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Stuttgarter unikurier Nr. 93 April 2004
Diskussion mit Vertretern des Spitzensports:
Krise im Hochleistungssport?

Eine illustre Runde hatte Prof. Klaus-Peter Brinkhoff vom Institut für Sportwissenschaft versammelt. Felix Magath (Fußball), Dr. Harald Schmid (Leichtathletik), Rainer Brechtgen (Turnen) und Dr. Rolf Brack (Handball), allesamt hochkarätige Vertreter des deutschen Sports, kamen am 13. November in die Sporthalle am Allmandring, um über die Nachwuchsförderung im Spitzensport zu diskutieren. "Steckt der Hochleistungssport in der Krise? Kann man Weltmeister werden und gleichzeitig die Schule schaffen?" Diese Fragen waren Thema der Podiumsdiskussion und rund 400 Zuhörer lauschten gespannt auf die Antworten.
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Im November 2003 konnte VfB-Trainer Magath mit dem so genannten Stuttgarter Modell, das zum Vorzeigemodell avanciert war, mehr als zufrieden sein: "Wir haben auf eigenen Nachwuchs gesetzt und junge Spieler in den Kader geholt." Grund dafür war die sportliche und finanzielle Misere des Vereins. Wichtig für den Erfolg war nach Ansicht des Trainers, dass alle Beteiligten vom Aufsichtsrat über die Medien bis hin zu den Sponsoren und Fans die-sen Weg mitgegangen seien.

Die Leichtathleten waren nicht ganz so glücklich. Mit "Drama von Paris" bezeichnete Moderator Brinkhoff das schlechte Abschneiden des deutschen Kaders bei der Leichtathlethik-Weltmeisterschaft in Paris im Sommer 2003. Doch Dr. Harald Schmid, mehrfacher Europameister im Hürdenlauf, der in den 80er Jahren als Leichtathlet international Karriere machte, nahm die Leichtathleten in Schutz: "Die Junioren haben durchaus Talent."

Rainer Brechtgen ist Vorsitzender des Deutschen und des Schwäbischen Turnerbundes. Er beklagte die hohe drop-out Quote beim Wechsel von den Junioren zu den Senioren. "Meist müssen sie sich dort erst mit einem schlechteren Platz zufrieden geben, zudem ist ein Studium oder Beruf neben dem Sport fast nicht möglich." Dies sei jedoch besonders in Sportarten wie Turnen wichtig, weil hier die Sportler nicht wie beim Fußball mit ihrem Sport ihren Lebensunterhalt verdienen könnten. Aus Enttäuschung steigen dann viele aus. Im Gegensatz zu Schmid, der individuelle Lösungen für die einzelnen Sportler für optimal hält, forderte Brechtgen Strukturen, die Spitzensport und Ausbildung nebeneinander ermöglichen. Er verwies auf ähnliche Strukturen, wie sie in der DDR bestanden und in Teilen heute noch erhalten sind.

"Es ist ein Problem, wenn sich viele Vereine nicht mehr für den Nachwuchs engagieren", sorgte sich Dr. Rolf Brack. Er ist Trainer des Handballerstligisten VfL Pfullingen und lehrt am Institut für Sportwissenschaften der Uni Stuttgart.

Zugkraft des Erfolgs

Brechtgen gab zu bedenken, dass es aus demographischen Gründen in Zukunft weniger Jugendliche gibt, deshalb würde die Konkurrenz zwischen den Sportarten stärker. Er plädierte deshalb für eine Zusammenarbeit der verschiedenen Sportarten, die Kinder sollten sich nicht zu früh spezialisieren. Der Leichtathlet Schmid dagegen setzt mehr auf die Zugkraft des Erfolgs, um das Interesse des Nachwuchses für eine Sportart zu wecken: "Wenn wir einen guten 100-Meter-Läufer haben, kann das eine Sportart retten."

Dass bei der Motivation der Jugendlichen die Eltern eine große Rolle spielen, darüber waren sich alle einig, mit zunehmenden Alter spiele aber auch der Trainer eine immer wichtigere Rolle. Doch Rainer Brechtgen stellte klar: "Ein Athlet muss seinen Sport aus eigenem Antrieb wollen." Auch Magath glaubt, es sei der verkehrte Weg, Kinder zu schnell zu stark unter Druck zu setzen. "Das Spielerische bleibt dann auf der Strecke, die Leistungsbereitschaft entfaltet sich nicht." Zur Frage, ob im Fußball nicht das Geld den Charakter verderbe, sagte Magath, dass er als Trainer mit den Spielern nicht nur auf dem Trainingsplatz zubringe, sondern auch mit den jungen Leuten diese Themen anspreche. "Wichtig wäre es, einen Teil des vielen Geldes, das im Fußball fließt, in die Nachwuchsabteilungen zu stecken."

Birgit Vennemann

KONTAKT

Dr. Rolf Brack, Institut für Sportwissenschaft, Allmandring 28, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-3166, Fax 0711/685-3157,
e-mail: rolf.brack@sport.uni-stuttgart.de

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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