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Stuttgarter unikurier Nr. 94 Dezember 2004
Kunst auf dem Campus:
Beton und Bewegung

Als die Universität Stuttgart Ende der 1960-er Jahre in Vaihingen neue Gebäude plante, schätzte man am vorherrschenden Baumaterial Beton die erzielte gestalterische Einheitlichkeit. Andererseits wollte man der Gefahr einer Monotonie in Grau von vornherein entgegenwirken. Hier kam der Stuttgarter Bildhauer Otto Herbert Hajek ins Spiel.
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Hajeks Plastiken im Gebäude Pfaffen-waldring 57 sollen dem Betrachter die Augen für sein Umfeld öffnen.
(Foto: Institut für Kunstgeschichte)
Im Gebäudekomplex Pfaffenwaldring 57 waren die Treppen-hauszone, Emporen und ein offener zentraler Raum, der die Wege auf das Gebäude verteilt, zu gestalten. In der Erdgeschosszone zwischen dem Naturwissenschaftlichen Zentrum und der Bibliothek sollte ein Raum als Begegnungsstätte für Lehrende und Studierende geschaffen werden. Mit geometrischen Formen und signalhaft wirkenden Primärfarben brachte Hajek Leben in den offen gehaltenen Bereich, der sich über mehrere Geschosse erstreckt. Die geometrischen Formen durchbrechen als große Struktur-elemente die Architektur, durchstoßen den Boden, die Wände und ragen als Plastiken frei in den Raum hinein. Farbige Streifen ziehen sich über den Noppen-boden, die Treppe hinauf bis zu länglichen Elementen, die an überdimensionale Bauklötze erinnern. Als Pendant dazu ragen neben einem Streifenmuster farbige Balken von der Decke schräg in den Raum hinunter. An anderer Stelle, über einer Galerie, sind an den Deckenträgern ein großes, spitz zulaufendes Dreieck und ein Pfeiler angebracht. Hajek spielt mit Formen und Farben - hier beschränkt er sich auf die Grundfarben Blau, Gelb und Rot - und mit dem Material. Zwar bleibt er beim Beton, fügt aber nicht nur Neues hinzu, sondern bezieht Bestehendes mit ein. Er vermittelt den Innen- und den Außenraum, verschleift die funktionslosen, künstlich-künstlerischen Balken gestalterisch mit Teilen des tragenden Betons durch Farbe. Es entsteht über Freitreppen und Emporen hinweg eine übergreifende Raumgestaltung, die der Künstler selbst als „Raumartikulation“ bezeichnet.

 Die Arbeit für die Uni Stuttgart stand am Anfang einer ganzen Reihe „begehbarer Plastiken“, die Hajek, Jahrgang 1927, in den letzten 40 Jahren geschaffen hat. Sein erstes Projekt für diese Reihe schuf er 1964 für die Documenta III in Kassel. Hier forderte ein Skulpturenensemble auf gewelltem Boden den Besucher auf, Raum zu erleben, indem er ihn betrat. Seine „Farbwege“ überziehen jedoch nicht nur Objekte selbst, sondern auch Sockel, den umliegenden Raum, sogar Autos und Straßen. Der Raum erfährt eine neue Artikulation, die in Vaihingen beispielhaft zugleich mit und gegen die Architektur arbeitet, um die Menschen, die diese Architektur benutzen, zusammenzubringen. 

 Hajek will mit seinen Gestaltungen nicht dekorieren, sondern den Betrachter zur Wahrnehmung metrischer Proportionen bringen und ihm die Augen für sein Umfeld öffnen. Hajeks Arbeiten finden sich heute auf Plätzen, Straßen und Gebäuden auf der ganzen Welt - vom australischen Adelaide bis zum Mineralbad Leuze, dem SWR oder der Spardabank in Stuttgart.

Gwendolyn Rabenstein

 

 


last change: 15.12.04 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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