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Stuttgarter unikurier Nr. 92 Dezember 2003
In memoriam:
 
 
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Günther Glaser

Günther Glaser
Nach längerer Krankheit verstarb am 20. Juli 2003 im 92. Lebensjahr Professor Günther Glaser. Am 25. April 1912 in Stuttgart geboren, studierte er nach der Schulzeit am Realgymnasium Esslingen Physik an der damaligen Technischen Hochschule Stuttgart. Nach dem Diplom promovierte er an der Universität Göttingen bei Prof. Robert W. Pohl, dem er Zeit seines Lebens verbunden blieb.

Zwischen 1936 und 1938 war Günther Glaser als Assistent an der Universität Göttingen und an der TH Stuttgart tätig, anschließend in einem Forschungslabor der Firma Bosch. Den Zweiten Weltkrieg erlebte er als Soldat.

Nach 1945 begann er seine Industrietätigkeit bei der WMF in Geislingen, um sich 1949 als Assistent Professor Erich Regeners am Physikalischen Institut der TH Stuttgart wieder der Hochschule zuzuwenden. 1953 setzte er als Leiter für Forschung und Entwicklung der Firma Junghans in Schramberg seine Industrielaufbahn fort; 1963 berief ihn die TH Stuttgart auf den Lehrstuhl für Uhrentechnik und Feinmechanik. Damit verbunden war die Leitung des Forschungsinstituts für Uhren- und Feinwerktechnik der gleichnamigen Forschungsgesellschaft, deren Geschäftsführer er lange Zeit war. Im Jahr 1981 hat er sich aus der aktiven Arbeit zurückgezogen.

Die Leistungen Günther Glasers können hier nur kurz gewürdigt werden. In seine Zeit bei Junghans fiel der große Technologiewandel in der Uhrentechnik von der mechanischen zur elektronisch gesteuerten Uhr. Die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkennend, hat er die Uhrenentwicklung in seiner Firma in die neue Richtung vorangetrieben. Während seiner Tätigkeit als Leiter des Hochschul- und des Forschungsinstituts sollte die theoretische Uhrentechnik letztmals einen Höhepunkt erleben.

Glasers Arbeiten fanden im In- und Ausland hohe Anerkennung. Mehr als 100 Veröffentlichungen sind Zeugnisse seiner Forschertätigkeit, und zu seinem Lebenswerk zählt zweifelsohne auch das "Lexikon der Uhrentechnik" und vor allem das "Handbuch für Chronometrie und Uhrentechnik". Letzteres konnte er erst zehn Jahre nach seiner Emeritierung abschließen. Als Hochschullehrer begeisterte er seine Studenten mit Experimentalvorlesungen.

Prof. Glaser hatte zwölf Jahre das Amt des Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie inne und hat sich sehr für das Verständnis mit den Schwestergesellschaften aus Frankreich und der Schweiz eingesetzt. Günther Glaser wurde vielfach geehrt; so war er unter anderem Ehrenmitglied der Société Suisse de Chronométrie, Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Chronometrie, wurde mit der Jules-Haag Medaille der Société Française de Chronométrie, der Philipp-Matthäus-Hahn Medaille, dem Ehrenrings des VDE und dem Bundesverdienstkreuzes I. Klasse ausgezeichnet.

Mit dem Tod Prof. Glasers hat die deutsche Uhrenwissenschaft ihren Nestor verloren.
Friedrich Aßmus/Rainer Mohr

 

Eberhard Luz
 
Eberhard Luz
Mit großer Trauer vernahmen am 18. Juni 2003 wissenschaftliche Kreise, Freunde und Bekannte den Tod von Professor em. Dr.-Ing. Eberhard Luz. Bereits im Herbst 2001 erlitt er einen Schlaganfall und verbrachte die letzten Jahre seines Lebens im Familien- und Freundeskreis. Sein Tod hinterlässt in Deutschland und international eine große Lücke im Erdbebeningenieurwesen.

