Zum Thema "Die Überlieferung der
Sammlung, die Erscheinung der Bilder. Zur medialen
Vermittlung und Rezeptionsgeschichte von Kunst im 16. bis
18. Jahrhundert" wurden neun Arbeitsthesen diskutiert.
Christian Vöhringer stellte anhand des flämischen Sammlers
Antoine Perrenot de Granvelle die Frage danach, ob die
Edition humanistischen Gedankenguts in Büchern im 16.
Jahrhundert als Kompensation einer verlorenen Sammlung
(Gemälde Pieter Bruegels d. Ä.) gelten kann. Damit war ein
Problem klar benannt: Die meisten europäischen Sammlungen
sind uns nur aus der Überlieferung bekannt, da sie durch die
Zeitläufe zerstört oder zerstreut wurden.
Caecilie Weissert beleuchtete anhand der Galeriebilder
David Teniers d.J. und dem Galeriewerk "Theatrum Pictorium"
die herausragende Rolle der Repräsentation der Sammlung für
Erzherzog Leopold Wilhelms in Brüssel (Statthalter von
1646-56). Durch die Veröffentlichung des prominentesten
Segments seiner Sammlung steigerte er nicht nur den Wert des
einzelnen Objekts, sondern auch der Sammlung. Beat Wyss
brachte das Jahr 1720 als Epochenschwelle in die Diskussion,
an der das Konzept der Wunderkammer ausgedient hatte, in
Geheimbünde und Freimaurerlogen abwanderte und nunmehr eine
Aufteilung von Sammlungsgut in Spezialmuseen erfolgte.
Wissenschaftsärchäologisch knüpfte er die Ordnung von
Gemälden nach Schulzusammenhängen und historischen
Gesichtspunkten an naturwissenschaftliche Ordnungen (Carl
von Linné). Petra Thomas stellte das Museo Capitolino in Rom
vor, das als erstes öffentliches Antikenmuseum 1733 eine Zäsur darstellt. Die Reproduktionen verbanden den
Anspruch von Objektivität mit der expressiven
Wahrnehmungsästhetik der Zeit. Als Belegmaterial wurde sie
antiken Quellen zur Seite gestellt. Die Strategie,
päpstliche Macht durch Geschichtskontinuität aus der Antike
zu untermauern, veranlasste die Publikation des "Museo
Ecclesiastico" von Francesco Bianchini: ein Museum in großen
Schautafeln, das - so Brigitte Sölch - Kirchengeschichte zu
einem allegorischen Geschichtsbeweis umdeutete. Das Museum
wurde nie realisiert.
Anhand von Auktions- und Sammlungskatalogen in England im
18. Jahrhundert stellt Bärbel Küster die Bedeutung des
Kunstmarktes für die Vermittlung von Sammlungen dar: Die
häufig den Besitzer wechselnden Kunstwerke wurden beim
Verkauf der Öffentlichkeit zugänglich, Kataloge wurden
erstellt und die Werke von Kunsttheoretikern und Kennern
diskutiert. Anette Michels erläuterte die große Bedeutung
von Faksimiles von Handzeichnungen für die Geschichte der Sammlung von Grafik. Sie stellten eine "Evidenz des
Bildlichen" her, der eine Institutionalisierung und Ordnung
von Grafikkabinetten und die Verwissenschaftlichung in der
kunsthistorischen Bearbeitung ab dem frühen 19. Jahrhundert
folgte. Johann Wolfgang von Goethe vervollständigte ab 1818
planvoll seine Grafik-Sammlung, um vergleichendes Sehen zu
ermöglichen. Der Dichter sammelte für eine "kunsthistorisch
geschärfte Wahrnehmung" , mit der, so führte Johannes Grave
aus, die Frage nach dem "Original" verschoben wurde. Goethes
"idealer Kunstkörper" entsteht aus dem Schreiben über Kunst.
So auch bei August Wilhelm von Schlegel. Hubert Locher
besprach dessen "Nachrichten von den Gemälden in Paris",
1803 in der Zeitschrift "Europa" erschienen. Schlegels
Bildbeschreibungen brauchen die visuelle Abbildung nicht
mehr, da die literarische Beschreibungskunst als
eigenständige Gattung im Kontext der Ekphrasis etabliert
ist.
Die Beiträge und Diskussionen machten deutlich, dass die
Überlieferung von Sammlungen wesentlicher Bestandteil des
Sammelns selbst ist. Seit dem 16. Jahrhundert wurden dabei
nicht nur aus repräsentativen Gründen, sondern auch zur
Kompensation von Verlorenem, zum Studium und zur Schulung,
wie zur Veranschaulichung von Konzepten gesammelt. In der
Rezeption von Sammlungen verwischen zudem die Unterschiede
zwischen realen Objekten einer Sammlung und virtuellen
Zusammenstellungen, die den Weg auf die im 18. Jahrhundert
entstehende Historisierung von Kunst weisen. Hier lassen
sich konkrete Rückwirkungen auf die Sammelpraxis aufzeigen.
Bärbel Küster, Caecilie Weissert
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Dr. Bärbel Küster, Dr. Caecilie Weissert,
Institut für Kunstgeschichte, Keplerstr. 17, 70174
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