Stuttgarter unikurier Nr. 93 April 2004 |
Workshop zum
zeitgenössischen afrikanischen Tanz:
Tanzen -
interkulturell |
Was konnten Studierende
der Marc Bloch-Universität Straßburg und der Universität
Stuttgart gemeinsam lernen und welche Kompetenzen konnten
sie bei einem Tanzworkshop zum zeitgenössischen
afrikanischen Tanz erwerben? Die 35 Studierenden aus
verschiedenen Fakultäten begaben sich in der Mehrzahl auf
für sie neuartiges Terrain, als Carmen Issler - unterstützt
durch die zwei ausgezeichneten Percussionisten Wolfram
Blechner und Alseney Camara - sie in die Tanzpraxis und in
die bewegungstechnischen sowie ästhetischen Merkmale des
afrikanischen Tanzes einführte. |
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Der Workshop
vermittelte den Studierenden nicht nur Einblick in
den afrikanischen Tanz, sondern machte allen
Beteiligten - wie unsere Bilder zeigen - auch
Freude. (Fotos: Institut) |
Die Dozentin machte während des
dreitätigen Workshops am Institut für Sportwissenschaft im
November 2003 die Tanzenden immer wieder auf die
rhythmischen Strukturen und Abläufe der begleitenden
Trommelrhythmen aufmerksam, sie lehrte sie, auf diese
achtsam zu hören, um das hier besonders ausgeprägte und
permanente Wechselspiel zwischen Tanzenden und Musikern
körperlich spürbar und erlebbar zu machen. Darüber hinaus
illustrierte die Tanzkünstlerin und -pädagogin in einem
Vortrag an Videobeispielen aktuelle Entwicklungen innerhalb
der afrikanischen Tanzkunst. Diese Einblicke warfen eine
Vielzahl von Fragen zur Vermittlung fremder Tanzkulturen
auf, ferner zu den Veränderungen und Transformationen, die
das "Tanzen anderswo" - außerhalb des ursprünglichen
geographisch-regionalen und soziokulturellen Kontextes -
erfährt. Sie wurden während des Tanzseminars ausführlich
reflektiert und diskutiert. Septimus Johnson, ein aus Sierra
Leone stammender Master-Student, der zur Zeit im Rahmen
eines Forschungsprojekts an der Universität Stuttgart tätig
ist, thematisierte als teilnehmend-beobachtender Gast das
Spannungsverhältnis, in dem eine Tanzpraxis steht, die - aus
dem ursprünglichen sozialen und geographisch-lokalen
Ursprungskontext herausgelöst andernorts vermittelt wird.
Fast immer ist damit auch ein Konflikt zwischen Tradition
und Modernität verbunden, und der jeweilige Ort, die
jeweilige institutionelle Einbettung und nicht zuletzt die
Lehrkraft bestimmt das Verhältnis oder vermittelt zwischen
diesen Polen. In unserer globalisierten und multikulturellen
Welt gehört ja eine Vielzahl transnationaler
Bewegungskulturen zur alltäglichen urbanen Realität. Am
Beispiel seiner Person und an der westafrikanischen
Tanzkultur machte er seinen Kommilitonen und den
französischen Gästen deutlich, welche Bedeutung der
jeweilige ethnische, soziokulturelle, historische und lokale
Kontext-Rahmen für die Einschätzung von tänzerischen
Manifestationen hat und auch, wie wichtig die Begegnung mit
dem "Fremden" für die Sichtweise der eigene Kultur sein
kann. Dieser authentisch-eindrückliche Beitrag konnte den
Studierenden eine neue Brücke zum Verständnis dessen
vermitteln, was mit "interkultureller Bildung" gemeinhin
umschrieben wird.Die nun bereits seit über fünfzehn
Jahren bestehende Partnerschaft zwischen den beiden
sportwissenschaftlichen Instituten Straßburg und Stuttgart
bot mit dem Tanzseminar wiederum ein facettenreiches
Diskussionsforum für die tanz- und kulturwissenschaftliche
Erörterung einer Thematik, die für die zeitgenössische
Tanzentwicklung und Tanzpädagogik aktuell und brisant ist.
Die Gründungsidee der Initiatorinnen dieser regelmäßigen
Veranstaltungsreihe, Dr. Christine Mons-Spinner (UFR STAPS
Strasbourg) und Dr. Claudia Fleischle-Braun (Universität
Stuttgart), die damit nicht nur zum wissenschaftlichen
Diskurs einladen, sondern auch für die Studierenden über das
Medium Tanz eine Gelegenheit des gemeinsamen Dialogs und
Austausches schaffen möchten, wurde bei dieser Tagung zu
einer Erfahrung. Es bleibt zu hoffen, dass auch künftig an
der Universität Stuttgart solche über die Fach- und
Fakultätsgrenzen hinweg bewegende Projekte realisiert werden
können.
KONTAKT
Dr. Claudia Fleischle-Braun, Institut für
Sportwissenschaft, Allmandring 28,
70569 Stuttgart, Tel. 0711 / 685-3168,
Fax 0711 / 685-3157, e-mail:
claudia.fleischle@sport.uni-stuttgart.de
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