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Stuttgarter unikurier Nr. 93 April 2004
Gründungsförderung an der Universität Stuttgart:
Ziel ist der gründungsmündige Absolvent
Innovation wird in der Gründungsförderung der Universität Stuttgart groß geschrieben: Nicht nur die Qualifikation eines Gründers, sondern Geschäftsidee und Kundennutzen stehen im Mittelpunkt. Besonders wichtig ist hierbei die Schnittstelle zwischen anwendungsbezogener Forschung und Wirtschaft. Die Universität Stuttgart hat darauf reagiert, indem sie die Gründungsförderung als Sonderaufgabe dem Prorektorat für Forschung und Technologie übertrug. Allerdings sind aufgrund leerer öffentlicher Kassen die beiden Förderprogramme EXIST-SEED und Junge Innovatoren gefährdet, und ein Abebben der Fördermittel bedroht auch die universitäre Gründungsförderung. In unserem Interview nehmen der neu amtierende Prorektor für Forschung und Technologie, Prof. Dr. Jörg Brüdern, und sein Vorgänger, Prof. Dr.-Ing. Karl-Heinz Wehking, Stellung zu bisherigen Erfolgen und neuen Herausforderungen.
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Prof. Wehking (r.): von der öffentlichen Mittelzuweisung hängt viel ab.
Redaktion:

Herr Wehking, Sie haben drei Jahre die Gründungsförderung an der Universität Stuttgart betreut. Wenn Sie heute Bilanz ziehen, auf welche Erfolge können Sie in Ihrer Amtszeit zurückblicken?

Wehking:

Dazu gehört, denke ich, "Gründung" an der Universität in der Breite zu einem Thema gemacht zu haben. Darüber hinaus ist es uns im Herbst 2001 mit vereinten Anstrengungen gelungen, den BMBF-Sachverständigenbeirat zu einer zweiten PUSH!-Phase zu bewegen, was weitere rund fünf Millionen Euro Fördermittel in die Region Stuttgart lenkte. Diese Gelder haben wir vor allem zum Aufbau neuartiger Lehrmaßnahmen genutzt und für den Ausbau der Gründungsberatung bei den Hochschulinkubatoren, wozu auch die Technologie Transfer Initiative der Universität Stuttgart (TTI GmbH) zählt. Die TTI GmbH wird heute auch stärker als noch vor drei Jahren als Dienstleistungseinrichtung der Universität wahrgenommen.

Sehr erfreulich ist weiterhin, dass der Bund den Ausbau der Transfereinrichtungen in Form des Technologie-Lizenz-Büros weiter unterstützt. Das spricht für die Qualität der Arbeit, die dort geleistet wird.

Redaktion:

Herr Brüdern, welche Ziele haben Sie sich für Ihre Amtszeit gesetzt?

Brüdern:

Ich habe natürlich eine Reihe von Aufgaben vom Kollegen Wehking übernommen. Einen Schwerpunkt während meiner Amtszeit will ich bei der Etablierung des Themas "Gründung" in der studentischen Lehre setzen. Ich möchte den Aufbau und die Implementierung eines Entrepreneurship-Curriculums aktiv begleiten.

Im laufenden Jahr kommt außerdem dem Transfer unserer Erfahrungen an andere Hochschulen große Bedeutung zu, wofür sich vor allem das Gründungsforschungs-Forum im November 2004 eignet. Die Universität Stuttgart ist dabei ja einer der Gastgeber und steht überdies beim BMBF im Wort, Modellcharakter zu haben. Unser Vorgehen und unsere Ergebnisse in der Netzwerkbildung, in der Aus- und Weiterbildung und in der konkreten Gründungsbegleitung soll anderen deutschen Hochschulen in vergleichbarer Ausgangslage als nachahmenswertes Beispiel dienen.

Redaktion:

Warum ist es gerade auch für die Gründungsförderung wichtig, eine enge Kooperation zwischen Forschung und Industrie anzustreben und welche Rolle spielt dabei an der Universität Stuttgart der Prorektor für Forschung und Technologie?