Der gebürtige Stuttgarter (Jahrgang 1933) studierte nach der mittleren Reife und einem Praktikum in einer Bauunternehmung und einem Architekturbüro an der Staatsbauschule Stuttgart und schloss 1957 mit dem "Staatlich geprüften Bauingenieur" ab. Parallel zur Tätigkeit im Stuttgarter Ingenieurbüro Leonhardt und Andrä begann Eberhard Luz 1958 ein Aufbaustudium an der damaligen TH Stuttgart und erwarb fünf Jahre später den "Dipl.-Ing." im konstruktiven Ingenieurbau. Danach wurde er Assistent am Lehrstuhl für Technische Mechanik für Bauingenieure. 1966 promovierte er mit Auszeichnung mit einer Arbeit über "Gedämpfte Schwingungen kontinuierlicher Gebilde bei Annahme eines nichtlinear viskoelastischen Stoffgesetzes". Er habilitierte 1970 im Fach Allgemeine Mechanik mit seinem "Beitrag zur Kontinuumsmechanik endlicher Verzerrungen unter Berücksichtigung thermischer Vorgänge". Dem Stuttgar-ter Lehrstuhl - dem heutigen Institut für Mechanik (Bauwesen) - blieb Eberhard Luz bis zu seiner Emeritierung im September 1998 treu: Ab 1971 war er wissenschaftlicher Rat, seit 1976 außerplanmäßiger Professor, ein Jahr später übernahm er die C3-Professur für Allgemeine Mechanik.

In der Lehre beschäftigte sich Eberhard Luz vor allem mit der Schwingungslehre, der Baudynamik, der Erdbebenbeanspruchung von Bauwerken und der Tensorrechnung für Ingenieure sowie mit Methoden zur Behandlung von Zufallschwingungen. Die Thematik seiner Vorlesungen war auch ein wichtiger Bestandteil seiner Forschung. In den 70er Jahren befasste er sich mit einem eindimensionalen Modellkontinuum zur Schwingungsberechnung von Hochhäusern im Hinblick auf die Ermittlung von Erdbebenersatzlasten. Dies umfasste zunächst die Entwicklung von Bauwerk-Strukturmodellen für endlich und unendlich viele Freiheitsgrade sowie die Berechnung von Erdbebenersatzlasten bei Biege-Torsions-Kopplung von Bauwerken. Ab Mitte der 80er Jahre beschäftigte er sich mit Verfahren zur experimentellen Modalanalyse für Bauwerke (Systemidentifikation) und er schlug eine Messmethode zur Bestimmung der wesentlichen modalen Parameter vor, ohne die Benutzung künstlicher Erregungsmechanismen, allein aus der natürlichen Rauschanregung. Dieses Verfahren wurde in seinen Folgearbeiten auf verschiedene Projekte in dem von ihm 1983 mitgegründeten Büro für Baudynamik in Stuttgart angewandt. In weiteren Arbeiten analysierte er Erdbebenbeanspruchungen, wie die theoretische Bestimmung von Antwortspektren und Etagenantwortspektren für die Erdbebenbemessung. Es folgten Steifigkeitsuntersuchungen an Brückenbauwerken mittels Schwingungen, die Entwicklung einer Methodik zur Bauwerksüberwachung und Laborprüfungen und dynamische Untersuchungen einer Prototypenreihe von Erdbebenisolatoren.

Eberhard Luz war Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen und Baudynamik (DGEB) und von 1988 bis 1995 Mitglied des Vorstands. Er galt als hoch angesehener Wissenschaftler, der auf zahlreichen internationalen Tagungen und Erdbebenkonferenzen wesentliche Beiträge in Theorie und Praxis lieferte. Auf nationaler Ebene wirkte er an der Diskussion zu Regelwerken zur Bemessung von Bauwerken für Erdbebenbelastungen aktiv mit.

In seiner 35-jährigen wissenschaftlichen Laufbahn verstand es Eberhard Luz, sein Fachwis-sen an Generationen von Studenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern weiterzugeben und sie zu motivieren. Unvergessen bleiben seine Aufrichtigkeit, seine Bodenständigkeit und seine stets offene und natürliche Art. Seine Familie, seine Kollegen, Mitarbeiter und Freunde vermissen ihn. Wir gedenken seiner Person in großer Dankbar-keit.
Marios C. Phocas
 

