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Stuttgarter unikurier Nr. 93 April 2004
Lebenswerk von Jörg Schlaich gewürdigt:
Siemens-Ring für den Herrn der Brücken und Türme

Wissenschaftsminister Peter Frankenberg bezeichnete Jörg Schlaich als einen der profiliertesten Wissenschaftler unseres Landes: "Er hat Brücken gebaut im wörtlichen und indirekten Sinne über Grenzen hinweg." Am 12. Dezember erhielt der Bauingenieur Jörg Schlaich, emeritierter Professor der Universität Stuttgart, nun für sein vielseitiges, international beachtetes Lebenswerk den Werner-von-Siemens-Ring*). Dies ist die höchste deutsche Auszeichnung auf dem Gebiet der Naturwissenschaft und Technik.
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Auf besonderen Wunsch von Jörg Schlaich fand die Verleihung des Siemens-Ringes an der Universität Stuttgart, seiner akademischen Heimat, statt. Unser Foto zeigt von links den Preisträger mit Ernst O. Göbel, dem Vorsitzenden des Stiftungsrates, Uni-Rektor Dieter Fritsch und Wissenschaftsminister Peter Frankenberg.
(Foto: Eppler)
Zu Schlaichs bekanntesten Bauwerken zählen die über 1.000 Meter lange Ting Kau-Brücke in Hong Kong und die Hooghly-Brücke in Kalkutta. Aber auch in Stuttgart sind seine Bauwerke unübersehbar. Er entwarf das Dach des Daimler-Stadions und konzipierte den grazilen Killesbergturm.

Schlaich begann sein Studium in Stuttgart, wechselte dann nach Berlin. 1960 kam er zurück nach Stuttgart und promovierte bei Prof. Fritz Leonhardt, der bereits mit dem Bau des Fernsehturms Maßstäbe in Stuttgart gesetzt hatte. Gemeinsam entwarfen sie später das Dach des Olympiastadions in München. 1974 wurde Jörg Schlaich Nachfolger von Fritz Leonhardt am Institut für Massivbau der Universität Stuttgart, dem heutigen Institut für Leichtbau, Entwerfen und Konstruieren. Später gründete er mit Rudolf Bergermann ein eigenes Ingenieurbüro. "Viele Studierende durften seine Lehre genießen", damit zitierte Uni-Rektor Dieter Fritsch die ehemalige Doktorandin am Institut, Annette Bögle, die über Schlaichs Vorlesungen sagte: "Seine Freude am Gestalten, des Ganzen ebenso wie des Details, war spürbar und übertrug sich auf alle im Hörsaal. Plötzlich ergaben Fakten, Formeln und Gesetze einen Sinn. Theorien galten nicht mehr um ihrer selbst willen, sondern erhielten ihre Bedeutung."

Konstruktion, Ästhetik und soziale Aspekte vereint

Seit 1916 wird der Werner-von Siemens-Ring alle drei Jahre vergeben. Weitere Ringträger sind Konrad Zuse, Wernher von Braun und auch Fritz Leonhardt. Drei Gesichtspunkte führten zur Wahl des Bauingenieurs Jörg Schlaichs, erläuterte der Vorsitzende des Stiftungsrats der Werner-von-Siemens-Ring-Stiftung Prof. Ernst Göbel: "Die herausragenden Leistungen beim Entwerfen und Konstru- ieren, die Ästhetik und die Einbeziehung ökologischer und sozialer Gesichtspunkte bei der Planung und Umsetzung der Bauwerke." Bestes Beispiel hierfür ist die Hooghly-Brücke in Kalkutta, die über einen Arm des Ganges führt. Einheimische Arbeitskräfte bauten diese damals weltgrößte Schrägseilbrücke mit heimischen Werkstoffen. "Kalkutta ist eine Stahlstadt. In Deutschland würde man die Teile zusammenschweißen, doch der Stahl dort war nicht schweißbar, zudem hätte es dafür gar keine Werkzeuge gegeben. Deshalb entschieden wir uns für Nieten", erläuterte Jörg Schlaich. Schrittweise entstand die Brücke. Die unzähligen Nieten wurden in einfachen Grillöfen mit Holzkohle erhitzt. Das Holz für die Schalung haben die Arbeiter mit Fuchsschwänzen gesägt. Auch die benötigten Seile wurden im Land gefertigt. "Diese Brücke hat Tausende beschäftigt und viele Familien ernährt", berichtete Schlaich sichtlich bewegt.

Plädoyer für Aufwindkraftwerk

Der Bauingenieur nutzte die Ringübergabe auch, um für seine aktuellen Pläne zu werben. Ein Aufwindkraftwerk, dass die Energie der Sonne nutzt. "Arme Länder sind meistens Länder mit hoher Sonneneinstrahlung, das könnte ein Vorsprung für diese Länder sein", erklärte Schlaich. Das Kraftwerk soll aus einem Stahlbetonturm von bis zu 1.000 Metern Höhe und rund 200 Metern Durchmesser bestehen. Türme solcher Dimension wurden noch nie gebaut. Im unteren Bereich des Turmes ist ein Glasdach geplant, unter dem die Luft wie bei einem Gewächshaus erwärmt und dann durch den Turm wie durch einen Kamin nach oben abgeleitet würde. Die starken Luftströmungen setzen dann Turbinen in Bewegung. Ein Prototyp des Kraftwerks wurde bereits in Spanien gebaut. Ein weiteres ist in Australien geplant. "Wenn wir wollen, können wir die Welt verändern" appellierte der Bauingenieur Jörg Schlaich optimistisch.

Birgit Vennemann

*) Siehe dazu auch unikurier Nr. 91, 1/2003, S. 117

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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