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Stuttgarter unikurier Nr. 94 Dezember 2004
Stuttgarter Stoßwellenlithotripsie wird in USA geprüft:
Wie bricht die Stoßwelle Nierensteine ?
 

Ein an der Universität Stuttgart entwickeltes innovatives Verfahren zur Zertrümmerung von Nierensteinen mit Schallwellen wird derzeit in den USA an der Universität Indianapolis getestet. Das als besonders schonend bewertete Verfahren nach dem Prinzip des so genannten „Quetschmechanismus“ wurde von dem heutigen Emeritus des 1. Physikalischen Instituts, Prof. Wolfgang Eisenmenger, entwickelt. Nach zahlreichen erfolgreichen klinischen Tests Ende der neunziger Jahre an chinesischen Kliniken ist das Verfahren in China bereits seit Oktober 2000 zugelassen.

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Fragmentation von Kunststeinen mit 15 Millimetern Durchmesser mit unterschiedlicher Pulszahl.
                                                                       (Foto: Institut)

Nierensteine treten in Größen von einigen Millimetern bis Zentimetern auf. Sie besitzen etwa die Festigkeit von Kreide oder Gips und werden durch die akustische Welle wie unter leichten Hammerschlägen zerbrochen. Die Zertrümmerung von Nierensteinen durch Stoß- oder Schallwellen wird seit mehr als 20 Jahren an Kliniken weltweit erfolgreich eingesetzt. Doch bislang herrscht nur wenig Einigkeit darüber, wie der Vorgang der Zertrümmerung erklärt werden kann und wie Druck, Pulsdauer und Größe des Fokus in Zukunft weiter verbessert werden können. Bei der bisherigen Vorstellung der Stein-zertrümmerung wurde davon ausgegangen, dass bei einem scharfen Fokus ähnlich wie bei der Steinmetzarbeit ein punkt- oder linienförmiger Krafteinsatz den Stein am besten spaltet. Einen anderen Weg verfolgt die Stoßwellentherapie nach dem in Stuttgart entwickelten Prinzip „Großer Fokus - Niedriger Druck“.

 Im Jahre 1998 wurde von Prof. Eisenmenger ein bis dahin unbekannter, sehr wirksamer Fragmentations-mechanismus, die binäre Steinfragmentation durch ringförmige Kompression, das heißt Quetschen oder „squeezing“, entdeckt. Schon vorher wurden am 1. Physikalischen Institut in engem Kontakt mit Biologen und Medizinern große Fortschritte bei der Erzeugung und Messung von Stoßwellen für die Lithotrypsie erzielt. So wurde in Stuttgart das inzwischen weltweit anerkannte Messverfahren für Stoßwellen mit dem Faseroptischen Sondenhydrophon entwickelt. Auch unter dem jetzigen Institutsleiter, Prof. Martin Dressel, konnten die Stoßwellenuntersuchungen fortgeführt werden.

 Der „Quetschmechanismus“ kann mit der Zerkleinerung von Steinen in einem Backenbrecher verglichen werden. Die Backen entsprechen hierbei dem Teil der Druckwelle, der seitlich von außen direkt auf den Stein wirkt. Bei diesem Mechanismus wird der Stein in Ebenen senkrecht und parallel zur Wellenfront gespalten. Die Druckzone der Welle außerhalb des Steins bewegt sich mit der Schallgeschwindigkeit der Flüssigkeit oder des Gewebes. Diese ist kleiner als die Schallgeschwindigkeit im Stein. So entstehen im Stein Zugspannungen parallel und senkrecht zur Wellenfront, die einen Bruch bewirken.

 Theoretisch werden die Bedingungen für den „Quetschmechanismus“ als Ermüdungsbruch formuliert. Mit dieser Theorie können experimentell nach Kalibrierung gut bestätigte Voraussagen über die Anzahl der Druckpulse gemacht werden, die man benötigt, um die für eine natürliche Ausscheidung erforderliche Fragmentgröße von zwei Millimetern zu erzielen.

 Laborversuche haben gezeigt, dass der Quetschmechanismus bei großem Fokus bis zu 20 Millimetern besonders wirksam ist. Im Klinikeinsatz kann damit der Stoßwellendruck um die Hälfte reduziert werden bei gleichzeitiger Verdopplung der Zertrümmerungseffizienz und Herabsetzung der Nebenwirkungen.

 Nach der Veröffentlichung der chinesischen Klinikstudie auf der Basis von 300 Patientendaten in sieben Kliniken wird das Stuttgarter Prinzip „Großer Fokus - Niedriger Druck“ derzeit in den USA an der Universität Indianapolis auf Effizienz und Nebenwirkungen erneut überprüft. Inzwischen wurden in China bereits rund 50.000 Patienten in 74 Kliniken mit dieser Methode behandelt. Wenn auch die US-Studie erfolgreich abgeschlossen wird, hoffen Urologen und Wissenschaftler auf die baldige offizielle Zulassung des Verfahrens in weiteren Ländern.

eng

 

KONTAKT

Prof. Dr. Wolfgang Eisenmenger
1. Physikalisches Institut
Tel. 0711/685-6591
Fax 0711/685-4976
e-mail: es@pi1.physik.uni-stuttgart.de


 


last change: 22.12.04 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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