Johann Weidlein
 
Johann Weidlein
Nur wenige Monate nach seiner Verabschiedung in den Ruhestand und noch vor Vollendung seines 65. Lebensjahres verstarb am 18. März 2003 Prof. Dr. rer. nat. Johann Richard Weidlein, Professor für Anorganische Chemie an der Universität Stuttgart.
Am 20. September 1938 als Kind ungarndeutscher Eltern geboren, verbrachte er seine frühe Kindheit in Budapest; von dort verschlug es die Familie gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in langen Irrfahrten nach Schorndorf, wo er seine Schulzeit durchlief. Beim Studium der Chemie an der damaligen TH Stuttgart erwarb er sich mit seiner experimentellen Geschicklichkeit und steten Hilfsbereitschaft rasch die Hochachtung seiner Kommilitonen; die Promotion schloss er bereits im fünfzehnten Semester ab. Nach einjährigem Postdoktorat in Freiburg kehrte er nach Stuttgart zurück, wo er sich 1971 für das Fach Anorganische Chemie habilitierte und 1979 zum Universitätsprofessor ernannt wurde.

Über viele Jahre hinweg hat sich der Verstorbene mit unermüdlicher Begeisterung und sehr erfolgreich in der Lehre engagiert. Unbedingt zu erwähnen sind hier seine unvergesslichen Experimentalvorlesungen und insbesondere die stets bis auf den letzten Platz besetzte traditionelle Weihnachtsvorlesung, bei der er mit didaktisch sorgsam ausgewählten, überaus spektakulären Schauexperimenten seine Begeisterung für die Chemie auf die Hörer übertrug.

In der Tradition seines akademischen Lehrers Josef Goubeau erwarb sich Johann Weidlein als Forscher den Ruf eines allseits anerkannten Meisters der Schwingungsspektroskopie; bis zum Ende seiner Dienstzeit ließ er es sich nicht nehmen, wichtige Ramanspektren eigenhändig aufzunehmen. Basierend auf einem schier unergründlichen Schatz an Erfahrung stellte er zusammen mit Kurt Dehnicke und Ulrich Müller, die wie er der Goubeau-Schule entstammen, in einem zweibändigen Atlas Schwingungsfrequenzen für sämtliche bekannten Elementkombinationen in ihren unterschiedlichen Bindungszuständen zusammen; in diesem Zusammenhang und mit demselben Autoren entstand auch eine sehr erfolgreiche Einführung in die Schwingungsspektroskopie - ein Werk, das seine didaktischen Ziele ohne Abstriche bei der theoretischen Schärfe mit einem Höchstmaß an Anschaulichkeit erreicht.

Überaus fruchtbar wirkten sich die schwingungsspektroskopischen Fragestellungen auf seine synthetischen Arbeiten aus, so dass Johann Weidlein zahlreiche originelle und wichtige Beiträge zur präparativen elementorganischen Chemie, insbesondere der Erd- und Seltenerdmetalle, lieferte. Seine reiche Erfahrung auf diesem experimentell schwierigen Gebiet brachte er bereitwillig in ein interdisziplinäres Projekt zur epitaktischen Gasphasen-Abscheidung halbleitender Erdmetallpnikogenid-Schichten mit Instituten der Fakultät Physik ein; aufgrund seines hohen Ansehens wurde ihm die Abfassung des indiumorganischen Teilbandes zum "Gmelin Handbook of Inorganic and Organometallic Chemistry", dem Standardwerk der Anorganischen Chemie, übertragen.

Ein Anliegen war ihm stets die Betreuung seines Arbeitskreises, dessen Entwicklung er als begabter Fotograf auch im Bild dokumentierte. Nach dem Tod seines Kollegen Eckhard Allenstein im Jahre 1985 übernahm er dessen Doktoranden und führte sie zur Promotion. Sein unnachgiebiger Anspruch an wissenschaftliche Genauigkeit und experimentelle Sorgfalt sowie eine offene und stets sehr direkte Sprache, jedoch verbunden mit einer von nie versiegendem Humor getragenen menschlichen Autorität, verlieh seiner Gruppe in besonderem Maße Attraktivität, so dass heute eine außergewöhnlich große Zahl dankbarer Schüler mit den Angehörigen der Fakultät Chemie um Johann Weidlein trauert. 

 


llast change: 17.12.03 / hj
Pressestelle der Universität Stuttgart

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