Beiträge aus den Geowissenschaften, der
Paläobotanik, der klassischen Philologie und der Alten
Geschichte sollten Wege und Methoden der Ermittlung präziser
Klimadaten aus der Antike und mögliche Einflüsse des Klimas
auf Politik, Wirtschaft und Kultur aufzeigen und zur
Diskussion stellen.Literarische Quellen auswerten
Nach der Eröffnung des Kolloquiums durch Eckart Olshausen
führte Holger Sonnabend (beide Stuttgart) in das Thema ein.
Er hob hervor, dass für die griechisch-römische Antike die
literarischen Nachrichten über Klimadaten in der neueren
Forschung noch längst nicht ausreichend ausgewertet worden
seien. Auch wenn in jüngerer Zeit versucht wurde, diese
Lücke zu schließen - eine vollständige und systematische
Auswertung der literarischen Quellen und die Vernetzung
jener mit naturwissenschaftlichen Daten liege bislang nicht
vor. Wichtig sei in diesem Zusammenhang zudem die
Untersuchung antiker Erklärungsansätze von Klima und Wetter.
Dabei seien neben den als wissenschaftlich zu bezeichnenden
Erklärungsmodellen auch die religiös und mythologisch
motivierten von Bedeutung.
Klimafluktuationen und Siedlungsgeschichte
Zwei Beiträge vermittelten einen Überblick über den
Klimaverlauf längerer Zeiträume. Wolf Dieter Blümel
(Stuttgart) zeigte diesen Verlauf für die vorgeschichtliche
Zeit und die Antike bis hinein ins Mittelalter auf. Mehrere
Klimafluktuationen sind für diesen Zeitraum nachgewiesen.
Die Frage, inwiefern diese als Determinanten der Kultur- und
Siedlungsgeschichte in der Alten Welt zu bestimmen seien,
oder ob nicht ganz andere Faktoren für den historischen
Prozess von größerer Relevanz seien, wurde während der
Tagung immer wieder diskutiert. Insbesondere die jeweilige
regionale Auswirkung globaler Klimaveränderungen erscheint
als schwer zu bestimmen, für vergangene wie auch für
künftige Zeiten. Wie sich beispielsweise die infolge der
momentanen Erderwärmung steigenden Niederschläge regional
verteilen werden, sei noch nicht zu prognostizieren.
Einen Überblick über den Klimagang der letzten 1.000
Jahre in Mitteleuropa bot Rüdiger Glaser (Heidelberg). Er
stellte Ergebnisse eines langjährigen Projekts vor, bei dem
Geowissenschaftler und Historiker an der Vernetzung ihrer
jeweiligen Daten arbeiten. Die zunehmende Zahl literarischer
Quellen seit dem späten Mittelalter und die Häufigkeit von
Angaben zum Wetter in den Quellen einer agrarisch geprägten
Gesellschaft ermöglichen die Kontrolle
naturwissenschaftlicher Ergebnisse und gleichzeitig eine
Betrachtung der Auswirkungen und der Wahrnehmung von
Klimaveränderungen auf regionaler und lokaler Ebene. Dabei
gilt es, auch methodische Probleme zu berücksichtigen, nicht
zuletzt die Messbarkeit und Verwertbarkeit subjektiver
Äußerungen zum Wetter.
Neues Verfahren der Dendrochronologie
Neueste Ergebnisse und Methoden aus Sicht der
Paläobotanik stellte Burkhard Frenzel (Hohenheim) vor. Die
herkömmliche Dendrochronologie, welche die Jahrringe
historischen Baummaterials untersucht und chronologisch
einordnet, wurde um ein Verfahren bereichert, das auf der
Analyse von stabilen Isotopen dieser Jahrringe beruht. Die
darauf basierenden Ergebnisse lassen präzisere Aussagen über
die Klimaentwicklung in Europa zu. So ist für den Zeitraum
von 200 v. Chr. bis etwa 150 n. Chr. davon auszugehen, dass
die Sommertemperaturen um 1,5 bis 2,0 Grad Celsius über dem
heutigen Niveau lagen, dann aber wieder in kurzer Zeit um
etwa 1 bis 1,5 Grad unter das heutige Niveau sanken. Ob und
in welchem Ausmaß dieser klimatologische Befund die etwa
gleichzeitige Expansion und Blütezeit des römischen Reichs
begünstigt habe, wurde ebenso diskutiert wie die mögliche
Korrelation zwischen einer spätantiken Klimaverschlechterung
und dem Untergang des Reiches im Westen sowie den
umfassenden Migrationsbewegungen der Völkerwanderungszeit.
Die Schwierigkeit, historische oder kulturelle
Entwicklungen kausal mit der Entwicklung des Klimas zu
verknüpfen, thematisierte auch der Philologe Tilman Krischer
(Berlin). Im Verlauf der griechischen Geschichte sei ein
Übergang von einer mehr praktischen, anwendungsorientierten
Wissenschaft hin zu mehr spielerischen, grundsätzlichen
Ansätzen zu beobachten. Als Hintergründe für diesen Übergang
vermutete Krischer die Klimafluktuationen dieses Zeitraums.
Was wusste Strabon über das Klima?
Den Fachbereich der Alten Geschichte vertrat Eckart
Olshausen mit seinem Beitrag über das Klima in der
Darstellung des Geographen Strabon. Dessen Werk mit dem
Titel Geographika, eine voluminöse, zur Zeit des Augustus
verfasste Beschreibung des Erdkreises, enthält gelegentlich
Angaben, die Einblick in den antiken klimatologischen
Kenntnisstand geben. Eine Gliederung der Oikumene durch
Klimazonen war Strabon und der Geographie seiner Zeit
bekannt, wobei die Intensität der Sonneneinstrahlung als
Hauptursache verstanden wurde. Übereinstimmungen von Flora
und Fauna führt Strabon auf gleiche Klimazonen zurück und
ermittelt so denselben Breitengrad für Taprobane (heute Sri
Lanka) und das Zimtland (heute Somalia). Auch für das Wissen
um die Abhängigkeit des Klimas von der Reliefgliederung der
Erde finden sich Belege im Werk Strabons.
Landschaftsentwicklung im Blick
Die Marburger Geographen Helmut Brückner und Andreas Vött
berichteten über Forschungsprojekte in Unteritalien und im
östlichen Mittelmeerraum. Mit geowissenschaftlichen,
paläobotanischen und archäologischen Methoden wird versucht,
die Entwicklung der jeweiligen Landschaft in antiker Zeit zu
rekonstruieren. Die Ergebnisse dieser Rekonstruktionen
wurden vor dem Hintergrund der Frage diskutiert, ob die
beobachteten Veränderungen auf die Entwicklung des Klimas
oder auf anthropogene, vom Menschen verursachte Faktoren
zurückzuführen seien.
Die Vorträge zur Klimageschichte sollen in einem der
nächsten Bände der von Eckart Olshausen und Holger Sonnabend
herausgegebenen Zeitschrift "Orbis Terrarum" publiziert
werden. Das nächste Kolloquium ist für Mai 2005 unter dem
Titel "Landschaft und Religion" geplant. Frank Stini
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