Im November 2003 konnte VfB-Trainer
Magath mit dem so genannten Stuttgarter Modell, das zum
Vorzeigemodell avanciert war, mehr als zufrieden sein: "Wir
haben auf eigenen Nachwuchs gesetzt und junge Spieler in den
Kader geholt." Grund dafür war die sportliche und
finanzielle Misere des Vereins. Wichtig für den Erfolg war
nach Ansicht des Trainers, dass alle Beteiligten vom
Aufsichtsrat über die Medien bis hin zu den Sponsoren und
Fans die-sen Weg mitgegangen seien.
Die Leichtathleten waren nicht ganz so glücklich. Mit
"Drama von Paris" bezeichnete Moderator Brinkhoff das
schlechte Abschneiden des deutschen Kaders bei der
Leichtathlethik-Weltmeisterschaft in Paris im Sommer 2003.
Doch Dr. Harald Schmid, mehrfacher Europameister im
Hürdenlauf, der in den 80er Jahren als Leichtathlet
international Karriere machte, nahm die Leichtathleten in
Schutz: "Die Junioren haben durchaus Talent."
Rainer Brechtgen ist Vorsitzender des Deutschen und des
Schwäbischen Turnerbundes. Er beklagte die hohe drop-out
Quote beim Wechsel von den Junioren zu den Senioren. "Meist
müssen sie sich dort erst mit einem schlechteren Platz
zufrieden geben, zudem ist ein Studium oder Beruf neben dem
Sport fast nicht möglich." Dies sei jedoch besonders in
Sportarten wie Turnen wichtig, weil hier die Sportler nicht
wie beim Fußball mit ihrem Sport ihren Lebensunterhalt
verdienen könnten. Aus Enttäuschung steigen dann viele aus.
Im Gegensatz zu Schmid, der individuelle Lösungen für die
einzelnen Sportler für optimal hält, forderte Brechtgen
Strukturen, die Spitzensport und Ausbildung nebeneinander
ermöglichen. Er verwies auf ähnliche Strukturen, wie sie in
der DDR bestanden und in Teilen heute noch erhalten sind.
"Es ist ein Problem, wenn sich viele Vereine nicht mehr
für den Nachwuchs engagieren", sorgte sich Dr. Rolf Brack.
Er ist Trainer des Handballerstligisten VfL Pfullingen und
lehrt am Institut für Sportwissenschaften der Uni Stuttgart.
Zugkraft des Erfolgs
Brechtgen gab zu bedenken, dass es aus demographischen
Gründen in Zukunft weniger Jugendliche gibt, deshalb würde
die Konkurrenz zwischen den Sportarten stärker. Er plädierte
deshalb für eine Zusammenarbeit der verschiedenen
Sportarten, die Kinder sollten sich nicht zu früh
spezialisieren. Der Leichtathlet Schmid dagegen setzt mehr
auf die Zugkraft des Erfolgs, um das Interesse des
Nachwuchses für eine Sportart zu wecken: "Wenn wir einen
guten 100-Meter-Läufer haben, kann das eine Sportart
retten."
Dass bei der Motivation der Jugendlichen die Eltern eine
große Rolle spielen, darüber waren sich alle einig, mit
zunehmenden Alter spiele aber auch der Trainer eine immer
wichtigere Rolle. Doch Rainer Brechtgen stellte klar: "Ein
Athlet muss seinen Sport aus eigenem Antrieb wollen." Auch
Magath glaubt, es sei der verkehrte Weg, Kinder zu schnell
zu stark unter Druck zu setzen. "Das Spielerische bleibt
dann auf der Strecke, die Leistungsbereitschaft entfaltet
sich nicht." Zur Frage, ob im Fußball nicht das Geld den
Charakter verderbe, sagte Magath, dass er als Trainer mit
den Spielern nicht nur auf dem Trainingsplatz zubringe,
sondern auch mit den jungen Leuten diese Themen anspreche.
"Wichtig wäre es, einen Teil des vielen Geldes, das im
Fußball fließt, in die Nachwuchsabteilungen zu stecken."
Birgit Vennemann
KONTAKT
Dr. Rolf Brack, Institut für Sportwissenschaft,
Allmandring 28, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-3166, Fax
0711/685-3157,
e-mail:
rolf.brack@sport.uni-stuttgart.de
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