Die Initiatoren: Christoph König (Leiter
der Arbeitsstelle zur Erforschung der Geschichte der
Germanistik am Deutschen Literaturarchiv Marbach) und Horst
Thomé (Professor für neuere deutsche Literatur am Institut
für Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart). Die
Idee dazu entstand aus dem Bedürfnis, dem qualifizierten
Nachwuchs eine Plattform zum Austausch und zur Weiterbildung
zu geben. Vorbild ist die etwa in der Musik völlig
selbstverständliche Elitenförderung - ein Wort, das an
deutschen Universitäten immer noch Unbehagen auslöst.
"Leider", wie Horst Thomé findet, "denn das Institut für
Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart bekommt
durch seine Beteiligung an der Sommerschule ein
einzigartiges Profil, indem es die internationale Elite der
promovierenden Literaturwissenschaftler an sich bindet."
Stuttgart und Marbach als ideale Partner
Stuttgart und Marbach vereinen wissenschaftstheoretische
und -historische Kompetenz. Das Institut für
Literaturwissenschaft der Universität Stuttgart mit seiner genuin komparatistischen Ausrichtung ist idealer Partner
für das Deutsche Literaturarchiv Marbach: Hier findet sich
nicht nur die mit 800.000 Bänden größte Bibliothek weltweit
zur deutschen Literatur und Literaturwissenschaft seit 1750,
sondern auch die einzige Forschungsstelle für die
Wissenschaftsgeschichte der Germanistik. Dazu bietet Marbach
ideale Räume für die Seminare und zum Wohnen. Einen weiteren
Partner fanden die Initiatoren im DAAD, der das Projekt
maßgeblich förderte und dessen Lektoren weltweit wichtige
Multiplikatoren waren.
Die Sommerschule wurde zu Beginn 2003 für junge
LiteraturwissenschaftlerInnen ausgeschrieben, die ihr
Studium beendet haben und eine Promotionsarbeit planen. Auf
Anhieb bewarben sich 150 Nachwuchswissenschaftler aus aller
Welt. Eine Dozentenjury wählte aus den Bewerbungen die 20
Besten aus, die insgesamt 14 Nationen angehörten: Ägypten,
Brasilien, China, Deutschland, Georgien, Indien, Italien,
Kanada, Polen, Rumänien, der Schweiz, Spanien, Togo und den
USA.
Kritisches Lesen
Das Ziel der Sommerschule beschreibt Christoph König so:
"Wir wollten das kritische Lesen literarischer (und
wissenschaftlicher!) Texte üben. Lesefähigkeit ist eine der
ältesten und zurzeit vernachlässigten Kulturtechniken. Wer
nicht richtig zu lesen versteht, verfällt falschen
Argumenten und rhetorischen Täuschungsmanövern, auch in den
literarischen Werken." Im Mittelpunkt stand also die
Reflexion. Ein attraktives Angebot für die Stipendiaten,
genauso wie der gute Dozenten-Studenten-Schlüssel: so
konnten die sechs Hauptdozenten, die während der gesamten
drei Wochen anwesend waren, vier bis fünf Stipendiaten in
einem persönlichen Mentorensystem intensiv betreuen. Nicht
zuletzt waren die Teilnehmer begeisterte Nutzer der
Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs.
Intensive Betreuung
Die Sommerschule bestand aus drei Phasen: Seminare,
Bibliotheksarbeit der Stipendiaten und Mentorensystem,
Abschlusskolloquium. Die Seminare folgten drei
Gesichtspunkten: Konzepte und Begriffe der
Literaturwissenschaft und Wissenschaftsgeschichte wurden
analysiert. Gastdozenten vermittelten germanistisches
Handwerkszeug. Diese beiden Phasen mündeten in die
philologische Praxis des Interpretierens. Um gemeinsames
Arbeiten möglich zu machen, wurde ein gemeinsames Thema
gewählt: die Atridenerzählung in der Antike und ihre
Aktualisierung in der neueren deutschen Literatur. Wie
lebendig diese Tradition in der zeitgenössischen Literatur
ist, zeigte die Lesung mit Volker Braun, einem der
bedeutendsten Schriftsteller der Gegenwart.
Fazit für die Stipendiaten: Sie haben viele, viele Anregungen bekommen - durch die Seminare, durch die Teilnehmerinnen
und Teilnehmer aus anderen Länder, vor allem aber durch die
intensive Betreuung durch Christoph König, Horst Thomé,
Klaus Berghahn (Wisconsin/Madison), Pierre Judet de La Combe
(Paris), Renate Schlesier (Berlin) und Ulrich Wyss
(Frankfurt/M.).
Die Sommerschule für Literaturwissenschaft in Marbach
soll künftig alle zwei Jahre stattfinden.
Weitere Informationen unter
http://www.sommerschule-literaturwissenschaft.de. Brigitte Schöning