Zu Schlaichs bekanntesten Bauwerken zählen die über 1.000
Meter lange Ting Kau-Brücke in Hong Kong und die
Hooghly-Brücke in Kalkutta. Aber auch in Stuttgart sind
seine Bauwerke unübersehbar. Er entwarf das Dach des
Daimler-Stadions und konzipierte den grazilen
Killesbergturm.
Schlaich begann sein Studium in Stuttgart, wechselte dann
nach Berlin. 1960 kam er zurück nach Stuttgart und
promovierte bei Prof. Fritz Leonhardt, der bereits mit dem
Bau des Fernsehturms Maßstäbe in Stuttgart gesetzt hatte.
Gemeinsam entwarfen sie später das Dach des Olympiastadions
in München. 1974 wurde Jörg Schlaich Nachfolger von Fritz
Leonhardt am Institut für Massivbau der Universität
Stuttgart, dem heutigen Institut für Leichtbau, Entwerfen
und Konstruieren. Später gründete er mit Rudolf Bergermann
ein eigenes Ingenieurbüro. "Viele Studierende durften seine
Lehre genießen", damit zitierte Uni-Rektor Dieter Fritsch
die ehemalige Doktorandin am Institut, Annette Bögle, die
über Schlaichs Vorlesungen sagte: "Seine Freude am
Gestalten, des Ganzen ebenso wie des Details, war spürbar
und übertrug sich auf alle im Hörsaal. Plötzlich ergaben
Fakten, Formeln und Gesetze einen Sinn. Theorien galten
nicht mehr um ihrer selbst willen, sondern erhielten ihre
Bedeutung."
Konstruktion, Ästhetik und soziale Aspekte vereint
Seit 1916 wird der Werner-von Siemens-Ring alle drei
Jahre vergeben. Weitere Ringträger sind Konrad Zuse, Wernher
von Braun und auch Fritz Leonhardt. Drei Gesichtspunkte
führten zur Wahl des Bauingenieurs Jörg Schlaichs,
erläuterte der Vorsitzende des Stiftungsrats der
Werner-von-Siemens-Ring-Stiftung Prof. Ernst Göbel: "Die
herausragenden Leistungen beim Entwerfen und Konstru- ieren,
die Ästhetik und die Einbeziehung ökologischer und sozialer
Gesichtspunkte bei der Planung und Umsetzung der Bauwerke."
Bestes Beispiel hierfür ist die Hooghly-Brücke in Kalkutta, die über einen Arm des Ganges
führt. Einheimische Arbeitskräfte bauten diese damals
weltgrößte Schrägseilbrücke mit heimischen Werkstoffen.
"Kalkutta ist eine Stahlstadt. In Deutschland würde man die
Teile zusammenschweißen, doch der Stahl dort war nicht
schweißbar, zudem hätte es dafür gar keine Werkzeuge
gegeben. Deshalb entschieden wir uns für Nieten", erläuterte
Jörg Schlaich. Schrittweise entstand die Brücke. Die
unzähligen Nieten wurden in einfachen Grillöfen mit
Holzkohle erhitzt. Das Holz für die Schalung haben die
Arbeiter mit Fuchsschwänzen gesägt. Auch die benötigten
Seile wurden im Land gefertigt. "Diese Brücke hat Tausende
beschäftigt und viele Familien ernährt", berichtete Schlaich
sichtlich bewegt.
Plädoyer für Aufwindkraftwerk
Der Bauingenieur nutzte die Ringübergabe auch, um für
seine aktuellen Pläne zu werben. Ein Aufwindkraftwerk, dass
die Energie der Sonne nutzt. "Arme Länder sind meistens
Länder mit hoher Sonneneinstrahlung, das könnte ein
Vorsprung für diese Länder sein", erklärte Schlaich. Das
Kraftwerk soll aus einem Stahlbetonturm von bis zu 1.000
Metern Höhe und rund 200 Metern Durchmesser bestehen. Türme
solcher Dimension wurden noch nie gebaut. Im unteren Bereich
des Turmes ist ein Glasdach geplant, unter dem die Luft wie
bei einem Gewächshaus erwärmt und dann durch den Turm wie
durch einen Kamin nach oben abgeleitet würde. Die starken
Luftströmungen setzen dann Turbinen in Bewegung. Ein
Prototyp des Kraftwerks wurde bereits in Spanien gebaut. Ein
weiteres ist in Australien geplant. "Wenn wir wollen, können wir die Welt verändern" appellierte der
Bauingenieur Jörg Schlaich optimistisch.
Birgit Vennemann
*)
Siehe dazu auch unikurier Nr. 91, 1/2003, S. 117