Einer der Dozenten der ersten
Stunde ist Dr. Hans-Dieter Görtz, Professor am Biologischen
Institut der Universität Stuttgart. Er vermittelt den
Studierenden der Fächer Biotechnologie und Pharmazie die
Grundlagen der Biologie. Bis Ende Februar startete er
sechsmal Freitags nach Kairo, unterrichtete von Samstag bis
Sonntag, und war dann am Montag wieder in Vaihingen
anzutreffen. Seine Stuttgarter Studenten dürfen ja nicht zu
kurz kommen.
Von der Faszination des Aufbaus
Auch wenn während des Winterhalbjahres der Wechsel
zwischen 26 Grad Celsius in Kairo und Minusgraden in
Stuttgart nicht immer angenehm ist, erzählt Hans-Dieter
Görtz von der Faszination, etwas mit aufzubauen und dabei -
mehr als in Deutschland - die Freiheit zu haben, das
einzubringen, was man für sinnvoll hält. "In vieler Hinsicht
weniger Zwänge durch enge Vorschriften sind auch eine gute
Voraussetzung, in echten Wettbewerb mit anderen
Universitäten in Ägypten zu treten; Chancen, die wir in
dieser Weise hier nicht wirklich haben", merkt der
Biologie-Professor an. Für seine Kollegen in Kairo, die mit
Eifer bei der Sache sind, ist er voll des Lobes: "Was die
Universitätsleitung leistet, das ist unglaublich." So geht
zum Beispiel alles, was innerhalb des Hauses entschieden
werden kann, ohne große Formalitäten schnell über die
Bühne." Innerhalb von drei Tagen wurde für uns ein Wägeraum
eingerichtet", das sind Dinge, die beeindrucken.
Probleme mit Englisch
Mit den Studierenden kommt Hans-Dieter Görtz gut zurecht.
Wie auch an seiner Heimatuniversität gibt es gute und
weniger gute, doch schon jetzt ist er sich sicher: "Von den
Leuten würde ich später gerne einige als Doktoranden haben."
Besonders unter den Schulabgängern der Deutschen
evangelischen Schule in Kairo hat er schon "hervorragende
Leute" ausgemacht, die "sprachlich und naturwissenschaftlich
fit sind." Mit der Unterrichtssprache Englisch kämpft noch
so mancher Studierende. Da ist der Sprachunterricht
einerseits wichtig, doch die acht Stunden wöchentlich fehlen
bei den Studienfächern, und das findet der
Biologie-Professor problematisch.
250 Studierende besuchen die Vorlesung von Hans-Dieter
Görtz und machen diese mit ihren vielfältigen Nachfragen,
die auch durchaus weiterführend sind, zu einer lebendigen
Veranstaltung, wie es der Professor von Zuhause nicht kennt.
Und, fügt er an, "es gibt keine Vorlesung, nach der nicht
zahlreiche Studenten zu mir nach vorn kommen." Die
Umstellung von einem Schulsystem, in dem viel geprüft und
auswendig gelernt wurde, hin zum selbstständigen Lernen,
fällt jedoch vielen schwer. Wie sollen wir lernen?, Welches
Buch sollen wir lesen?, wird Hans-Dieter Görtz daher oft
gefragt: "Ich empfehle dann zwar ein, zwei Bücher, rate
aber, sich in der Bibliothek auch mit anderer Literatur zu
beschäftigen, sie sollen ja richtig studieren." Dank der
Unterstützung der Universität Stuttgart, besonders des
Direktors der Universitätsbibliothek, Werner Stephan, ist
die Bibliothek der German University in Cairo nun mit einem
Grundbestand an Büchern ausgerüstet. Dass dies erst zu
Beginn des zweiten Semesters möglich wurde, liegt mit am
Zoll. Dort werden nicht nur Bücher lange zurückgehalten, an
dem kommt auch die ganze technische Ausstattung, die dem
neuesten Standard entspricht, so schnell nicht vorbei. "Das
Beschaffungsproblem ist enorm", weiß Hans-Dieter Görtz, der
jedoch aufatmen kann - seine Zeiss-Mikroskope für die Praxis
im zweiten Semester sind schon da.
Familie zählt viel
Anfangs- und Endzeiten des Studienbetriebs an der German
University in Kairo bestimmt die Flotte der Shuttle-Busse
der GUC, die Studierende und Mitarbeiter zu dem weit
außerhalb von Kairo liegenden Campus fahren und am Abend
wieder abholen. Wohnmöglichkeiten an der Universität gibt es
nur wenige, doch viele der Studierenden werden, auch wenn es
diese einmal geben wird, wahrscheinlich bei ihren Eltern
wohnen bleiben. "Dort zählt die Familie noch sehr viel", hat
Hans-Dieter Görtz erfahren, und auch, dass der Ramadan in
Kairo zu einem anderen Studienbetrieb führt als gewohnt.
"Sobald es Nacht wird, sitzt man dann bei der Familie am
Tisch", und das kann dann schon mal ab halb fünf Uhr am
Nachmittag sein. Doch: Andere Länder andere Sitten, der
Professor nimmt es gelassen, "man kann sich darauf
einstellen und Rücksicht nehmen."
Einen Punkt kann er jedoch nicht gelassen sehen: "Wie
sich die Eltern einbringen, den Rektor oder die Dozenten
anrufen, wenn ihre Kinder eine schlechte Note bekommen
haben, das habe ich noch nie erlebt", erzählt der Professor,
und das Erstaunen ist noch immer in seiner Stimme. Da kommt
die Uni-Leitung ganz schön unter Druck, können an der
privaten Universität doch nur die guten Studenten mit einem
"Preisnachlass" rechnen2). In dieser Situation ist es
wichtig, den Kollegen und gerade auch den jüngeren Lektoren
den Rücken zu stärken, findet Hans-Dieter Görtz, denn "die
Qualität der Universitätsausbildung muss erhalten bleiben,
das ist wichtig, und dafür werden wir zusammen kämpfen.
Deshalb müssen wir, die deutschen Koordinatoren, auch
möglichst oft vor Ort präsent sein." Julia Alber
1) Über die Eröffnung der GUC im Oktober 2003 haben wir
im
unikurier Nr. 92, 2/2003, S.
67f. berichtet.
2) Die Studiengebühren an der GUC werden aufgrund der
Noten der Bewerber vor Studienbeginn festgelegt. Schlechte
Prüfungsergebnisse machen diese Einstufung zunichte.
KONTAKT
German University in Cairo (GUC), New Cairo City, Main
Entrance Al Tagamoa Al Khames, Egypt
Tel. +20-2-7589990-8, Fax +20-2-7581041, e-mail:
contact@guc.edu.eg;
in Deutschland: Koordination an der Universität Stuttgart:
braeuninger@ia.uni-stuttgart.de, Homepage:
www.guc.edu.eg
(englisch) oder
www.guc.uni-stuttgart.de (deutsch)