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Stuttgarter unikurier Nr. 93 April 2004
… three … two … one … ignition:
Weg frei für einen Spaziergang im All

Ein unvergessliches Erlebnis bot sich all denjenigen, die am 22. Januar der Einladung des Instituts für Raumfahrtsysteme und der Stuttgarter Bezirksgruppe der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt - Lilienthal - Oberth e.V. (DGLR) in den Hörsaal 38.04 auf dem Vaihinger Campus gefolgt waren. Für gut zwei Stunden hoben sie ab - Ziel war die Internationale Raumstation ISS, fachkundige Begleiter der Esa-Astronaut Philippe Perrin und Prof. Ernst Messerschmid, Leiter des Europäischen Astronautenzentrums in Köln-Porz.
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Die hellblaue Erdkugel mit weißen Wölkchen hebt sich gegen das dunkle Weltall ab, Menschen in weißen Raumanzügen bewegen sich vorsichtig schwebend entlang eines langen Roboterarmes: Beeindruckende Bilder hatte Philippe Perrin, der erste EU-Astronaut, der auch Außeneinsätze absolvierte, von seiner zweiwöchigen Mission im All mitgebracht. Zusammen mit seinem Kollegen Franklin Chang-Diaz hatte er während drei ganztägigen Einsätzen das defekte Gelenk des Roboterarms repariert und weitere Teile des so genannten Mobile Servicing Systems (MBS) befestigt. Diese Apparatur, die sich auf einer Art Schiene über die ganze Länge der Raumstation bewegen lässt, ermöglicht es, ferngesteuerte Außenarbeiten zur Vergrößerung der Station vorzunehmen, ohne diese verlassen zu müssen.

Leben im All als Überleben

"Das Leben im All ist eher ein Überleben im All", weiß Philippe Perrin nun aus eigener Erfahrung. Keine Luft, kein Wasser, körperliche Beschwerden - einem ständigen Grippegefühl vergleichbar, und immer wieder der bohrende Gedanke, dass zur Rückkehr ebenso viel Technik nötig ist wie zum geglückten Start. Trotzdem gab es für ihn während seiner Arbeit aber auch Momente, in denen er das Gefühl hatte, "hier könnte ich für immer bleiben". Besonders angetan hat es dem Arbeiter in schwindelnder Höhe der Blick auf die Erde. "Von da oben, da sieht die Erde sehr schön aus. Man sieht aber auch, wie empfindlich sie ist, und es wird einem klar, wie kostbar Luft und Wasser sind", sagte er.

Sechs Jahre trainierte Philippe Perrin vor seinem Einsatz. Der Flugzeugführer und Testpilot der französischen Armee, der an der Ecole Polytechnique in Paris studiert hatte, meisterte dies, wollte er doch schon seit seinem achten Lebensjahr Astronaut werden. Jedes Detail, jede Schraube galt es zu kennen, jede nur mögliche Situation im Simulator in den Griff zu bekommen. Ganz besonders wichtig ist jeder Handgriff während der achteinhalb Minuten bis zum Eintritt in den Orbit - eine auch für den Testpiloten neue Erfahrung, und dann gab es da noch den "besten Freund" Perrins, seinen Raumanzug, den er "immer und immer wieder überprüfte".

Nach zwei Wochen harter Arbeit unter ständiger Beobachtung von Houston - "Das ist schon ein komisches Gefühl", gab Philipp Perrin zu - landete am 19. Juni das Space Shuttle Endeavour mit zweitägiger Verspätung auf der Edwards Air Force Base in der kalifornischen Mojave Wüste. Alles war gut gegangen. "Ein Teil von dir bleibt oben", merkte PhilippPerrin jedoch an.

Freunde verloren bei Columbia-Unglück

Nicht gut dagegen verlief die Rückkehr der Columbia im Februar 2003. "Sechs enge Freunde" verlor Perrin bei diesem Unglück. Lange habe die US-Raumfahrtbehörde Nasa nicht glauben wollen, dass ein Stück Isolierschaum der Tankverkleidung die linke Tragfläche beschädigt habe und somit Ursache der Katastrophe sei, erzählte der Astronaut. Beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre trat vermutlich Gas in den Riss am Flügel ein und führte zur Explosion. Diese Erkenntnis brachte die Analyse der zusammengetragenen Trümmerteile, Bilder von Start und Absturz, die Auswertung der Daten aus den Sensoren der Flügel und schließlich Tests, bei denen man Isolierschaum gegen einen Flügel schleuderte. "Simulationen können Tests nicht ersetzen", mahnte Philippe Perrin. Zudem müsse man immer das Limit der eingesetzten Software kennen und dürfe als Ingenieur nie Gefühl und Statistik mischen. Julia Alber

KONTAKT

Kian Yazdi,

Institut für Raumfahrtsysteme, Pfaffenwaldring 31, 70569 Stuttgart

Tel. 0711/685-2399

Fax 0711/685-3596

e-mail: yazdi@irs.uni-stuttgart.de

 

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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