Wehking:

Die Gründungsförderung gilt als besonders effektiver Teil des Technologietransfers, denn "über die Köpfe" unserer frisch ausgebildeten Absolventen sowie der jungen Wissenschaftler, die ihre Forschungsergebnisse als Basis einer Unternehmensgründung nutzen, gelangt das neueste Wissen viel schneller und direkter zur Anwendung. Diese Leute sind ja überzeugt von ihrer Innovation und wollen sie auch in einen wirtschaftlichen Erfolg umsetzen! So manches Unternehmen hingegen erwirbt die Nutzungsrechte an einer Erfindung nur, um eventuelle Konkurrenz auszuschalten und nicht, um sie möglichst vielen Kunden zugänglich zu machen.

Die Universität Stuttgart hat ein sehr großes Interesse daran, den wechselseitigen Know-how-Transfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu fördern - auf allen denkbaren Wegen. Dass Gründungsförderung dabei keine Einbahnstraße ist, erleben wir schon heute, wenn junge Unternehmen, die aus der Universität heraus entstanden sind, interessante industrielle Forschungsfragen an die Institute zurückspielen. Angesichts der Drittmittelabhängigkeit der Universität ist das ein Punkt, der in der Systematik der Gründungsförderung stärker beachtet werden sollte.

Brüdern:

Die Universität Stuttgart verfügt wegen ihrer engen Industriekontakte über eine herausragende Stellung bei der Weiterentwicklung von Forschungsergebnissen bis zur Marktreife, also deren Umsetzung in konkrete Produkte und Dienstleistungen. Diese gilt es zu halten und auszubauen. Auf dem Arbeitsgebiet des Prorektors für Forschung und Technologie kann die Gründungsthematik überdies gut mit verwandten Themen verknüpft werden, Fragen zu Patent- und Lizenzangelegenheiten etwa. Außerdem nimmt der Amtsträger schon immer eine gewisse Brückenfunktion bei Aufgaben des Technologietransfers wahr, zum Beispiel zwischen der Universitätsleitung und anderen Transfer-Einrichtungen der Universität wie der TTI GmbH oder dem Technologie-Lizenz-Büro in Karlsruhe.

Redaktion:

Wie sich im Förderprojekt PUSH! zeigt, legt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) großen Wert darauf, dass gründungsbezogene Inhalte bereits im Studium vermittelt werden. Ist die Gründungsförderung nicht damit auch eine Aufgabe für den Prorektor Lehre?

Wehking:

Dass eine systematische Förderung von Gründerpersönlichkeiten bereits im Grundstudium ansetzen sollte, ist in Deutschland noch eine recht neue Sichtweise, zu der sich auch das BMBF im Projekt PUSH! erst spät geäußert hat. Ich hatte mich aber mit dem damaligen Prorektor für Lehre, Professor Göhner, schon vorher regelmäßig abgestimmt. Wir haben auch gemeinsam die "Interfakultative Arbeitsgruppe Lehrangebot Existenzgründung" ins Leben gerufen. Und ich weiß, dass Herr Brüdern mit dem derzeitigen Prorektor für Lehre, Herrn Professor Thomé, zusammenarbeitet.

Redaktion:

Nur ein geringer Anteil der Studierenden macht sich direkt nach dem Abschluss selbstständig - warum möchten Sie, Herr Brüdern, dennoch gerade bei der Gründungsförderung im Studium einen Schwerpunkt Ihrer Arbeit setzen? Gibt die Universität damit lediglich einem aktuellen Trend nach oder werden weitergehende Absichten verfolgt?

Brüdern:

Natürlich ist eine freiberufliche oder unternehmerische Berufsausübung nur eine unter mehreren Erwerbsmöglichkeiten, und wir können nicht von allen Studierenden erwarten, dass sie sich hier an der Universität Stuttgart darauf vorbereiten wollen. Dennoch: So klein ist der Anteil auch wieder nicht. Immerhin rund zehn Prozent unserer Studierenden wollen sich direkt nach Studienabschluss, weitere 26 Prozent nach einigen Jahren Berufstätigkeit selbstständig machen. Und der Trend zeigt stark nach oben.

