Home           Inhalt           Suchen

Stuttgarter unikurier Nr. 94 Dezember 2004
Neue Projekte im Forschungsschwerpunktprogramm (1):
Revolution in der Optik?
 

Negativer Brechungsindex, linkshändige Materialien, Metamaterialien - es gibt mehrere Stichworte, unter denen seit einigen Jahren in den Naturwissenschaften heftig über ein verblüffendes theoretisches Postulat und seine ersten experimentellen Umsetzungen diskutiert wird. Das Forschungsschwerpunkt- programm des Landes soll vor allem neue Forschungsvorhaben unterstützen und dabei auch auf kurzfristige Entwicklungen in der Wissenschaft reagieren können. Unter der Leitung von Prof. Manfred Dressel vom 1. Physikalischen Institut der Universität Stuttgart wollen Physiker und Ingenieure aus vier Stuttgarter Instituten die physikalischen Eigenschaften und vielfältigen technologischen Anwendungen von so genannten Metamaterialien erforschen. Die geförderten Projekte sollen den Keim zu einer zukünftigen interdisziplinären DFG-Forschergruppe zu diesem Thema bilden.

kleinbal.gif (902 Byte)

  Normalerweise wird Licht positiv zum Lot hin gebrochen. Stuttgarter Wissenschaftler untersuchen nun Metamaterialien, bei denen der Brechungsindex negativ ist.           (Grafik: Institut)

 

Normalerweise wird Licht, das in ein Material eindringt, zum Lot hin gebrochen. Der Stock, den wir ins Wasser halten, scheint deshalb nach vorne geknickt. Der genaue Winkel hängt von dem Brechungsindex des Materials ab, der angibt, wie schnell sich das Licht in Materie bewegt. Bezugsgröße ist das Verhalten der Wellenausbreitung im Vakuum mit der Größe 1; der Brechungsindex von Fensterglas beträgt etwa 1,5, der von Wasser 1,3 und ein Diamant hat einen Brechungs-index von 2,3. Immer ist der Brechungsindex positiv. Vor vierzig Jahren bereits hat der russische Physiker Victor Veselago die Eigenschaften von Materialien theoretisch studiert, bei denen dieser Index negativ ist und die Wellen vom Lot weg gebrochen werden. Die optischen Gesetze würden auf den Kopf gestellt. Eine Sammellinse würde das Licht streuen und eine flache Scheibe könnte Licht punktförmig bündeln. Gruppen- und Phasengeschwindigkeit sind entgegengesetzt gerichtet, die elektrischen und magnetischen Felder sind nicht mehr gemäß den Gesetzen der Rechten-Hand-Regel angeordnet, sondern linkshändig.

 

Spektakuläre Anwendungen

Die möglichen Anwendungen von Materialien mit negativem Brechungsindex sind durchaus spektakulär. Bisherige Linsen haben maximal ein Auflösungsvermögen bis zur Hälfte der eingesetzten Wellenlänge; aus Metamaterialien mit negativem Brechungsindex könnte eine „Superlinse“ entwickelt werden mit einem Auflösungsvermögen von wenigen Nanometern. Lithographische Verfahren und optische Techniken wie die DVD-Datenspeicherung würden immens profitieren. Antennen könnten ihre Übertragungsleistungen punktförmig abstrahlen und die Untersuchung-smethoden in der Medizin könnten erweitert werden. In den USA untersuchen Wissenschaftler für das Pentagon bereits, ob nicht auch die Eigenschaften von Tarnkappenflugzeugen von den neuen optischen Möglichkeiten profitieren könnten.

 Allerdings - es gibt bislang keine derartigen Materialien. Fast jedenfalls; denn in den letzten Jahren wurden künstliche, so genannte Metamaterialien hergestellt, die tatsächlich einen negativen Brechungsindex aufweisen - zumindest in einem eng bestimmten Wellenlängenbereich. Dazu wurden Metallstrukturen und Drähte in Materialien so integriert, dass nur noch eine bestimmte Wellenlänge passieren kann und dabei die Eigenschaften der negativen Brechung zeigen. Aber können reale Materialien mit geeigneten magnetischen und dielektrischen Eigenschaften gefunden werden, die dieses Verhalten zeigen?

Die Stuttgarter Forscher wollen aber nicht nur die veränderten optischen Eigenschaften der neuen Materialien untersuchen, sondern ein Teilprojekt widmet sich auch den bislang wenig beachteten quantenoptischen Eigenschaften von Medien mit negativen Phasengeschwindigkeiten.

eng

 

KONTAKT

Prof. Dr. Martin Dressel
1. Physikalisches Institut
Universität Stuttgart
Tel. 0711/685 4946
Fax 0711-685 4886
e-mail: dressel@pi1.physik.uni-stuttgart.de


 


last change: 22.12.04 / yj
Pressestelle der Universität Stuttgart

Home           Inhalt           Suchen