Normalerweise wird Licht, das in ein Material eindringt,
zum Lot hin gebrochen. Der Stock, den wir ins Wasser halten,
scheint deshalb nach vorne geknickt. Der genaue Winkel hängt
von dem Brechungsindex des Materials ab, der angibt, wie
schnell sich das Licht in Materie bewegt. Bezugsgröße ist
das Verhalten der Wellenausbreitung im Vakuum mit der Größe
1; der Brechungsindex von Fensterglas beträgt etwa 1,5, der
von Wasser 1,3 und ein Diamant hat einen Brechungs-index von
2,3. Immer ist der Brechungsindex positiv. Vor vierzig
Jahren bereits hat der russische Physiker Victor Veselago
die Eigenschaften von Materialien theoretisch studiert, bei
denen dieser Index negativ ist und die Wellen vom Lot weg
gebrochen werden. Die optischen Gesetze würden auf den Kopf
gestellt. Eine Sammellinse würde das Licht streuen und eine
flache Scheibe könnte Licht punktförmig bündeln. Gruppen-
und Phasengeschwindigkeit sind entgegengesetzt gerichtet,
die elektrischen und magnetischen Felder sind nicht mehr
gemäß den Gesetzen der Rechten-Hand-Regel angeordnet,
sondern linkshändig.
Spektakuläre Anwendungen
Die möglichen Anwendungen von Materialien mit negativem
Brechungsindex sind durchaus spektakulär. Bisherige Linsen
haben maximal ein Auflösungsvermögen bis zur Hälfte der
eingesetzten Wellenlänge; aus Metamaterialien mit negativem
Brechungsindex könnte eine „Superlinse“ entwickelt werden
mit einem Auflösungsvermögen von wenigen Nanometern.
Lithographische Verfahren und optische Techniken wie die
DVD-Datenspeicherung würden immens profitieren. Antennen
könnten ihre Übertragungsleistungen punktförmig abstrahlen
und die Untersuchung-smethoden in der Medizin könnten
erweitert werden. In den USA untersuchen Wissenschaftler für
das Pentagon bereits, ob nicht auch die Eigenschaften von
Tarnkappenflugzeugen von den neuen optischen Möglichkeiten
profitieren könnten.
Allerdings - es gibt bislang keine derartigen
Materialien. Fast jedenfalls; denn in den letzten Jahren
wurden künstliche, so genannte Metamaterialien hergestellt,
die tatsächlich einen negativen Brechungsindex aufweisen -
zumindest in einem eng bestimmten Wellenlängenbereich. Dazu
wurden Metallstrukturen und Drähte in Materialien so
integriert, dass nur noch eine bestimmte Wellenlänge
passieren kann und dabei die Eigenschaften der negativen
Brechung zeigen. Aber können reale Materialien mit
geeigneten magnetischen und dielektrischen Eigenschaften
gefunden werden, die dieses Verhalten zeigen?
Die Stuttgarter Forscher wollen aber nicht nur die
veränderten optischen Eigenschaften der neuen Materialien
untersuchen, sondern ein Teilprojekt widmet sich auch den
bislang wenig beachteten quantenoptischen Eigenschaften von
Medien mit negativen Phasengeschwindigkeiten.
eng
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Prof. Dr. Martin Dressel
1. Physikalisches Institut
Universität Stuttgart
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