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Stuttgarter unikurier Nr. 93 April 2004
Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums:
Klimageschichte der Antike

Forschungen zum historischen Verlauf der Klimaentwicklung sind nicht nur für die Analyse des heutigen und die Prognose des künftigen Klimas von größter Bedeutung, sondern ebenso für das Verständnis historischer und siedlungsgeographischer Entwicklungen. Um diese Thematik ging es vom 4. bis 6. Dezember 2003 bei einem Kolloquium zur "Klimageschichte der Antike" im Internationalen Begegnungszentrum der Universität. Veranstalter waren die Abteilung Alte Geschichte des Historischen Instituts und die Ernst Kirsten Gesellschaft (Internationale Gesellschaft für Historische Geographie der Alten Welt).
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Auf dieser Baumscheibe sind die interannuellen Jahrringbreitenschwankungen gut zu verfolgen. Der Balken aus Tannenholz stammt aus einem süddeutschen Fachwerkhaus. Im oberen linken Quadranten sind die Anläufe von zwei Ästen zu sehen, die abgetrennt worden waren. Die Wunden hat der Baum geschlossen; so lässt sich aus dem absoluten Baumalter und den nach der Verwundung bis zur Borke gebildeten Jahresringen rekonstruieren, wann die Äste abgetrennt wurden: 22 Jahre bevor der Stamm gefällt wurde.
(Foto: Achim Bräuning)
Beiträge aus den Geowissenschaften, der Paläobotanik, der klassischen Philologie und der Alten Geschichte sollten Wege und Methoden der Ermittlung präziser Klimadaten aus der Antike und mögliche Einflüsse des Klimas auf Politik, Wirtschaft und Kultur aufzeigen und zur Diskussion stellen.

Literarische Quellen auswerten

Nach der Eröffnung des Kolloquiums durch Eckart Olshausen führte Holger Sonnabend (beide Stuttgart) in das Thema ein. Er hob hervor, dass für die griechisch-römische Antike die literarischen Nachrichten über Klimadaten in der neueren Forschung noch längst nicht ausreichend ausgewertet worden seien. Auch wenn in jüngerer Zeit versucht wurde, diese Lücke zu schließen - eine vollständige und systematische Auswertung der literarischen Quellen und die Vernetzung jener mit naturwissenschaftlichen Daten liege bislang nicht vor. Wichtig sei in diesem Zusammenhang zudem die Untersuchung antiker Erklärungsansätze von Klima und Wetter. Dabei seien neben den als wissenschaftlich zu bezeichnenden Erklärungsmodellen auch die religiös und mythologisch motivierten von Bedeutung.

Klimafluktuationen und Siedlungsgeschichte

Zwei Beiträge vermittelten einen Überblick über den Klimaverlauf längerer Zeiträume. Wolf Dieter Blümel (Stuttgart) zeigte diesen Verlauf für die vorgeschichtliche Zeit und die Antike bis hinein ins Mittelalter auf. Mehrere Klimafluktuationen sind für diesen Zeitraum nachgewiesen. Die Frage, inwiefern diese als Determinanten der Kultur- und Siedlungsgeschichte in der Alten Welt zu bestimmen seien, oder ob nicht ganz andere Faktoren für den historischen Prozess von größerer Relevanz seien, wurde während der Tagung immer wieder diskutiert. Insbesondere die jeweilige regionale Auswirkung globaler Klimaveränderungen erscheint als schwer zu bestimmen, für vergangene wie auch für künftige Zeiten. Wie sich beispielsweise die infolge der momentanen Erderwärmung steigenden Niederschläge regional verteilen werden, sei noch nicht zu prognostizieren.

Einen Überblick über den Klimagang der letzten 1.000 Jahre in Mitteleuropa bot Rüdiger Glaser (Heidelberg). Er stellte Ergebnisse eines langjährigen Projekts vor, bei dem Geowissenschaftler und Historiker an der Vernetzung ihrer jeweiligen Daten arbeiten. Die zunehmende Zahl literarischer Quellen seit dem späten Mittelalter und die Häufigkeit von Angaben zum Wetter in den Quellen einer agrarisch geprägten Gesellschaft ermöglichen die Kontrolle naturwissenschaftlicher Ergebnisse und gleichzeitig eine Betrachtung der Auswirkungen und der Wahrnehmung von Klimaveränderungen auf regionaler und lokaler Ebene. Dabei gilt es, auch methodische Probleme zu berücksichtigen, nicht zuletzt die Messbarkeit und Verwertbarkeit subjektiver Äußerungen zum Wetter.

