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Stuttgarter unikurier Nr. 93 April 2004
Frauenpower in Männerdomäne:
Amelia Earhart Fellowship Award für Nachwuchswissenschaftlerinnen

Der 16. Januar 2004 war für Pia Endlich und Nataliya Semenova kein Tag wie jeder andere. Die Nachwuchswissenschaftlerinnen der Universität Stuttgart erhielten vom Zonta Club Stuttgart den Amelia Earhart Fellowship Award. Bürgermeisterin Gabriele Müller-Trimbusch gratulierte und Prof. Dr. Hans-Peter Röser, Leiter des Instituts für Raumfahrtsysteme, hielt einen Festvortrag über "Die Universität Stuttgart mit Kleinsatelliten auf dem Weg zum Mond".
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Zonta International, ein weltweiter Zusammenschluss berufstätiger Frauen, 1919 in Buffalo, New York, gegründet, zählt rund 33.000 Mitglieder in 67 Ländern. Den Stuttgarter Club gibt es seit 1959. Um junge Frauen zu ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen und ihre beruflichen Interessen und Fähigkeiten auch in von Männern dominierten Berufszweigen einzubringen, vergibt Zonta International den mit 6.000 Dollar dotierten Amelia Earhart Fellowship Award an junge Wissenschaftlerinnen, die in der Luft- und Raumfahrt Pionierleistungen erbringen. Die Namensgeberin des Preises, Amelia Earhart, überquerte 1932 als erste Frau im Alleinflug den Atlantik.

Auszeichnung als Motivation

"So ein Preis, das motiviert", sagt Pia Endlich, die gerade am Institut für Raumfahrtsysteme ihre Promotionsarbeit schreibt, in der sie sich mit der experimentellen Simulation des Eintritts von Raumflugkörpern in der Marsatmosphäre beschäftigt - ein sehr aktuelles Thema. Dank ihrer Forschung werden vielleicht einmal weitere Beagles oder gar Menschen unbeschadet auf dem Mars landen können. Luft- und Raumfahrttechnik zu studieren, das lag für die Nürnbergerin auf der Hand. "Mathe und Physik waren meine Highlights in der Schule", erzählt sie, zudem sei das Fach recht interdisziplinär angelegt - Naturwissenschaften und Technik, von allem ist etwas dabei. Ab und an musste sie sich ihren männlichen Kommilitonen gegenüber schon behaupten, erinnert sich Pia Endlich, manchmal war auch der Umgangston rauer als gewohnt. Mit den anderen Frauen ihres Semesters hat sie sich aber dennoch nicht zusammengetan. "Wir hatten alle unsere Männerclique", das war so in Ordnung, und wenn bei Telefongesprächen die Herren davon ausgingen, mit der Sekretärin zu reden, war das zunächst nervig ... später ein Witz beim Kaffee.

Als Monika Auweter-Kurtz, heute Professorin am Institut für Raumfahrtsysteme, 1979 erste Preisträgerin des Zonta Clubs Stuttgart wurde, waren die Zeiten noch anders. Unter 80 Männern war die Absolventin eines reinen Mädchengymnasiums die einzige Frau, als sie ihr Physikstudium in Stuttgart begann. "Die ersten drei Semester habe ich nur überstanden, weil ich gut war", sagt sie heute. Doch von Semester zu Semester ging es besser, und in der letzten Phase ihrer Promotion - nun bei den Luft- und Raumfahrern - hat ihr der international ausgeschriebene Preis dann sehr viel bedeutet und psychischen Aufschwung gegeben. Zwischenzeitlich schreiben sich allein in der Luft- und Raumfahrttechnik rund 30 bis 50 Frauen pro Semester ein. Ob es an der Professorin Auweter-Kurtz liegt, an den Studienkolleginnen oder es sich langsam herumgesprochen hat, dass die Ingenieurwissenschaften für Frauen durchaus interessant sind?

Triebwerke optimieren

In der Ukraine, der Heimat von Nataliya Semenova, studieren viele Frauen technische Fächer. In ihrer Abschlussgruppe an einer Universität für Luft- und Raumfahrttechnik waren die Frauen gar in der Überzahl, erzählt sie. Als die Metrologin im November 2002 an die Universität Stuttgart kam, um am Institut für Raumfahrtsysteme mit ihrer experimentellen Promotionsarbeit zu beginnen - in ihrer Heimat wäre es bei der Theorie geblieben -, war sie schon sehr erstaunt darüber, wie wenig Frauen in den technischen Fächern anzutreffen sind. In drei Jahren hofft sie, ihre Arbeit abschließen zu können, in der sie sich mit der optischen Plasmadiagnostik an Ionentriebwerken beschäftigt. Die von Nataliya Semenova dabei entwickelten Messverfahren sollen dazu beitragen, diese Triebwerke zu optimieren und somit noch leistungsfähiger zu machen.

Von Automobilindustrie bis Luftfahrt

"Die Frauen gehen kritischer mit ihrer Leistung um", sagt Pia Endlich, die sich für die Promotion nur entschieden hat, weil sie darauf angesprochen wurde - sonst wäre sie als Ingenieurin von der Uni abgegangen. Eine weitere Unilaufbahn kommt für sie jedoch nicht in Frage. Für die Zukunft hofft sie auf einen Arbeitsplatz in einem Unternehmen an der Schnittstelle zwischen Forschung und Entwicklung, möglichst kombiniert mit einem Auslandsaufenthalt, das wäre toll. Eine adäquate Anstellung als Frau zu finden, wenn die Arbeitplätze rar werden, das ist für Pia Endlich in Deutschland genau so schwer wie für ihre Kollegin Semenova, wenn sich diese nach Abschluss ihrer Promotion in die Ukraine auf die Suche machen wird. Im Zweifelsfall hat, hier wie dort, der männliche Bewerber die besseren Chancen. Doch die Breite ihres Studienfachs lässt beide hoffen: ob Windräder zur Wasser- oder Energiegewinnung, ob in der Automobilindustrie oder in der Luftfahrt, die Einsatzgebiete für sie sind weit gestreut.

Solange die Gleichberechtigung von Frau und Mann noch nicht erreicht ist und man in Führungsebenen fast keine Frauen findet, sind Preise, wie der von Zonta International gestiftete Amelia Earhart Fellowship Award, wichtig, da sind sich Monika Auweter-Kurtz, Pia Endlich und Nataliya Semenova einig. Jedoch, fügt Pia Endlich an: "Man hat fast Mitleid mit den Kollegen, die auch hart arbeiten und keinen Preis bekommen...." Julia Alber

KONTAKT

Pia Endlich, Nataliya Semenova, Institut für Raumfahrtsysteme, Pfaffenwaldring 31, 70569 Stuttgart, Tel. 0711/685-2384, -2394, Fax 0711/685-7527, www.irs.uni-stuttgart.de/institut/mitarbeiter, sowie unter www.zonta-union.de/clubseiten/stuttgart.


 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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