Die Lagebilanz, mit der der Chef
der Uhinger Allgaier-Werke nach der Begrüßung durch Rektor
Prof. Dieter Fritsch seinen Vortrag einleitete, konnte die
Zuhörer allerdings das Fürchten lehren: Wachstum im Keller,
Sozialsysteme kurz vor dem Crash, die Bildung marode - "das
einzige, was nach oben geht, sind die Arbeitslosenzahlen und
die Firmenpleiten." Schuld daran seien jahrzehntealte
strukturelle Probleme, die sich im konjunkturellen Abschwung
doppelt rächen.Alles schlecht zu reden, läge ihm jedoch
fern, betonte Hundt, und forderte eine "tabufreie"
Reformdiskussion. Dazu zwinge schon die Globalisierung. Sie
konfrontiere die Deutschen mit Wahrheiten, die lange
ignoriert wurden. "Kein Land der Welt hat einen so
überregulierten Arbeitsmarkt, eine so überbordende
Bürokratie und so unverhältnismäßig hohe Arbeitskosten wie
Deutschland", benannte er die Standortnachteile aus
Unternehmersicht.
Erster Schritt ist gemacht
Ohne die Vorgabe eines langfristig angelegten Leitbildes
werden jedoch weder Wirtschaft noch Bürger zur notwendigen
Reformanstrengung motiviert. "Der Ruck braucht eine klare
Richtung", forderte Hundt. Die von Bundeskanzler Gerhard
Schröder im März vorgestellte Agenda 2010 bezeichnete er als
einen ersten Schritt. Sie enthalte das klare Ziel, die
Rahmenbedingungen für mehr Wachstum und Beschäftigung zu
verbessern. "Mehr Eigen- und weniger Fremdverantwortung,
weniger Staat und mehr Privatinitiative - die Richtung
stimmt", lobte Hundt das rot-grüne Reformkonzept.
In der sozialen Sicherung, im Arbeitsrecht, in der
Arbeitsmarkt- und Steuerpolitik wurden Gesetzesvorhaben
angekurbelt, die lange undenkbar schienen. Allerdings
handele es sich dabei noch um politische "Reparaturarbeiten". Hundt forderte weitere
Reformen: So müsse die Sozialversicherung auf eine
Basissicherung mit Kernleistungen konzentriert werden, dem
Einzelnen sollen mehr Handlungs- und Entscheidungsspielräume
zur Gestaltung seines individuellen Schutzniveaus eingeräumt
werden.
Schmerzhafte Einschnitte
Gemeint sind Einschnitte, die weh tun: Die Deutschen
sollen länger arbeiten und sehen dafür weniger Rente.
Arztbesuche und Medikamente müssten teurer, Zahnersatz und
Unfälle privat versichert werden. Und auch das Pflegerisiko,
erst vor wenigen Jahren nach zähem Ringen in die gesetzliche
Versicherung integriert, wollen die Arbeitgeber wieder der
privaten Vorsorge überlassen.
Eine weitere Reformbaustelle machte Hundt, der seit 1998
Ehrensenator der Uni ist, in der Bildungspolitik aus. Sowohl
in der finanziellen Ausstattung von Forschung und
Entwicklung als auch bei Effizienz und Qualität drohe das
Bildungssystem den Anschluss zu verlieren. "Ein
rohstoffarmes Land wie Deutschland kann sich eine derartige
Vernachlässigung seiner wichtigsten Ressource nicht
leisten", kritisierte der Arbeitgeberchef, und empfahl
kürzere Studienzeiten, eine engere Verzahnung von Theorie
und Praxis und noch mehr Bachelor- und Masterstudiengänge.
Interesse an Diplom
Eine Forderung, die auf Widerspruch stieß: "Wir haben
jede Menge neue Abschlüsse eingeführt, aber die Wirtschaft
nimmt sie nur sehr zurückhaltend an", so die Erfahrung eines
Univertreters im Publikum. Im Übrigen stoße das deutsche
Diplom derzeit gerade in den USA durchaus auf Interesse:
"Wir stehen viel näher an den internationalen Vorbildern,
als oftmals dargestellt."
Bei allen Differenzen blieb Hundt am Ende Optimist: "Der
Ruck kommt - er muss kommen", lautete das Fazit des
Wirtschaftslenkers, der sich sicher ist, dass die
Bürgerinnen und Bürger bei den anstehenden Reformen
mitziehen werden. Andrea Mayer-Grenu