Neues Verfahren der Dendrochronologie

Neueste Ergebnisse und Methoden aus Sicht der Paläobotanik stellte Burkhard Frenzel (Hohenheim) vor. Die herkömmliche Dendrochronologie, welche die Jahrringe historischen Baummaterials untersucht und chronologisch einordnet, wurde um ein Verfahren bereichert, das auf der Analyse von stabilen Isotopen dieser Jahrringe beruht. Die darauf basierenden Ergebnisse lassen präzisere Aussagen über die Klimaentwicklung in Europa zu. So ist für den Zeitraum von 200 v. Chr. bis etwa 150 n. Chr. davon auszugehen, dass die Sommertemperaturen um 1,5 bis 2,0 Grad Celsius über dem heutigen Niveau lagen, dann aber wieder in kurzer Zeit um etwa 1 bis 1,5 Grad unter das heutige Niveau sanken. Ob und in welchem Ausmaß dieser klimatologische Befund die etwa gleichzeitige Expansion und Blütezeit des römischen Reichs begünstigt habe, wurde ebenso diskutiert wie die mögliche Korrelation zwischen einer spätantiken Klimaverschlechterung und dem Untergang des Reiches im Westen sowie den umfassenden Migrationsbewegungen der Völkerwanderungszeit.

Die Schwierigkeit, historische oder kulturelle Entwicklungen kausal mit der Entwicklung des Klimas zu verknüpfen, thematisierte auch der Philologe Tilman Krischer (Berlin). Im Verlauf der griechischen Geschichte sei ein Übergang von einer mehr praktischen, anwendungsorientierten Wissenschaft hin zu mehr spielerischen, grundsätzlichen Ansätzen zu beobachten. Als Hintergründe für diesen Übergang vermutete Krischer die Klimafluktuationen dieses Zeitraums.

Was wusste Strabon über das Klima?

Den Fachbereich der Alten Geschichte vertrat Eckart Olshausen mit seinem Beitrag über das Klima in der Darstellung des Geographen Strabon. Dessen Werk mit dem Titel Geographika, eine voluminöse, zur Zeit des Augustus verfasste Beschreibung des Erdkreises, enthält gelegentlich Angaben, die Einblick in den antiken klimatologischen Kenntnisstand geben. Eine Gliederung der Oikumene durch Klimazonen war Strabon und der Geographie seiner Zeit bekannt, wobei die Intensität der Sonneneinstrahlung als Hauptursache verstanden wurde. Übereinstimmungen von Flora und Fauna führt Strabon auf gleiche Klimazonen zurück und ermittelt so denselben Breitengrad für Taprobane (heute Sri Lanka) und das Zimtland (heute Somalia). Auch für das Wissen um die Abhängigkeit des Klimas von der Reliefgliederung der Erde finden sich Belege im Werk Strabons.

Landschaftsentwicklung im Blick

Die Marburger Geographen Helmut Brückner und Andreas Vött berichteten über Forschungsprojekte in Unteritalien und im östlichen Mittelmeerraum. Mit geowissenschaftlichen, paläobotanischen und archäologischen Methoden wird versucht, die Entwicklung der jeweiligen Landschaft in antiker Zeit zu rekonstruieren. Die Ergebnisse dieser Rekonstruktionen wurden vor dem Hintergrund der Frage diskutiert, ob die beobachteten Veränderungen auf die Entwicklung des Klimas oder auf anthropogene, vom Menschen verursachte Faktoren zurückzuführen seien.

Die Vorträge zur Klimageschichte sollen in einem der nächsten Bände der von Eckart Olshausen und Holger Sonnabend herausgegebenen Zeitschrift "Orbis Terrarum" publiziert werden. Das nächste Kolloquium ist für Mai 2005 unter dem Titel "Landschaft und Religion" geplant. Frank Stini

KONTAKT

Historisches Institut, Abteilung Alte Geschichte, Keplerstr. 17, 70174 Stuttgart,
Keplerstr. 17, 70174 Stuttgart, Tel. 0711/121-3439, -3449, Fax 0711/121-3548,
e-mail: frank.stini@po.hi.uni-stuttgart.de sowie unter
www.uni-stuttgart.de/hi/.

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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