Wir stehen daher durchaus in der Pflicht, unsere Studierenden und Alumni über die möglichen Chancen und Risiken des Unternehmertums zu informieren, so dass sie sich gegebenenfalls auf die Anforderungen einer selbstständigen Berufsausübung vorbereiten können. Nicht zuletzt die regionale Wettbewerbsfähigkeit hängt damit zusammen.

Redaktion:

Wie sieht die Vorbereitung auf ein mögliches Unternehmertum aus?

Brüdern:

Wir müssen alle unsere Absolventen befähigen, eigenverantwortlich Entscheidungen auf den wesentlichen Gebieten ihres späteren Berufslebens treffen zu können. Das ist in der heutigen Zeit, in der sich der Staat vermehrt aus dem Arbeitsmarkt und der Daseinsvorsorge zurückzieht, wichtiger denn je. Unser Ziel ist der "gründungsmündige Absolvent". Das heißt, die Studierenden sollen in die Lage versetzt werden, sich autonom und rational begründet für oder gegen eine berufliche Selbstständigkeit zu entscheiden. Hierbei sollten ihnen unsere sehr guten Qualifizierungs- und Beratungsangebote bekannt sein.

Um Aufbau und Betrieb des Entrepreneurship-Curriculums zu sichern, müssen jedoch die anschubfinanzierten Lehrmaßnahmen langfristig gesichert werden, was nicht einfach werden wird.

Wehking:

Herr Brüdern hat Recht, von den öffentlichen Mittelzuweisungen hängt viel ab. Gerade auch bei der positiven Evaluierung der TTI GmbH (wir berichteten: unikurier Nr. 88) und im Verlauf meiner "Sommeroffensive 2001" habe ich deutlich gemerkt: Ohne die Anschubfinanzierung durch Land und Bund wäre der gesamte Prozess der Gründungsförderung hier an der Universität Stuttgart kaum so rasch und erfolgreich verlaufen.

Redaktion:

Angesichts leerer öffentlicher Kassen steht die Universität Stuttgart da vor großen Herausforderungen. Herr Professor Wehking, welche Bereiche wären von Mittelkürzungen besonders betroffen?

Wehking:

Zwei der personenbezogenen Förderprogramme, EXIST-SEED des BMBF und Junge Innovatoren des Landes Baden-Württemberg, stehen wahrscheinlich vor dem Aus. Auch das Projekt PUSH! wird im Jahr 2004 nur mehr aus den Eigenmitteln der beteiligten Hochschulen getragen. Außerdem ist es mir gegen Ende meiner Amtszeit leider nicht mehr gelungen, die TTI GmbH auf ihrem gegenwärtigen Niveau dauerhaft finanziell abzusichern.

Redaktion:

Herr Brüdern, wie wird die Universität auf die geänderten Rahmenbedingungen reagieren?

Brüdern:

Das wird in der Tat schwierig. Bisher ist die Gründungsförderung ganz klar als öffentliche Aufgabe gesehen worden. Insbesondere bei der weichenstellenden Einzelberatung im Vorgründungsstadium sind wir zur Kostendeckung auf öffentliche Zuschüsse angewiesen. Ähnlich steht es um die Entwicklung und Fortführung gründungsbezogener Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in der universitären Lehre.

Hinsichtlich der personenbezogenen Förderung hoffe ich, dass es uns gelingen wird, EXIST SEED wenigstens für die Zielgruppe der Studierenden weiter anbieten zu können. Zur Fortführung des Landesprogramms "Junge Innovatoren" habe ich gleich in den ersten Wochen meiner Amtszeit eine Reihe von Gesprächen geführt - lassen Sie uns abwarten, was daraus wird. Ansonsten bin ich bestrebt, Optimierungs- und Einsparungspotenziale ausfindig zu machen. Wir müssen unsere Kräfte noch stärker bündeln und auch externe Partner vermehrt einbinden.

Redaktion:

Wir wünschen Ihnen viel Erfolg!

Kristin C. Wedekind/

Matthias Freitag

 

Kontakt

Prorektor für Forschung und Technologie,

Prof. Dr. Jörg Brüdern,

Keplerstraße 7, 70174 Stuttgart

Tel. 0711/685-5366,

e-mail: prorektor-forschung@uni-stuttgart.de

 

 


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Pressestelle der Universität Stuttgart

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