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Stuttgarter unikurier Nr. 94 Dezember 2004
Buch-Tipps
 
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Wertewandel und Postmoderne in Deutschland

Mit dem Beispiel eines 11-jährigen Jungen, jeweils zur Zeit eines Titelgewinns der Deutschen bei einer Fußball-Weltmeisterschaft, leitet Dr. Andreas Rödder vom Lehrstuhl Neuere Geschichte am Historischen Institut der Uni Stuttgart seine Skizze des Wandels der technologischen, ökonomischen und sozialkulturellen Entwicklung der Bundesrepublik Deutschland von den mittleren sechziger Jahren ein. 1954 - beim viel beschworenen „Wunder von Bern“ - verfolgt der aus einem dörflichen Pfarrhaus stammende Bub die Übertragung am Radio. Er hat drei Geschwister, Landwirtschaft und Kleingewerbe prägen den Ort, Autos gibt es noch wenige. 1974 lebt der Junge in einer Familie mit zwei Kindern, die einen deutlichen Wohlstandszuwachs erlebt hat, ein Auto besitzt und die Übertragung am eigenen Fernsehgerät im ersten von drei Programmen verfolgt. 1990 überlegt der Junge, an welchem der Fernsehgeräte im Haus er das Spiel betrachten könnte, falls seine ältere Schwester mit ihrem Freund gerade eine Sendung auf einem der Privatsender ansehen wollte. Möglicherweise hat die Familie zwei Autos; die Dorfbewohner arbeiten meist in Dienstleistungsberufen und verfügen über deutlich mehr Einkommen und Freizeit als ihre Eltern im Jahr 1954. Mehr über die Phänomene des sozialkulturellen Wertewandels ist nachzulesen in „Andreas Rödder: Wertewandel und Postmoderne. Gesellschaft und Kultur der Bundesrepublik Deutschland 1965 - 1990“.

Das Büchlein ist erschienen in der „Kleinen Reihe“
(Nr. 12) der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus
(ISBN 3-9807404-6-3, ISSN 1435-1242)
und kann dort zum Preis von drei Euro plus Versand
Tel. 0711/955-985-0, Fax 0711/955-985-30
e-mail: renate.nutz@stiftung-heuss-haus.de
oder über den Buchhandel bezogen werden.

 

Liberalismus als kulturelle Revolution

 

Ebenfalls in der „Kleinen Reihe“ (Nr. 13) der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus erschienen ist der Vortrag des Konstanzer Historikers Prof. Jürgen Osterhammel „Liberalismus als kulturelle Revolution. Die widersprüchliche Weltwirkung einer europäischen Idee“, die dieser bei der Theodor-Heuss-Gedächtnis-Vorlesung im Dezember 2003 aus Anlass des 40. Todestages des ersten deutschen Bundespräsidenten an der Universität Stuttgart hielt. Die Publikation (ISBN 3-9807404-7-1, ISSN 1435-1242) kann ebenfalls bei der Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus zum Preis von drei Euro plus Versand (Tel. 0711/955-985-0, Fax 0711/955-985-30, e-mail: renate.nutz@stiftung-heuss-haus.de oder über den Buchhandel bezogen werden. Eine Zusammenfassung des Vortrages von Jürgen Osterhammel ist nachzulesen unter www.uni-stuttgart.de/uni-kurier/ uk93/nachrichten/nb5.html.

 

Was interessiert junge Chinesen an Europas Mittelalter?

Historische Untersuchungen beobachten zunehmend häufiger in der Vergangenheit Wahrnehmungsweisen, die sich nicht aus der „Mentalität“ einer Gesellschaft ableiten lassen. Jüngste, an biologischen Forschungen orientierte Untersuchungen ließen erkennen: Gesellschaftstypische Wahrnehmungsweisen gehen auf „Zeiterfahrungen“ zurück. Diese prägen die Zukunftsvorstellungen der Menschen. In diesen Erfahrungen werden Männer und Frauen mit Zeitmustern vertraut, die sich von Epoche zu Epoche - und in jeder Kultur anders - nach eigenen Gesetzen wandeln.

Der emeritierte Stuttgarter Historiker Prof. August Nitschke überprüfte, eingeladen für zwei Monate nach Changchun in die Mandschurei (siehe dazu auch www.uni-stuttgart.de/wechselwirkungen/ww2002/nitschke.pdf), auf Bitten junger chinesischer Historiker mit diesen anhand von Texten, Kunstwerken und Bewegungsrekonstruktionen diese Ergebnisse im Mittelalter und im 20. Jahrhunderts. Dabei beobachtete er: Die Studenten kannten ihre eigenen Traditionen nicht mehr. Sie haben vom Marxismus nur die Forderung übernommen, dass jedes Ereignis und jede Struktur der Vergangenheit kausal begründet werden muss. So argumentierten sie unterschiedlich, doch immer leidenschaftlich gegen jede nur beschreibende Geschichtswissenschaft. Die oft sehr kritischen, meist jedoch heiteren Dialoge werden aufgrund schriftlicher Aufzeichnungen wiedergegeben.

Die Argumente der Studenten, die Kinder von Bauern und von Akademikern sind, wurden erst verständlich bei genauerer Kenntnis der Lebensformen einer chinesischen Großstadt. Die überreichlichen Warenangebote, der überraschend rücksichtslose Verkehr, die zahllosen kleinen Restaurants, der tägliche abendliche Tanz auf einer Hauptstraße und die Beharrlichkeit der in der Arbeitswelt lenkend tätigen Frauen schaffen trotz bürokratischer Einengungen eine Atmosphäre der Neugier und eine Aufbruchstimmung, die die Fragestellungen der Studenten nachhaltig beeinflusst. Dies bezeugt der Alltag, von dem neben den wissenschaftlichen Diskussionen bei den „Gesprächen in Changchun“ in recht unbekümmerten und sehr persönlichen Erzählungen anschaulich berichtet wird.

August Nitschke:
Zeitmuster in der Geschichte -
Was interessiert junge Chinesen an Europas Mittelalter?
Rüdiger Köppe Verlag (Köln), 2004, 432 Seiten
Hardcover; 39, 80 Euro (ISBN 3 - 89645 - 404 - 8)

 

 


 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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