht so wichtig, „die bekomme ich schließlich am Institut vermittelt.“

 

Steine aus dem Weg räumen

Bei der Auftaktveranstaltung zum Start des Mentoring-Programms begeisterte Bundesverfassungsrichterin Dr. Christine Hohmann-Dennhardt, frühere Justiz- sowie Wissenschaftsministerin von Hessen, mit ihrem Festvortrag zum Thema „Auch Wissenschaft braucht Frauen“ das Publikum. Sie warf zunächst einen Blick in die Vergangenheit und erinnerte daran, dass vor rund 100 Jahren das Studium für Frauen erst nach und nach an den Universitäten erlaubt wurde, weil viele die „übermäßige Gehirntätigkeit der Frauen“ für schädlich hielten. „Seitdem haben sich Frauen Terrain erobert, doch auch heute sind noch Steine aus dem Weg zu räumen“, ist Hohmann-Dennhardt überzeugt. Frauenkarrieren zeigen meist viele Unterbrechungen wegen Kindererziehung, gerade in der Wissenschaft ist das Wissen danach oft veraltet, sie bekommen auch heute noch weniger Lohn für gleiche Arbeit. Vor allem in Deutschland scheine das Rollenverständnis besonders zählebig zu sein. Noch immer werde die Erziehung der Kinder den Frauen zugewiesen. Immerhin ist in der Türkei 31 Prozent der Professorenschaft weiblich, in Finnland sind es 45 Prozent. Auch in Frankreich, Spanien und Portugal liegt der Anteil deutlich höher als in Deutschland, beschrieb die Bundesverfassungsrichterin die Situation.

 

Mehr Plätze in Kindertagesstätten

Vor allem bei den Natur- und Ingenieurwissenschaften ist der Frauenanteil gering. Im Fachbereich von Prof. Martin Dressel vom 1. Physikalischen Institut ist dies allerdings nicht so. An seinem Institut ist die Zahl der Doktorandinnen und Doktoranden ausgeglichen. Auch die einzige Habilitation betreibt derzeit eine Frau. Bemerkenswert findet Dressel, der den Fachbereich Physik beim Mentoring-Programm vertritt, dass keine dieser Wissenschaftlerinnen eine typische Ausbildung an einer deutschen Hochschule durchlaufen hat, die meisten kommen aus dem Ausland. Für sehr wichtig hält der Physiker ausreichende Plätze in Kindertagesstätten: „Dies würde die Karriere von Wissenschaftlerinnen oftmals mehr fördern als ein Frauenstipendium. Hier besteht ein gesamtgesellschaftliches Defizit.“

 Und auch Hohmann-Dennhardt fragte: „Der Verzicht auf Kinder fördert die Karriere“, ist das der Ratschlag, den wir Frauen geben wollen? Wenn wir beides wollen, dürfen wir die Frauen nicht vor die Alternative stellen.“ Als eine weitere Hürde bezeichnete sie das Netzwerk der Männer. Frauen hafte hier der Geruch eines Fremdkörpers an. Auch fehlten weibliche Vorbilder und zudem werde bei der Bewerberauswahl oft zu sehr auf Frisur und Outfit geschaut. Wichtig sei auch Selbstvertrauen und ein dickes Fell, deshalb ihr Appell an die Mentees: „Ihr müsst trotz allem aus eigener Kraft gehen, aus eigenem Wollen, getragen wird niemand.“

Birgit Vennemann
 
 

KONTAKT

Dr. Carmen Eccard,
Mentoring-Koordinationsbüro, Geschwister-Scholl-Straße 24 D

70174 Stuttgart

Tel. 0711/121-4127
Fax. 0711/121-4173

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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