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Stuttgarter unikurier Nr. 93 April 2004
Wissenschaft und Religion:
Wer erklärt uns die Welt?

Um das Verhältnis zwischen Kirche und Forschern ging es beim Physikalischen Kolloquium am 10. Februar. Die Fakultät Physik und die Stuttgarter Max-Planck-Institute hatten Prof. Dietmar Mieth eingeladen, zum Thema "Wissenschaft und Religion: Wer erklärt uns die Welt?" Stellung zu nehmen. Der Theologe und Sozialethiker leitet das Interfakultative Zentrum für Ethik in den Wissenschaften der Universität Tübingen und gehört mehreren nationalen und europäischen Kommissionen zur Bioethik an.
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Es ist lange her, seit die Kirche Wissenschaftlern wie Galilei wegen ihrer Erkenntnisse mit dem Scheiterhaufen drohte. Im Laufe der Zeit hat sich, wie Prof. Mieth darlegte, das Verhältnis grundsätzlich umgekehrt. War die Machtbalance Kirche - Wissenschaft bis zum 15. Jahrhundert von der Vorherrschaft der Religion geprägt, dominiert heute die Wissenschaft. Laut Prof. Mieth kann das dazu führen, dass die Wissenschaft die Gesellschaft in autoritativ, "quasi-religiöser Form" bevormundet. So hat die Wissenschaft die Macht der Sprache und Definition. Die abstrakte Wissenschaftssprache aber verwehrt vielen Menschen zu erkennen, "was für wen ein Risiko ist." Da sich die Wissenschaft nicht mehr in einem Elfenbeinturm bewegt, sondern im Zentrum der Gesellschaft, muss sie sich dieser Verantwortung stellen. Außerdem dürfe die Wissenschaft nichts versprechen, was sie nicht halten kann. So antwortete der Forscher French Anderson auf die Frage, ob er denn garantieren könne, dass seine Tierversuche zu Therapien gegen Krebs und Aids führen werden: "Kann ich nicht, aber ich glaube daran." Prof. Mieth ist überzeugt, dass auch Glaube in der Wissenschaft notwendig ist. Allerdings muss er so dimensioniert sein, dass aus bloßen Hoffnungen keine neue Wirklichkeit konstruiert wird. Nach Prof. Mieth erklärt die Wissenschaft die Welt. Um ihren Sinn zu verstehen, brauchen wir aber die Religion. Er schlägt Kant folgend vor, von transzendentalen Voraussetzungen auszugehen, die man nicht beweisen kann, aber zum Überleben braucht.

Roland Muigg

 

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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