Mit
wuchtigen Schlägen hämmern Dennis Mader, Manuel Klumpp und
Rainer Merz die letzten Latten an ein hölzernes Windrad. Nun
noch die Fahne in den Wind gestellt, eine kräftige Böe
abgewartet, dann ein Jubelruf: "Zwei Volt, es tut!". - Der
ein wenig archaisch anmutende Generator steht auf dem Dach
des Instituts für Physikalische Elektronik (IPE), und die
Herren der Winde sind Teilnehmer der Vorlesung
Energieumwandlung von Institutsleiter Prof. Jürgen Werner.
Im Sommersemester verknüpfte Werner den theoretischen
Stoff mit praktischer Arbeit: In Kleingruppen sollten die
Studierenden aus Abfallmaterial einen einfachen
solarthermischen Kollektor sowie ein Windrad bauen. Ziel war
eine funktionstüchtige Anlage, die 100 Liter Wasser erhitzen
kann. Die Energieausbeute wurde in Modellrechnungen
geschätzt und nach der Fertigstellung gemessen. Maximal zehn
Euro standen für Material zur Verfügung, den Rest mussten
die Gruppen in Kellern, Speichern oder auf dem Schrottplatz
zusammensuchen.
Wie Robinson auf der Insel
"Die Startbedingungen sollten die gleichen sein wie bei
Robinson auf der einsamen Insel", schildert Werner die
Projektidee, die während eines Aufenthalts an der
Stuttgarter Partneruni in Kairo entstand. "Trotz des
überwiegend sommerlichen Klimas werden regenerative Energien
in Ägypten kaum genutzt, weil die Technologie und das
Know-how fehlen", beobachtete Werner. Also sollten die
Studierenden Geräte entwickeln, die auch unter den
Bedingungen eines Entwicklungslandes funktionieren - und
Recyclingmaterial ist in Regionen, in denen noch jede
Schraube repariert wird, reichlich vorhanden.
Zunächst jedoch stand Literaturstudium auf dem Programm.
Gesucht waren Bautypen, die einfach zu konstruieren und für
den Bau aus Abfall geeignet sind. In der "Windrad-Gruppe"
fiel die Wahl auf eine so genannte Western-Windmühle, die
aus alten Holzbalken zusammen gezimmert wurde. Das Getriebe stammt von einer ausrangierten Waschmaschine,
und statt Stoffsegeln blähen sich leuchtend blaue Müllsäcke
im Wind. Weitere elementare Bauteile: eine Fahrradspeiche,
der Motor eines Scheibenwischers und eine Bierdose.
Knifflige Details
Daraus einen funktionsfähigen Generator zu bauen, war
allerdings ein kniffliges Unterfangen. Ein Problem waren die
beweglichen Achsen, deren Reibungsverluste die
Energieausbeute minderten, erzählt Dennis Mader. Auch das Größenverhältnis zwischen
Windfahne und Segelfläche bereitete einiges Kopfzerbrechen:
Sind die Segel zu klein, verfängt sich der Wind nicht, und
wenn die Fahne zu groß ist, stellt sich das Windrad sehr
schwerfällig ein. Sturmgefährdet ist der Generator
obendrein: schon die Windwirbel auf dem Dach des
Elektrotechnikgebäudes brachten die Konstruktion gefährlich
ins Wanken.
Etwas leichter taten sich Martin Kowolik, Cristina Tirziu,
Markus Hlusiak und Thomas Rabe. Sie bauten eine
Thermosiphon-Anlage. Bei diesem Gerät fließt das Wasser
durch einen simplen Solarkollektor und wird dabei erwärmt.
Dazu wurde ein altes Fenster auf eine ausgediente
Europalette genagelt und mit Glaswolle abgedichtet. Als
Absorber dient ein schwarz gestrichener Heizkörper, als
Wasserbehälter eine verbeulte Blechtonne. Nur der Schlauch
stammt aus dem Baumarkt. Das System nutzt die
Dichtedifferenz von kaltem und warmem Wasser und pumpt sich
quasi selbst. Geregelt wird es über den Füllstandsregler aus
einer Toilettenspülung.
Heiße Debatten
An diesem HighTech-Teil entbrannten heiße Debatten: Gibt
es in Entwicklungsländern Niederdruck-Spülungen? Solche
Konflikte zu lösen, gehörte zum Seminarprogramm. Die
Studenten sollten über die technische Realisierung der
Anlage hinaus lernen, wie ein Projekt geplant und
organisiert werden muss. Die gruppendynamischen Prozesse
zwischen Sponti-Aktionen und Selbstüberschätzung waren
ziemlich turbulent, und statt der vorgegebenen zwei Tage
Bauzeit brauchten die Teams drei beziehungsweise fünf Tage.
Doch die Mühe hat sich gelohnt: "Wir verstehen jetzt besser,
was mit dem theoretischen Vorlesungsstoff gemeint ist, und
Spaß gemacht hat es auch", resümierten die Teilnehmer
zufrieden. Und auch wenn Robinson mit der Energieausbeute
wohl höchstens warm duschen könnte: "Für einen CD-Player
reichts allemal."
Andrea Mayer-Grenu
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