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Stuttgarter unikurier Nr. 92 Dezember 2003
Tag der Technischen Biologie:
Ulrich Kull verabschiedet oder das Ende der "Kull-Touren"
Im Zeichen der Verabschiedung von Prof. Ulrich Kull stand der vierte "Tag der Technischen Biologie" am 11. Juli. Ein bunt gemischtes Publikum nutzte dabei die Möglichkeit, sich mit Studierenden, Wissenschaftlern, Industrievertretern und Ehemaligen auszutauschen. Viele mussten im überfüllten Hörsaal im Gebäude Pfaffenwaldring 47 mit Stehplätzen vorlieb nehmen.
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Posterpräsentationen und Stände von Verlagen, Firmen und Museen boten den Gästen des Tages der Technischen Biologie Einblick in aktuelle Forschung. (Foto: Eppler)
"Mir werden Ihre pointierten Bemerkungen in den Fakultätsratssitzungen fehlen!", bedauerte Prof. Paul Keller, Dekan der Fakultät Geo- und Biowissenschaften, den Abschied von Prof. Ulrich Kull. Er lobte ihn als universell gelehrten Botaniker und auch Geowissenschaftler. Besonders dankte er Kull für dessen Verdienste bei der Gründung der Fakultät und der Planung und Förderung des Studiengangs "Technische Biologie".

Botanische Raffinessen
In seinem Festvortrag berichtete Prof. Franz Hoffmann von der University of California vom Menschheitstraum, Artgrenzen zu überwinden und damit neuartige, verbesserte Organismen zu erschaffen. Ein Kapitel dieses Traumes war die Fusion zellwandloser, im Labor "entkleideter" Pflanzenzellen, so genannter Protoplasten. Dieses Kapitel wurde lange vor Beginn der Gentechnologie geschrieben und nährte die Hoffnung auf köstliche "Tomoffeln" und "Karmaten". Man spekulierte auf wirtschaftlichen Nutzen durch die Kombination der Eigenschaften krankheitsanfälliger Nutzpflanzen mit resistenten Wildarten. Dies gelang jedoch selten und führte eher zu monströsen Pflanzengeschöpfen. Heute werden deshalb gezielt gentechnische Ansätze mit klassischer Züchtung kombiniert. Auch der Festvortrag von Prof. Volker Mosbrugger aus Tübingen über das Wasserleitungssystem bei Pflanzen brachte den Zuhörern botanische Raffinessen allgemeinverständlich nahe. Dabei wurde die Bedeutung natürlicher Konstruktionen für technische Anwendungen klar. So ergeben sich daraus Ansätze für neue Bewässerungssysteme, Brennstoffzellen und "technische Textilien" zum Transport von Flüssigkeiten. "Abstrakte Forschungsthemen können viele ungeahnte Möglichkeiten beinhalten", begründete Mosbrugger sein Plädoyer für eine Verbindung von angewandter Forschung mit Grundlagenforschung. Zudem brauche die Wissenschaft nebst Spezialisten auch weiterhin Generalisten.

In seiner Abschiedsrede fand Ulrich Kull kritische Worte zur weiteren Entwicklung der Universität Stuttgart. "Alle Macht geht vom Gelde aus", beschrieb Kull die Bestrebungen an der Universität, durch die "Zukunftsoffensive Universität Stuttgart" ingenieurwissenschaftliche Kernkompetenzen auf Kosten der Geistes- und der Geowissenschaften zu stärken. Dabei sei es gerade wichtig, ein breites Angebot an Studienrichtungen beizubehalten.

Beim Tag der Technischen Biologie wurden auch die Diplomurkunden überreicht und herausragende Arbeiten mit von der Industrie gestifteten Preisen prämiert. Im Foyer informierten mehr als 60 Forschungsposter über aktuelle Projekte an der Uni Stuttgart. Verschiedenste Aussteller vom Stuttgarter Naturkundemuseum bis hin zur Biotech-Firma knüpften Kontakte mit Studierenden und Wissenschaftlern. Am Abend genossen über 120 Ehemalige und Freunde des Studiengangs bei Spinatspätzle und Jazz ein ungeahntes Flair auf dem Vaihinger Campus.
Sebastian Banhart/ Christina Wege

Prof. Ulrich Kull.
Prof. Ulrich Kull engagiert sich seit 40 Jahren für die Universität Stuttgart. Er ist in ganz Deutschland als Autor und Mitherausgeber des Oberstufen-Biologie-Schulbuchs "Der Linder" bekannt. Von 1956 bis 1962 studierte Kull in Stuttgart und Tübingen Chemie, Biologie und Geologie, promovierte in Stuttgart über das Thema Pflanzenphysiologie und habilitierte sich dort 1969. Acht Jahre später wurde er zum Professor an die Uni Stuttgart berufen und leitete die Abteilung Pflanzenphysiologie / Botanik. Nicht nur unter Studenten berühmt sind dabei auch die botanischen Exkursionen, "Kull-Touren" genannt. Wer daran teilnahm, wusste schnell, dass ein Tag nach acht Stunden Pflanzenkunde noch genug Zeit für weitere acht Stunden Universalbildung bietet. Die Fachschaft Biologie bewies Prof. Kull bei seiner Verabschiedung, dass sich derartige Expeditionen selbst im Hörsaal erfolgreich durchführen lassen.

 

 


llast change: 17.12.03 / hj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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