Günther Schweikle, am 8. Januar
1929 in Reutlingen geboren, erhielt nach
Studium/Habilitation und Assistentenzeit in Tübingen 1968
einen Ruf auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Ältere
deutsche Philologie in Stuttgart. Hier vertrat er bis zu
seiner Emeritierung das Gebiet Deutsche Literatur und
Sprache des Mittelalters, das zur Zeit seines Amtsantritts
noch nicht in literaturwissenschaftliche und
sprachwissenschaftlich-linguistische Disziplinen aufgeteilt
war, in seiner ganzen Breite. Schweikles bleibendes
Verdienst ist der Aufbau des Faches mit einer
Institutsbibliothek, die bis jetzt dem Institut erhalten
blieb. Manches rare Buch musste auf der Jagd nach
Antiquariatsschätzen erst beschafft werden. Der Stolz des
Professors war stets eine Sammlung alter und neuer
Faksimiledrucke und Editionen, die er auch gern auswärtigen
Gästen zeigte.Vor allem aber ist die Etablierung und hohe
Anerkennung des Faches Ältere Deutsche Philologie im Rahmen
der Philosophischen Fakultät dem Einsatz Günther Schweikles
zu verdanken. Die große Zahl von Studierenden, die von ihm
aufmerksam betreut wurden und ihn deshalb gern als Prüfer
wählte, weist auf ein besonderes Engagement des akademischen
Lehrers. Frühmittelalter, Sprachgeschichte und besonders die
Literatur der "Blütezeit um 1200" mit Minnesang, höfischer
Epik und Heldenepik waren Schwerpunkte der Lehre ebenso wie
der Forschung. Der kritische Scharfsinn, der keine
Kontroverse scheut, war immer und überall am Werk.
Wegweisend waren und sind die neuen Prinzipien der
Textedition. Während in den philologischen Disziplinen zuvor
ein nirgends überlieferter "Urtext des Autors" rekonstruiert
wurde, setzt Schweikle dagegen den Bezug auf eine
Leithandschrift, die tatsächlich auch überliefert ist. Die
so grundgelegten Editionen und die wissenschaftlichen
Arbeiten, die auf aktuelle Trends zugunsten strenger
philologischer Ausrichtung verzichteten, sind und bleiben
Standardbücher der mediävistischen Germanistik: Editionen
von Minnesang und von Walther von der Vogelweide ebenso wie
das von Günther und Irmgard Schweikle gemeinsam
herausgegebene Orientierungswerk "Metzler Literaturlexikon.
Begriffe und Definitionen". Die "Germanisch-deutsche
Sprachgeschichte im Überblick" ist als Handreichung für die
Studierenden fürs Studium geschätzt. Eine reiche Ernte von
Ausgaben mittelalterlicher Werke sowie von Aufsätzen,
Lexikonartikeln und Rezensionen gibt Zeugnis vom Fleiß eines
langen Gelehrtenlebens. Die internationale Reputation beruht
auf der Fülle wichtiger Beiträge zur Forschung.
In der Stuttgarter Öffentlichkeit erwarb sich Günther
Schweikle Ansehen durch die Gründung und Leitung der
Mittwochsgesellschaft, in der Germanisten und Vertreter
verwandter Fächer Vorträge für ein interessiertes Publikum
hielten. Hier konnte man großen Persönlichkeiten wie Käte
Hamburger und Fritz Martini begegnen.
Zum Geburtstag am 8. Januar 2004 gratulierten nicht nur
Freunde und Kollegen, auch viele jüngere Germanistinnen und
Germanisten aus Schulen, Verlagen und anderen Institutionen
erinnerten sich dankbar ihres engagierten Lehrers.
Helga Schüppert