Durch das Mentoring-Programm sollen hochqualifizierte
Nachwuchswissenschaftlerinnen (Mentees) Beratung und
Förderung bei ihrem beruflichen Werdegang erhalten. Aufgabe
des Mentoring-Koordinationsbüros ist es, Mentees und
berufserfahrene Mentorinnen und Mentoren aus Wissenschaft
oder Wirtschaft zu gewinnen und miteinander in Kontakt zu
bringen. „Um die Vorstellungen und Wünsche zu ermitteln,
führen wir zunächst Kontaktgespräche“, erläuterte die
Mentoring-Projektleiterin Dr. Carmen Eccard. Die Ergebnisse
fließen in einen Datenpool, in dem durch ein Matching nach
zueinander passenden Mentoren und Mentees gesucht wird. „Nicht
nur die Mentees haben Vorteile durch das Programm, auch für
die Mentorinnen und Mentoren entstehen neue Impulse für ihre
Arbeit“, ist Eccard überzeugt.
Die Verfahrenstechnikerin Nina Woicke hat sich
entschlossen, als Mentee bei dem Programm mitzumachen. „Die
Beratung durch einen Mentor, der deutlich mehr Erfahrung hat
als man selber, darin liegt ein großes Potential“, meint die
28-jährige, die zur Zeit am Institut für Kunststoffprüfung
und Kunststoffkunde promoviert. Bisher hat sie keine
schlechten Erfahrungen als Frau in einem immer noch von
Männern dominierten Forschungsbereich gemacht. Doch je
weiter man die Karriereleiter hinaufsteigt, desto größer
wird die Konkurrenz. „Wie geht man mit dieser Situation als
Frau um, wie verkauft man sich dann am besten“, auf diese
Fragen erhofft sich Woicke Antworten von ihrer künftigen
Mentorin oder ihrem Mentor. Die fachliche Komponente ist ihr
dabei nicht so wichtig, „die bekomme ich schließlich am
Institut vermittelt.“
Steine aus dem Weg räumen
Bei der Auftaktveranstaltung zum Start des Mentoring-Programms
begeisterte Bundesverfassungsrichterin Dr. Christine
Hohmann-Dennhardt, frühere Justiz- sowie
Wissenschaftsministerin von Hessen, mit ihrem Festvortrag
zum Thema „Auch Wissenschaft braucht Frauen“ das Publikum.
Sie warf zunächst einen Blick in die Vergangenheit und
erinnerte daran, dass vor rund 100 Jahren das Studium für
Frauen erst nach und nach an den Universitäten erlaubt wurde,
weil viele die „übermäßige Gehirntätigkeit der Frauen“ für
schädlich hielten. „Seitdem haben sich Frauen Terrain
erobert, doch auch heute sind noch Steine aus dem Weg zu
räumen“, ist Hohmann-Dennhardt überzeugt. Frauenkarrieren
zeigen meist viele Unterbrechungen wegen Kindererziehung,
gerade in der Wissenschaft ist das Wissen danach oft
veraltet, sie bekommen auch heute noch weniger Lohn für
gleiche Arbeit. Vor allem in Deutschland scheine das
Rollenverständnis besonders zählebig zu sein. Noch immer
werde die Erziehung der Kinder den Frauen zugewiesen.
Immerhin ist
in der Türkei 31 Prozent der Professorenschaft weiblich, in
Finnland sind es 45 Prozent. Auch in Frankreich, Spanien und
Portugal liegt der Anteil deutlich höher als in Deutschland,
beschrieb die Bundesverfassungsrichterin die Situation.
Mehr Plätze in Kindertagesstätten
Vor allem bei den Natur- und Ingenieurwissenschaften ist
der Frauenanteil gering. Im Fachbereich von Prof. Martin
Dressel vom 1. Physikalischen Institut ist dies allerdings
nicht so. An seinem Institut ist die Zahl der Doktorandinnen
und Doktoranden ausgeglichen. Auch die einzige Habilitation
betreibt derzeit eine Frau. Bemerkenswert findet Dressel,
der den Fachbereich Physik beim Mentoring-Programm vertritt,
dass keine dieser Wissenschaftlerinnen eine typische
Ausbildung an einer deutschen Hochschule durchlaufen hat,
die meisten kommen aus dem Ausland. Für sehr wichtig hält
der Physiker ausreichende Plätze in Kindertagesstätten:
„Dies würde die Karriere von Wissenschaftlerinnen oftmals
mehr fördern als ein Frauenstipendium. Hier besteht ein
gesamtgesellschaftliches Defizit.“
Und auch Hohmann-Dennhardt fragte: „Der Verzicht
auf Kinder fördert die Karriere“, ist das der Ratschlag, den
wir Frauen geben wollen? Wenn wir beides wollen, dürfen wir
die Frauen nicht vor die Alternative stellen.“ Als eine
weitere Hürde bezeichnete sie das Netzwerk der Männer.
Frauen hafte hier der Geruch eines Fremdkörpers an. Auch
fehlten weibliche Vorbilder und zudem werde bei der
Bewerberauswahl oft zu sehr auf Frisur und Outfit geschaut.
Wichtig sei auch Selbstvertrauen und ein dickes Fell,
deshalb ihr Appell an die Mentees: „Ihr müsst trotz allem
aus eigener Kraft gehen, aus eigenem Wollen, getragen wird
niemand.“
Birgit Vennemann
KONTAKT
Dr. Carmen Eccard,
Mentoring-Koordinationsbüro, Geschwister-Scholl-Straße 24 D
70174 Stuttgart
Tel. 0711/121-4127
Fax. 0711/121-4173