Die Kunst aus der Zeit der Ottonen und
frühen Salier erfreut sich großer Beliebtheit. Allein vier
große Ausstellungen mit mehreren hunderttausend Besuchern
waren in den letzten zehn Jahren diesem Thema gewidmet; dazu
sind meist mehrbändige Kataloge erschienen. Ziel der
Stuttgarter Tagung war es, auf der Basis der umfangreichen
Veröffentlichungen Perspektiven der Forschung zu erörtern
und Neuansätze zur Diskussion zu stellen.Buchmalerei
Der erste Themenkomplex galt der Buchmalerei und dem
Problem der hier von der älteren Forschung relativ statisch
formulierten Schulzusammenhänge, die dem heutigen
Diskussionsstand nur noch bedingt entsprechen (Thomas
Labusiak, Augsburg). Konkret am Beispiel der Nachfolge des
karolingischen Lorscher Evangeliars in Handschriften
neugegründeter Klöster um 1000 (Petershausen bei Konstanz,
St. Michael in Hildesheim und andere) wurde die
konzeptionelle Grundlage von Vorlagenrezeptionen erörtert
(Ulrich Knapp, Leonberg). Daran schloss sich das Problem der
Vorlagenvermittlung an, das anhand der Rezeption
insbesondere Reichenauischer Handschriften in Italien
diskutiert wurde (Irmgard Siede, Mannheim), wo die der
einheimischen Produktion weit überlegenen ottonischen
Buchmalereien offenbar sogar mehr als spätantike und
byzantinische Vorlagen geschätzt wurden.
Einen wichtigen Neuansatz der Bewertung von
Bildfunktionen der Handschriftenillustrationen stellt ihre
Interpretation im Sinne der monastischen meditatio dar, die
sich unter anderem auf die Bildausstattung des De laudibus
crucis von Hrabanus Maurus stützen und auf ottonische
Handschriften übertragen werden kann (Christoph Winterer,
Frankfurt). Diese These erweitert den Diskussionshorizont
der Kunstgeschichte zur Entstehung des Andachtsbildes
erheblich.
Aspekte der Goldschmiedekunst
Der zweite Schwerpunkt der Tagung widmete sich Aspekten
der Goldschmiedekunst. Den Anfang machte das Thema der
Entstehung der nachantiken Großskulptur. Eine Datierung der
ersten, nur schriftlich überlieferten Kruzifixe im Rahmen
des Bilderstreits um 800 wurde über die Rezeption in
Synodalprotokollen zur Diskussion gestellt (Beate Fricke,
Rom). Davon ausgehend wurde die Frage erörtert, wie dieser
Bildtypus im Kontext der frühen Heiligenskulpturen zu
bewerten ist.
Eine Parallele zu den Problemen der Buchmalerei stellte
die Frage der Lokalisierung von Goldschmiedewerkstätten
anhand der Goldemails dar (Sybille Eckenfels-Kunst, Forst).
Dies leitete über zum Thema der liturgischen Funktion von
Reliquiaren, die ausgehend von antropomorphen Formen wie den
Armreliquiaren diskutiert wurde (Martina Junghans, Köln).
Byzanz und das Abendland
Den Abschluss der Tagung bildete ein öffentlicher Vortrag
von Dr. Holger Klein (Columbia University, New York) zum
Thema "Byzanz und das Abendland im Zeitalter der Ottonen.
Eine (kunst)historisch-historiographische Bestandsaufnahme",
der den Horizont der Tagung aus dem Frühmittelalter heraus
zur Forschungsrezeption im 19. und 20. Jahrhundert weitete.
Der trotz des Termins an einem Samstag Abend stattliche
Zuhörerkreis zeigt das große Interesse, das
geisteswissenschaftliche Themen innerhalb der Universität
und der Stadt Stuttgart finden. / Klaus Gereon Beuckers
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